3. Die Kirche zu Stolpe
Stolpe, Stolpeken oder Wendisch-Stolpe, scheint – so schreibt Berghaus, dem ich die Verantwortung dafür zuschiebe – das am frühesten in unserer Landesgeschichte genannte Teltowdorf zu sein. 1197. Es war eine wendische Besiedlung, auf der sich bis diesen Tag zahlreiche Totenurnen vorfinden. Im übrigen gedeiht hier, und zwar in besonderer Vortrefflichkeit, die Teltower Rübe, nachdem die Bevölkerung jahrhundertelang vorwiegend von Fisch- und Honigfang gelebt hatte. Die Lage des Dorfes ist sehr malerisch, wozu die von Wannsee bis nach Klein-Glienicke sich hinziehende Seenkette das ihrige beiträgt. Bis zur Reformation gehörte Stolpe zum Brandenburger Bistum, nach welcher Zeit es zum Amte Ziesar und dann zum Amte Potsdam kam. Dahin ward es eingepfarrt und seine hochgelegene Kirche zeichnete sich, neben andrem, auch durch eine große Glocke aus.
Das ging so bis 1848, wo die große Glocke sprang, und als bald danach die ganze, noch der gotischen Zeit entstammende, zur Zeit des Großen Kurfürsten oder ersten Königs aber umgebaute Kirche baufällig wurde, beschloß man regierungsseitig, alles von Grund aus abzutragen und genau anstelle der alten Kirche die Fundamente zu einer neuen zu legen. Bei diesen Fundamentierungsarbeiten stieß man auf zwei Grüfte, von denen eine sogleich als Erbbegräbnis der Hofgärtnerfamilie Heydert erkannt wurde, deren Ahnherr, Martin Ludwig Heydert, kurfürstlicher Hofgärtner zu Neu-Glienicke, sich bei Gelegenheit des vorerwähnten, in die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts fallenden Umbaues der Stolper Kirche durch eine reiche Beisteuer von 800 Talern derart wohlverdient gemacht hatte, daß ihm das Recht auf Anlegung einer Familiengruft in besagter Kirche bewilligt wurde. Martin Ludwig Heydert starb 1728 und bezog nun, als erster, die wahrscheinlich zu seinen Lebzeiten gebaute Gruft. Ob auch seine zwei Frauen hier beigesetzt wurden, stehe dahin; jedenfalls aber fanden sein jüngster Sohn und eine seiner Schwiegertöchter ihren Platz an seiner Seite. Das erhellt mit Bestimmtheit aus einem in den Neubau der Kirche mit hinübergenommenen, von Gestalten des Todes und der Trauer eingefaßten Epitaphium, das der junge Heydert (Joachim Ludwig) zu nicht näher zu bestimmender Zeit dem Andenken seines Vaters Martin Heydert errichtete, bei welcher Gelegenheit neben dem etwas vorspringenden und mit des Vaters Grabschrift ausgefüllten Mittelfelde zwei reich ornamentierte Seitenfelder freigelassen wurden, in die dann später einerseits die Grabschrift des Sohnes, andererseits die der Schwiegertochter eingetragen werden sollte. Was auch geschah. Mit Hilfe dieser drei Grabschriften lesen wir jetzt die Geschichte der Familie Heydert von dem ihrem Andenken errichteten Steine herunter.
Die Grabschriften selbst aber lauten wie folgt.
Mittlere Grabschrift. Dieses Denkmal decket die Asche des weyland Herrn Herrn Martin Heydert, geboren 1656 in Rathe im Fürstenthum Oels in Schlesien. Hat im fürstlichen Garten (zu Oels) die Gärtnerei erlernt. Hernach von Churfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg aus Holland als Gärtner und Planteur nach Klein-Glienicke berufen, den 18. Februar 1686. Ist gestorben im August 1728. Er war zweimal verheirathet und zeugete fünf Söhne und drei Töchter, von denen zwei Töchter und der jüngste Sohn noch itzt am Leben sind. Dieser noch lebende jüngste Sohn hat nach seines Vaters letztem Willen dieses Denkmal setzen lassen.
Grabschrift links. Allhier ruhet in Gott Frau Maria Margarethe Heydert geb. Kroocken (wahrscheinlich Krogh) geb. in Dänemark den 11. November 1715, verwaist erzogen von ihrer Tante in Holland, verehelicht daselbst den 26. März 1752 mit Herrn Joachim Ludwig Heydert, nachher berufenen Königl. preußischen Oberhofgärtner, aus welcher Ehe eine Tochter entsprossen, die in ihrem ersten Jahre in Holland verstorben. Sie (Frau Maria Margarethe) endete ihr ruhmvolles Leben in christlicher Aussicht zur Ewigkeit zu Potsdam den 29. Dezember 1777. Dies setz' ich Dir in Lieb' und Pflicht. Joachim Ludwig Heydert.
