III. Nilfahrt von Kairo bis zum 1. Katarakt und
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8. Januar. Am 8. mittags bestieg der Prinz seine »Dahabieh«, ein großes Nilboot, das von einem vizeköniglichen Schleppdampfschiff stroman geführt wurde. Man ging im Flußhafen von Memphis vor Anker.

9. Januar. Bis zum Orte Eschment.

10. Januar. Bis zum Dorfe El Fent.

11. Januar. Bis Minieh. (Schon Oberägypten.)

12. Januar. Bis Beni Hassan.

13. Januar. In neunzehnstündiger Fahrt (von fünf Uhr früh bis zwölf Uhr nachts) nach Siût.

14. Januar. Bis Mittag in Siût. Dann von Siût bis Nechêla.

15. Januar. In langer Fahrt (bis elf Uhr abends) bis Sohag. »An diesem Orte mühte sich der junge Kopte Bedir, ein Sohn des unsichtbar bleibenden greisen Konsularagenten, dem Prinzen die Huldigungen einer der ärmlichsten und erbärmlichsten Städte Oberägyptens in angemessener Weise darzubringen. Es gab warmen Champagner und drei Tänzerinnen, in Begleitung ihrer musikalischen Helfershelfer, erschienen und setzten ihre Füße auf den Teppich. Kaum aber hatte der Tanz begonnen, als plötzlich eine unglaublich vornehme Erscheinung den Vorhang lüftete und langsamen Schrittes in den Saal eintrat. Eine hohe geisterhafte Frauengestalt mit den edlen Zügen einer Tochter Ramses II., in eng anliegendem schwarzen Samtkleide, dessen Ränder mit schmalen goldenen Borden besetzt waren, die Brust mit breitem Halsbande aus goldenen Münzen bedeckt, auf dem Kopf eine Haube mit dicht aneinander gereihten Goldstücken, so trat das olivenblasse Weib mit ihrem würdevollen Gange und den sittig niedergeschlagenen Augen, wie ein zum Leben erwecktes Bild aus dem Rahmen einer bunten Grabeswand. Der Eindruck des unerwarteten Anblicks war so groß, daß die Zuschauer in das höchste Erstaunen ausbrachen, denn das leibhaftige Gespenst einer altägyptischen Königstochter wankte in langsamen Schritten ihnen immer näher. Der Sohn des Konsuls kannte sie genauer und erzählte, daß ihr Vater ein Türke, ihre Mutter eine Araberin gewesen sei und daß die Leute sie ›Aelfieh‹ nannten, weil man bei ihrem Anblick in das Wort ›Aelf marschallah‹ ausbrach, das heißt ›Ei, der Tausend‹. Die Aufforderung, anderen Tages dem Major von Garnier zu einem Bilde zu sitzen, wies sie zurück, weil ihr einziges Kind schwer erkrankt sei.«

16. Januar. Bis Farshut.

17. Januar. Bis Kenneh und Denderah. »Denderah (griechisch Tentyra) ist berühmt durch seinen Tempel, in welchem, von den Tagen des Königs Chufu-Cheops an, die Tentyriten der ägyptischen Aphrodite, unter ihrem Namen Hathor, göttliche Verehrung bezeugten und sie anriefen als ›die Große im Himmel, die Mächtige auf Erden und die Gefürchtete in der Tiefe‹. Von dem ihr geheiligten Tiere, der Hathorkuh, wissen noch heute die Anwohner zu erzählen, denn der Tempel von Denderah sei auf dem Rücken einer Kuh gebaut und in nächtiger Stunde zeige sich bisweilen die langgehörnte Tiergestalt vor dem Tempel. Der Prinz durchwanderte die Säle, Hallen, Krypten und Gänge des Tempels bis zum Dache hinauf und gewann zum ersten Mal, durch Anschauung, die richtige Vorstellung über die Anlage eines altägyptischen Tempels.«

