b. Verletzbarkeit der Ehre


Indem nun die Ehre nicht nur ein Scheinen in mir selber ist, sondern auch in der Vorstellung und Anerkennung der anderen sein muß, welche wiederum ihrerseits die gleiche Anerkennung ihrer Ehre fordern dürfen, so ist die Ehre das schlechthin Verletzliche. Denn wieweit ich und in bezug worauf ich die Forderung ausdehnen will, beruht rein in meiner Willkür. Der kleinste Verstoß kann mir in dieser Rücksicht schon von Bedeutung sein; und da der Mensch innerhalb der konkreten Wirklichkeit mit tausend Dingen in den mannigfaltigsten Verhältnissen steht und den Kreis dessen, was er zu dem Seinigen zählen und worein er seine Ehre legen wolle, unendlich zu erweitern vermag, so ist bei der Selbständigkeit der Individuen und ihrer spröden Vereinzelung, die gleichfalls im Prinzip der Ehre liegt, des Streitens und Haderns kein Ende. Auch bei der Verletzung kommt es deshalb, wie bei der Ehre überhaupt, nicht auf den Inhalt an, in welchem ich mich verletzt fühlen muß; denn das, was negiert wird, betrifft die Persönlichkeit, die solch einen Inhalt zu dem ihrigen gemacht hat und nun sich, als diesen ideellen unendlichen Punkt, angegriffen erachtet.


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