Grabschrift rechts. Hier ruht die Asche des K. Hofgärtners Joachim Ludwig Heydert, 1716 am 8. August zu Klein-Glienicke bei Potsdam (wo der Herr Vater als K. Gärtner und Planteur gestanden) geboren. Den 21. April 1733 ist weiland derselbe in den Königlichen Gärten bei dem K. Hofgärtner Herrn Saltzmann in die Lehre getreten und Anno 1736 in die Fremde gegangen. Zuerst nach Sachsen und Kopenhagen; dann nach Holland, wo derselbe 17 Jahre lang konditionirte, später aber von Ihro Majestät dem hochseligen Könige von Preußen, Friedrich II., engagirt worden ist. Hat sich dreimal verheirathet und hinterläßt aus der letzten Ehe zwei Söhne. Gründer einer Stiftung, von deren Kapital die armen Kinder Freischule haben. Starb den 3. Januar 1794.
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Außer diesem Epitaphium und der dazu gehörigen Heydertschen Gruft fand man im Mittelschiff der Kirche noch ein zweites Gewölbe mit einem noch wohl erhaltenen eichenen Sarge. Der Sage nach sollte dies der Sarg der Frau des Hans oder Michael Kohlhaas sein, die, so hieß es in der Dorfsage, »mit fast fürstlichem Gepränge, auf einem mit schwarzem Tuche ausgeschlagenen Wagen, von Kohlhasenbrück nach Stolpe geschafft und in der dortigen Kirche beigesetzt worden sei.« Dieser Spinnstubengeschichte gegenüber hat Rentier Heydert, ein Nachkomme der in der Kirche zu Stolpe ruhenden Familie Heydert, darauf hingewiesen, daß sein Urgroßvater, der königliche Hof- und Obergärtner Joachim Ludwig Heydert, wie das Epitaphium mit seinen Inschriften auch hervorhebt, dreimal verheiratet gewesen sei, von dessen drei Frauen eine jede das Recht der Beisetzung in der Kirche zu Stolpe gehabt habe. Da nun aber für die dritte Frau schließlich kein Platz mehr in der ursprünglichen Familiengruft vorhanden gewesen sei, so sei noch diese Nebengruft gebaut worden. Eine Vermutung, die ihm durch den merkwürdigen Kopfputz der in dieser Gruft beigesetzten Frauenleiche bestätigt werde. Denn zwei der Heydertschen Ehefrauen seien Holländerinnen gewesen, die stets einen eigentümlichen Kopfputz getragen hätten. Und damit sei denn ein für allemal widerlegt, daß dies Nebengewölbe – jetzt zugeschüttet, während man das andere belassen hat – die Gruft der Kohlhasin gewesen sein könne.58
1858 war, nach einem von Stüler herrührenden Plane, mit dem Bau der neuen Kirche begonnen worden und am 25. November 1859 wurde sie eingeweiht. Ein Querschiff scheidet das Langhaus vom Chor. Über der Durschschneidung ist der Turm, der mit seinen an den vier Ecken angebrachten gotischen Pyramidentürmchen zu dem romanischen Basilikenstil des Ganzen nicht recht paßt, aber in der Landschaft eine gute Wirkung macht. Die schön ausgeführte Sandsteinkanzel mit den vier Statuetten der Evangelisten, nimmt, neben dem Grabdenkmal der Familie Heydert, das künstlerische Interesse am meisten in Anspruch.
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Früher umgab hier in Stolpe, wie überall, der Kirchhof die Kirche. Seit dem Umbau der letzteren aber ist der Kirchhof wegverlegt worden und hat sich, bei dem raschen Wachstum der Gemeinde, rasch mit Gräbern gefüllt. Auch die Nachbarschaft bestattet gelegentlich ihre Toten hier und der in der »Kolonie Wannsee« wohnhafte Zweig der Familie Begas hat ein offenes Erbbegräbnis auf dem Stolper Kirchhof. Ein von Strauchwerk und jungen Bäumen überwachsenes Eisengitter schließt einen geräumigen Platz mit zur Zeit zwei Grabhügeln ein. Der eine wird von einem Obelisken aus rötlichem Granit überragt und trägt die Inschrift:
Oscar Begas
geb. 21. Juli 1828
gest. 10. November 1883.
Unter dem zweiten Grabhügel ruht die zweiundzwanzigjährige Tochter; zu Häupten ein schwarzer Syenit mit folgender Inschrift:
Marie Veronika Eugenie Mathilde Begas
geb. 27. Mai 1862
gest. 8. Oktober 1884.
Der Tod der liebenswürdigen jungen Dame weckte damals eine besondere Teilnahme; sie starb an einem giftigen Insektenstich in die Lippe.
Ein anderer Fremder, der seine letzte Ruhestatt hier gefunden, ist der vieljährige Besitzer von Kohlhasenbrück, Heinrich Beyer, ein geborener Westfälinger. Ein Kreuz erhebt sich zu seinen Häupten und trägt folgende Inschrift:
Hier ruht in Gott
der Gutsbesitzer Heinrich Beyer
geb. 15. März 1826
gest. 13. Oktober 1887.
Er war ein jovialer Herr, der es sich, von dem Augenblick an, wo Kohlhasenbrück in seinen Besitz kam, zur Lebensaufgabe machte, die Silberbarren wieder heraus zu graben, die Kohlhaas, nach der Beraubung des kurfürstlichen Hüttenfaktors, in die hinter dem Beyerschen Grundstück hinfließende »Beke« versenkt haben sollte. Natürlich verlief auch diese Schatzgräberei erfolglos.