18. Januar. Früher Aufbruch von Kenneh. Um vier Uhr nachmittags vor Anker in Theben. »Theben und seine Glanzzeit ist wie vom Boden der Erde weggefegt, und nur die riesigen Tempelbauten, welche zerstreut über einen Umfang von etwa drei deutschen Meilen liegen, bezeichnen gegenwärtig die Mittelpunkte der einzelnen Quartiere. Man unterscheidet jetzt, als Hauptsache, Karnak und Luxor, letzteres etwas südlich von Karnak. Luxor hat zwei Hotels und etwas vom Ansehen eines europäischen Badeortes. Sein Glanzpunkt ist ein weltberühmter Ammontempel. Wie die Schwalben haben die modernen Thebaner den schwarzen Nilschlamm an die festen steinernen Wände des Heiligtums geklebt und sich Wohnräume geschaffen, denen die Bildwerke und hieroglyphischen Inschriften der Vorzeit den sonderbarsten dekorativen Schmuck verleihen.«

Überhaupt: »Nilschlamm und Schmutz sind das Glück des Fellachen, der diese Hütten in den Tempeln und Nekropolen von Theben bewohnt.«

Und nach diesen einleitenden Worten fährt Brugsch fort:

»Für die Nachkommen der alten Ägypter, wie immer auch Sprache und Glaube sie schließlich geschieden haben mag, ist in unserer vorgeschrittenen Epoche (in der die Seife eine so bedeutungsvolle Rolle spielt) nur der Schmutz als die allgemeine Signatur kleben geblieben. Neben ihren Fellachengenossen im oberen und unteren Niltal erscheinen die Thebaner zur Freude der fahrenden Künstler als die wandelnden Träger jener gepriesenen Patina, die der Antike einen so hohen Wert verschafft und hier in Theben – diesem verkörperten Begriff des Altertums – den Bewohnern einen ganz eigentümlichen, beinahe erblichen Reiz verleiht. ›Wenn Ihr feinen Franken (so denken sie) diese nie gewaschenen und nie gereinigten Denkmäler unserer Vorfahren mit so viel Wohlgefallen betrachtet, warum sollen wir, die Kinder der Erbauer jener Werke, anders aussehen, warum uns mit aller Gewalt in eine falsche Richtung hineindrängen?‹ In Dorf und Stadt, wo immer sich die Wege öffnen und Kamele, Pferde, Esel die Straße durchziehen, ist es die vornehmste Aufgabe der Töchter des Landes, mit geschäftiger Emsigkeit die ›Gilleh‹ (Mistfladen) zu sammeln und in gefüllten Körben auf dem Kopfe nach Hause zu tragen, wo nun, nach der Analogie von Torf, das Formen und Trocknen in der Sonne beginnt. Die Gillehscheiben wandern dann schließlich in die Wohnung, um hier als schwelende Feuerung und zugleich als Heizung für den Backofen zu dienen. Auch das Brot schmeckt deshalb danach. Die Gilleh ist und wird für alle Zeiten hin das spezifische Räucherwerk des Ägypters bleiben und sein Wohlgeruch unzertrennlich vom Dasein des letzten Fellachen sein, der noch heute Lampenöl als eine Delikatesse betrachtet und neben seinem Esel das grüne Gras auf dem Felde mit gierig schlingendem Munde abweidet.«

Dem Besuche des Ammontempels in Luxor folgte der Besuch von Karnak. Ein Eselsritt von zwanzig Minuten. Ganz in der Nähe von Karnak läßt eine Reihe liegender Steinwidder die Spuren der langen Sphinxallee erkennen, welche einst Luxor mit Karnak verband und in nördlicher Richtung nach dem Heiligtum des Ammonsohnes: Chonsu, führte. Der Weg zum Tempel ist nicht zu fehlen. Der Prinz ritt von der Westseite her in den großen Vorhof ein, begrüßt von dem marmornen Standbilde König Sesostris, der wie eine Rolandssäule Wache hält. Die heutige Länge des Tempels von Westen nach Osten beträgt 365 Meter, 113 seine Breite. Das ist die vierfache Länge des Königlichen Schlosses in Berlin. Der weltberühmte Saal hinter der Eingangspforte ist groß genug, die Gesamtanlage von Notre Dame in Paris bequem in sich aufzunehmen. Dies Wunder von Karnak hat eine Länge von 102 Metern und eine Breite von 51 Metern. Einhundertundfünfzig Säulen trugen einst die Decke, die sich, im Mittelgange, 23 Meter über den Fußboden erhob. Zwölf Säulen, zu beiden Seiten des Mitteleinganges, haben einen Umfang von 10 Metern (Durchmesser ungefähr 11 Fuß). Mit einer einzigen Ausnahme stehen alle Säulen wie vor dreiunddreißig Jahrhunderten kerzengerade da.

