Jagderinnerungen
Mit den Jagderinnerungen beginne ich. Ist es doch Jagdhaus Dreilinden, um das sich's an dieser Stelle handelt. Auf Flur und Treppe, ja mehr, bis unter das Dach hinauf, ist Jagdhaus Dreilinden mit Jagdemblemen geschmückt, und alles, was zu Pürsch und Weidwerk gehört, erscheint hier und mit Recht, als das »Eigentlichste«. Mit Ausnahme des in dem umhergelegenen Jagdreviere geschossenen Wildes, befinden sich denn auch nur Geweihe guter Hirsche resp. Schaufler an dieser Stelle, guter Hirsche, die seit Erbauung des Jagdhauses (1869) vom Prinzen selbst erlegt wurden. Es sind dies: 136 Rothirschgeweihe, 392 Damhirschgeweihe, 170 Rehkronen. Von den 392 Damhirschen wurden 278 in der Dreilindner Forst geschossen; die 170 Rehböcke sämtlich. Alle Geweihe dieser letzteren sind im Schlafzimmer des Prinzen angebracht. Als Flur- und Treppenornament begegnen wir im weiteren: einem Kormoran, einer Trappe, verschiedenen Kampf- und Birkhähnen, Wildschweinsköpfen, und vor allem einem russischen Wolf, einem besonders schönen und großen Exemplare.
Dies alles aber rechnet nicht zu den eigentlichen, eine Geschichte habenden Jagdbeutestücken, deren Aufzählung wir uns nunmehr zuwenden.
1. Ein Elchkopf. Prinz Friedrich Karl schoß diesen Elchhirschen, einen ungraden Zehnender, in der Oberförsterei Ibenhorst am 4. Oktober 1881. Gewicht mit Aufbruch 840 Pfund. Ein noch größerer Elchhirsch, ein Zweiundzwanzigender, wurde vom Prinzen am 18. September 1862 ebenfalls in der Ibenhorster Oberförsterei (Ostpreußen) geschossen. Gewicht 954 Pfund. Der Kopf dieses größeren Elchs befindet sich in Jagdschloß Glienicke bei Potsdam. Ich füge noch folgendes hinzu: Nur noch in vorgenannter Oberförsterei Ibenhorst kommen Elche vor, wie sich andererseits Auerochsen (künstliche Zucht; neuerdings, von Rußland her, eingeführt) nur noch in den Waldungen des Fürsten Pleß in Oberschlesien vorfinden. Die Jagd auf den größeren, in Jagdschloß Glienicke befindlichen Elch, wurde von dem bekannten Tiermaler Grafen Krockow in einem Jagdstück von mittlerer Größe dargestellt. Es ist der Moment der Erlegung. Das Bild hat seinen Platz im Treppenhause von Dreilinden gefunden. Aus den Läufen des etwas kleineren, erst 1881 geschossenen Elchs, wurden zwei Büchsenfutterale von besonderer Schönheit angefertigt.
2. Auerochs (Kopf) wurde vom Prinzen Friedrich Karl am 9. Dezember 1880 in Pleß beim Fürsten Pleß geschossen.
3. Büffelkopf (Prachtexemplar) Geschenk des Grafen Hermann von Arnim, der den Büffel auf einer Präriejagd erlegte.
4. Der weiße Hans. Dieser hat eine Tafel mit Inschrift, der ich das Nachstehende beinahe wörtlich entnehme. »Dieser starke und seltene weiße Damschaufler ›Der weiße Hans‹ ward Anno 1874 aus dem hochgräflich Redernschen Wildpark zu Görlsdorf, Uckermark, in den Wildpark Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Karl unweit seiner Sommerresidenz Schloß Glienicke versetzt, brach darauf im Mai Anno 1875 aus diesem Wildpark aus, und trat, den großen Wannsee durchschwimmend, in den Grunewald. Am 5. Mai desselben Jahres wechselte er vom Grunewald her in die Jagdreviere Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Karl und wählte seinen Stand von nun an in nächster Nähe des Hochprinzlichen Jagdhauses Dreilinden. Den fortgesetzten Bemühungen Seiner Königlichen Hoheit, sowie Höchstdessen Jägerei gelang es, das edle Tier so an Ruf und Stimme zu gewöhnen, daß es bald auf den Namen ›Hans‹ hörte, und Kartoffeln, Hafer usw. vor dem Jagdhause aufnahm. Seinem Beispiele folgten zwei andre Hirsche, die, gleich ihm, zahm wurden. Während der Brunst war Hans unbestrittener Platzhirsch; aber sein Liebesglück ward ihm nicht verziehen, denn in der Nacht vom 27. zum 28. November 1875 wurde er von seinen beiden Genossen zu Tode gespießt und andern Tags verendet vorgefunden.« (Der Ausdruck ›gespießt‹ ist nicht jagdgerecht, und steht etwa auf der Höhe von ›Blut‹ und ›Ohren‹. Ich habe mich aber zu dem jagdgerechteren Ausdruck, den die Jäger schmerzlich vermissen werden, nicht entschließen können.)
5. Riesenhirschgeweih. Kein Original, sondern eine Nachbildung desselben von der Hand Benvenuto Cellinis. Noch wahrscheinlicher eine Nachbildung der Nachbildung. Zwei Inschriften, eine französische und eine deutsche, geben Auskunft über alles, was zu wissen not tut.
»Cet ouvrage, copie des bois d'un cerf tué vers l'an de Grace de N. S. J. Ch. 648, dans la forest d'Erbach par deux Princes Francs de la lignée mérovingienne, a esté faict par Benvenuto Cellini de Florence, maistre sculpteur et orfesvre en renom, de par et pour le Roy Charles, le huictiesme du nom, nostre très haut, très puissant et très-noble Prince et Roy de France. Le susdict contrefait a esté dressé au chastel Royal d'Amboyse en l'an de Grace 1520«
Also in Übersetzung etwa:
»Dies Werk, die Nachbildung des Geweihs eines im Jahre 648 durch zwei fränkische Prinzen aus dem Hause der Merovinger im Wald von Erbach getöteten Hirsches, ist durch den berühmten florentinischen Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini im Auftrag und zu Besitz Karls des Achten, unseres allerhöchsten und großmächtigsten Königs von Frankreich, angefertigt und im Jahre der Gnade 1520 am Königlichen Schlosse von Amboise angebracht worden.«
Die deutsche Inschrift, die sich in Hexametern versucht, legt das Ereignis in die Zeit des elften Ludwig, und lautet:
In den Ardennen lebte als Hirsch ich, ein seltsames Wunder,
Trug auf dem Scheitel der Stirn dieses als krönende Zier;
Wuchs dort mehrere Jahre hindurch, für Niemand bezwingbar,
Nur vor mir selbst hatt' ich Furcht wegen der schrecklichen Last.
Unter des elften Ludwig's Regierung raubte ein Pfeil mir,
Fliegend von tödtlicher Hand, Leben und Freiheit zumal.
Staunend sah meine Zeit mich und wunderbar bleib' ich der Zukunft,
Daß der Natur es gefiel, mir zu erschaffen solch Haupt.