A. Unmittelbare Einheit von Bedeutung und Gestalt
In dieser angeschauten unmittelbaren Identität des Göttlichen, das als eins mit seinem Dasein in der Natur und dem Menschen zum Bewußtsein gebracht wird, ist weder die Natur als solche, wie sie ist, aufgenommen, noch für sich das Absolute davon losgerissen und verselbständigt, so daß also von einem Unterschiede des Inneren und Äußeren, der Bedeutung und Gestalt eigentlich nicht zu reden ist, weil sich das Innere noch nicht für sich als Bedeutung von seiner unmittelbaren Wirklichkeit im Vorhandenen abgelöst hat. Sprechen wir deshalb hier von Bedeutung, so ist dies unsere Reflexion, welche für uns aus dem Bedürfnis hervorgeht, die Form, welche das Geistige und Innere als Anschauung erhält, überhaupt als etwas Äußerliches anzusehen, durch das wir, um es verstehen zu können, in das Innere, die Seele und Bedeutung hineinblicken wollen. Daher müssen wir aber bei solchen allgemeinen Anschauungen den wesentlichen Unterschied machen, ob jenen Völkern, welche sie zuerst faßten, das Innere selbst als Inneres und Bedeutung vor Augen war oder ob wir nur darin eine Bedeutung erkennen, welche ihren äußerlichen Ausdruck in der Anschauung erhält.
In dieser ersten Einheit nun also ist kein solcher Unterschied von Seele und Leib, Begriff und Realität; das Leibliche und Sinnliche, das Natürliche und Menschliche ist nicht nur ein Ausdruck für eine davon auch zu unterscheidende Bedeutung; sondern das Erscheinende selber ist als die unmittelbare Wirklichkeit und Gegenwart des Absoluten gefaßt, das nicht für sich [ist] noch eine andere selbständige Existenz erhält, sondern nur die unmittelbare Gegenwart eines Gegenstandes hat, welcher der Gott oder das Göttliche ist. Im Lamadienste z. B. wird dieser einzelne, wirkliche Mensch unmittelbar als Gott gewußt und verehrt, wie in anderen Naturreligionen die Sonne, Berge, Ströme, der Mond, einzelne Tiere, der Stier, Affe usf. als unmittelbare göttliche Existenzen angesehen und heilig geachtet sind. Ähnliches, wenn auch in vertiefter Weise, zeigt sich in manchen Beziehungen auch noch in der christlichen Anschauung. Der katholischen Lehre nach z. B. ist das geweihte Brot der wirkliche Leib, der Wein das wirkliche Blut Gottes und Christus unmittelbar darin gegenwärtig, und selbst dem lutherischen Glauben nach verwandelt sich durch den gläubigen Genuß Brot und Wein zu dem wirklichen Leib und Blut. In dieser mystischen Identität ist nichts bloß Symbolisches enthalten, das erst in der reformierten Lehre dadurch hervorkommt, daß hier das Geistige für sich von dem Sinnlichen losgetrennt und das Äußerliche dann als bloße Hindeutung auf eine davon unterschiedene Bedeutung genommen wird. Auch in den wundertätigen Marienbildern wirkt die Kraft des Göttlichen als unmittelbar in ihnen präsent und nicht etwa nur als symbolisch durch die Bilder angedeutet.
Am durchgreifendsten aber und verbreitetsten finden wir die Anschauung jener ganz unmittelbaren Einheit in dem Leben und der Religion des alten Zendvolkes, dessen Vorstellungen und Institutionen uns in dem Zend-Awesta aufbewahrt sind.
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