19. Januar. An diesem Tage besuchte der Prinz die Westseite von Theben (an der linken Seite des Nil), die »Nekropolis« und die beiden Steinriesen, sitzende Königsbilder, eines davon das Bildnis Amenhoteps oder Amenophis III., desselben, der den Ammontempel in Luxor errichtete. Dieses Bildnis, von dem sich während eines Erdbebens im Jahre 27 vor Christo Kopf und Oberteile loslösten, ist die berühmte Memnonssäule.

Am Abend des 19. Januars (der Abschied von Theben, um weiter flußaufwärts zu gehen, stand für den nächsten Tag bevor) wurde durch Konsul Tudrus und seinen Sohn ein Feuerwerk abgebrannt. Aber dabei blieb es nicht. Noch eine andere Aufmerksamkeit stand bevor. Brugsch schreibt: »Eben war alles dunkel geworden, als ich bemerkte, daß vom Dorf her Männer herankamen und auf unser Boot zuschritten. Auf meinen Anruf ›wer da‹ erhielt ich Antwort ›still‹. Es waren Tudrus und sein Sohn, samt einem Knecht, die, so schien es, eine tief in Leinen gehüllte vierte Person führten und mühsam mit aufs Schiff schleppten. Dann legten sie, nach vorgängiger Verständigung, diese vierte Person auf einen zur Seite stehenden Divan nieder. Als Tudrus, samt Sohn und Knecht wieder fort waren, trat ich an die vierte Person heran und entfernte beim matten Schein der Schiffslaterne die Nadeln, die die kleineren Hüllen um Kopf und Hals zusammenhielten. Ein kleines, rundes, liebliches Mädchengesicht von weißestem Teint und mit schwarzem Augenpaar, den Hals mit einem weißen Kollier geschmückt, lächelte mich spukhaft an. Ihr Alter zu bestimmen, war mir unmöglich. Annähernd schätzte ich es mit Kennerblick auf 2400–2700 Jahre. Es war eine thebanische Priesterin des Ammon aus vornehmem Geschlecht. Der wohl einbalsamierte Leib lag in einem buntbemalten Karton. Tudrus hatte das Mädchen von irgendeinem fellachischen Schatzgräber in der Nähe der Memnonien erstanden und sich die Freude vorbehalten, dem Prinzen in nächtlicher Stunde die junge Thebanerin als Geschenk zu übergeben. Von ihrem späteren Schicksal in Dreilinden berichte ich am Schluß.«

20. Januar. Von Theben nach Bellessieh.

21. Januar. Besonders stiller Tag. Als man an einsamster Stelle war, wurde man durch eine Bootsbegegnung überrascht. Flußabwärts schwamm eine Dahabieh heran, auf der sich zwei junge württembergische Offiziere befanden. Ein Zufall wollte es, daß der Prinz vier Wochen später, auf dem Wege von Jaffa nach Jerusalem, abermals eine Begegnung mit Württembergern hatte, und zwar mit »württembergischen Templern«. Wir kamen nachmittags bis Ombos, das schon im Altertum wegen seiner vieler Krokodile berühmt war. Aber kein Krokodil war auf den Sandbänken zu sehen. »Wo sind sie?« fragte der Prinz. »Sie sind nur im Sommer da«, erwiderte ein Alter, »jetzt würden sie sich erkälten«.

22. Januar. Von Ombos nach dem Dorfe Edfu und von diesem aus, an der Insel Elephantine vorüber bis zur Stadt Assuan, im Altertum Syene (daher Syenit). Hier beginnt die Granitregion Ägyptens; der Nil bildet Fälle. Dicht hinter Assuan ist der erste Katarakt.

22. zum 23. Januar. In der Nacht vom 22. zum 23. Januar traf von Kairo telegraphisch die Meldung von dem am 21. Januar erfolgten Tode des alten Prinzen Karl ein. Prinz Friedrich Karl war sofort zur Rückkehr nach Berlin entschlossen, bis ein zweites Telegramm ihn bestimmte, davon Abstand zu nehmen und die Reise nach dem ursprünglichen Programm fortzusetzen. Dies zweite Telegramm rührte von Kaiser Wilhelm her und sprach aus, »daß er zur Beisetzung doch zu spät kommen würde.«

23. Januar. Der Prinz bleibt am 23. Januar noch in Assuan und Umgebung. Ein Ausflug nach der Katarakteninsel Philä wird unternommen. Besichtigung des Tempels. Nach der Rückkehr von diesem Ausflug erfolgt die Rückreise nach Kairo.

23 bis 30. Januar. Rückreise von Assuan und dem ersten Katarakt bis nach Bedresheïn, eine halbe Tagereise von Kairo. »Am 30. Januar abends wurde Bedresheïn erreicht; die Schiffe legten vor Kleinmemphis an. Im Hintergrunde, nach Westen zu, leuchteten die Pyramiden von Sakkarah im Schein der untergehenden Sonne.«

31. Januar. Am 31. Januar früh brach der Prinz auf, um von Bedresheïn aus die Pyramiden von Sakkarah zu besuchen. Emil Brugsch hatte sich, von Bulak her, eingefunden, um auf diesem Terrain, das er vorzüglich kannte, die Führung zu übernehmen. Nach Norden hin, während man den Marsch antrat, wurden die Pyramiden von Gizeh (bei Kairo) sichtbar. Das Dorf Sakkarah liegt dicht am Fuße des langgestreckten Wüstenplateaus, auf welchem die Grabpyramiden der längst verschollenen Könige von Memphis, in gruppenweiser Anordnung, ihre Posten als Marksteine der Weltgeschichte einnehmen. Der Aufstieg führt an dem aus Nilziegeln aufgeführten Hause Mariettes vorüber, das derselbe während seines langjährigen Wüstenlebens bewohnte und von dem aus er seine Ausgrabungen leitete.

Der Besuch der unterirdischen Apisgrüfte mit ihren ausgedehnten Bogengängen und Nischen erfüllt mit großem Staunen für das, was die Ägypter auch als Bergleute zu leisten imstande waren. In den vierundsechzig Gewölben zu beiden Seiten der Gänge ruhten einst die einbalsamierten und mit reichem Schmuck versehenen Leiber der Apisstiere in roten (und dunklen) Granitsärgen, deren Größe jeder Beschreibung spottet. Vierundzwanzig derselben stehen noch an der alten Stelle, und eine Holztreppe gewährt den Zugang in die Höhlung jedes einzelnen Steinsarges. Im Durchschnitt 12 Fuß lang, 7 Fuß breit und 10 Fuß hoch, beziffert sich das Gewicht jedes einzelnen auf 13000 Zentner. In welcher Weise und mit welchen Mitteln die Ägypter jene ungeheuersten aller Sarkophage vom Nil an bis zu den Grüften transportiert haben mögen, bleibt ein ungelöstes Rätsel.

Die Besichtigung einer der neugeöffneten Pyramiden bildete den Abschluß der Wanderung auf der einsamen Nekrepolis von Sakkarah. »Mein Bruder (so schreibt Brugsch) hatte dazu die Pyramide des Königs Unas-Onnos, des letzten Herrschers der fünften Dynastie, gewählt und die Gänge und Räume in dem hohlen Kerne des mächtigen Baues auf das Säuberlichste von Schutt und Steingeröll reinigen lassen. Das Einsteigen in den schrägen Gang, der nach der eigentlichen Totenkammer mit dem leeren Sarkophage des Königs führt, bot nicht die geringste Schwierigkeit, und der Anblick der mit endlosen Hieroglyphenstreifen bedeckten Wände hielt reichlich schadlos für die kleine Mühe der Einfahrt in die pyramidale Unterwelt.«

Bald danach war man in Bedrehseïn zurück und erreichte Kairo zu guter Stunde.

Mit einem »Gott sei Dank« verließen die Orientfahrer das Nilboot, auf dem sie dreiundzwanzig Tage zugebracht hatten. »Namentlich der Prinz atmete auf, als sein Fuß die Ufererde wieder berührte, denn der oft über ganze Tage hin ausgedehnte Mangel an Tätigkeit und Beschäftigung hatte ihm schließlich die gute Laune von Grund aus verdorben. Niemand weiß den Wert der Zeit besser zu schätzen als er, und die lange Trödelei auf dem heiligen Strome war alles andere eher gewesen, als eine angemessene Verwertung der Zeit. Ein Glück, daß gelegentliche Jagdpartien am Ufer die Langweil der Fahrt unterbrachen.«




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