Dissonanz - (Tabelle der Dissonanzen)


Endlich ist noch ein Fall zu bemerken, wodurch bisweilen bei Ausweichungen auch Dissonanzen von einer besonderen Art entstehen, nämlich die übermäßigen Intervalle. Nichts ist geschickter einen Ton anzukündigen als das subsemitonium desselben oder seine große Septime. Wenn man daher ganz schnell in einen Ton hineintreten will, so kann dieses füglich dadurch geschehen, dass man in dem vorhergehenden Akkord plötzlich seine große Septime als einen fremden Ton hören lässt; daher entstehen die übermäßigen Dissonanzen, wovon die Beispiele in der folgenden Tabelle zu sehen sind.

 

 Tabelle der Dissonanzen, in welcher ihre Verhältnisse und ihr Gebrauch deutlich zu erkennen sind.

 

I. Die übermäßige Prime und in der Umkehrung die verminderte Oktave.

 Sie ist eigentlich der Unterschied zwischen der großen und kleinen Terz, folglich nach ihrem reinen Verhältnis 24/25; kommt aber in unserm System in viererlei Verhältnissen vor. Die beiden letzten Arten sind zu groß, um als übermäßige Primen gebraucht zu werden; das Ohr empfindet die kleine Secunde.

Diese Dissonanz wird gebraucht

 1) durchgehend in den oberen Stimmen: da man die natürliche Oktave oder Prime in einem Akkord bei liegendem Basse verlässt und sie um einen halben Ton erhöht nimmt, um dadurch als durch ein Subsemitonium in den nächsten Ton darüber zu gehen, als:5

 2) Auf folgende Weise, da die Erhöhung im Bass geschieht und die natürliche Oktave in den oberen Stimmen gelegen hat. Auch hier wird sie zum Subsemitonio des über ihr liegenden halben Tones, in den sie auftritt.

II. Die kleine Sekunde und in der Umkehrung die große Septime.

 Sie macht den halben Ton aus, so wohl den großen als den kleinen und kommt in viererlei Verhältnissen vor. Die kleine Secunde kommt in der dritten Verwechslung des Septimenakkords, der die große Septime hatte, vor. Die Dissonanz ist im Basse und tritt in der Auslösung einen Grad unter sich. Die große Septime wird als eine wesentliche Dissonanz dem Dreiklang auf einer Dominante hinzugefügt und tritt in der Auflösung einen Grad unter sich in der Terz des Grundtons; sie kommt aber auch in den oberen Stimmen als ein Vorhalt der Oktave vor, in welche sie herauftritt. Sie ist hier, so wie die Quarte eine zufällige Dissonanz, die man auf der ersten Hälfte des Takts behält, weil sie schon gelegen hat.

 Die große Septime geht also über sich, wenn sie ein Vorhalt der Oktave ist und unter sich, wenn sie die wesentliche oder hinzugefügte Septime ist.

III. Die große Sekunde und in der Umkehrung die kleine Septime.

  Diese Secunde ist das Intervall eines ganzen, sowohl großen als kleinen Tones und kommt in dreierlei Verhältnissen vor. Diese Dissonanzen werden eben so, wie die beiden vorhergehenden gebraucht. Nämlich in der dritten Verwechslung des Septimen Akkords: Als eine wesentliche Septime auf der Dominante:

Als ein Vorhalt der Sexte, in welche sie übergeht:

IV. Die übermäßige Secunde und in der Umkehrung die verminderte Septime.

  Ihr Verhältnis ist eigentlich 64/75 C-Dis, auf dem temperierten System aber kommt sie in folgenden Verhältnissen vor. Die beiden letzten Arten sind aber unbrauchbar, weil sie wirklich kleine Terzen sind.

 Sie entsteht aus einer Verwechslung des Septimen Akkords, in welchem anstatt der natürlichen kleinen Terz die große genommen wird. Nämlich, wenn dieser Septimen Akkord, mit vorgehaltener None und Verwandlung der kleinen Terz in die große, erstlich so umgekehrt wird, dass die Terz in den Bass kommt; so entsteht daher dieser Akkord mit der verminderten Septime, die in die Sexte, deren Vorhalt sie ist, übergeht, durch nochmalige Verwechslung aber, da die Septime in den Bass gesetzt wird, entsteht dieser Akkord der übermäßigen Secunde. Diese übermäßige Secunde wird, wie alle übermäßige Dissonanzen als das Subsemitonium des nächsten Grundtons gebraucht und geht deswegen über sich, wie auch in folgendem Beispiel.

V. Die verminderte Terz und in der Umkehrung die übermäßige Sexte.

Diese Terz ist völlig unbrauchbar, weil sie, auch wo sie am größten ist als Cis- b E, das Verhältnis 8/9 hat und folglich eine wahre Secunde ausmacht. In der Umkehrung aber als übermäßige Sexte kommt sie vor, wie in folgendem Beispiel zu sehen ist.

VI. Die verminderte Quarte und in der Umkehrung die übermäßige Quinte.

 Ihr reines Verhältnis wäre 25/32, sie kommt aber in dem temperierten System in folgenden Verhältnissen vor. alle kleinere, z. B. u. s. f. sind nicht als Quarten zu brauchen, weil sie reine große Terzen 4/5 sind.

 Diese Quarte kommt als ein Vorhalt der Terz vor und wird deswegen vermindert, weil ihr Grundton im Basse, da er das Subsemitonium des folgenden Tones abgeben soll, um einen halben Ton höher genommen worden. Als übermäßige Quinte kommt sie auf folgende Art vor:

Nach dem Akkord auf C in dem ersten Takt sollte der Akkord E kommen als der Dominante des Haupttons, mit der Septime und vorgehaltenen Sexte, und auf diesen Akkord müsste an statt der kleinen Terz G die große Gis als das Subsemitonium von H, genommen werden. Statt dieses Akkords aber wurde seine zweite Verwechslung genommen und noch dazu im Basse die Untersecunde C, die schon lag, vorgehalten; auf diese Weise ist der vorhergehende Gang, eigentlich aus diesem entstanden.

VII. Die reine Quarte, die als ein Vorhalt der Terz, eine zufällige Dissonanz ist und überall wo sie gelegen hat, der Terz kann vorgehalten werden.

VIII. Die übermäßige Quarte und in der Umkehrung die falsche Quinte.

Ihr eigentliches Verhältnis ist 32/45, sie kommt aber in folgenden Verhältnissen vor:

Sie kommt als übermäßige Quarte vor, wenn in der dritten Verwechslung des Septimen Akkords die kleine Terz des wahren Grundtons in die Große verwandelt worden, damit sie das Subsemitonium des folgenden Tones werde, wie hier. Der zweite Akkord auf C ist eigentlich die dritte Verwechslung des Septimen Akkords auf D als der Dominante von G, da an statt der natürlichen kleinen Terz F, die große Fis genommen worden.

Als falsche Quinte zeigt sie sich hier: In den beiden Akkorden, wo sie hier vorkommt, hätte natürlich im Basse F müssen genommen werden, welches in Fis verwandelt worden, damit es als Subsemitonium des folgenden Grundtons gehört würde.

IX. Die None.

Wird allemal als ein Vorhalt der Oktave gebraucht und kann überall vorgehalten werden, wo sie liegt.

 

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4 S. Septime.

5 Diese durchgehende Dissonanzen machen Sänger und Spieler oft, ohne dass sie ihnen vorgeschrieben werden. Sie erwecken eine desto lebhaftere Erwartung des folgenden Tones. Man hat sich aber in Acht zu nehmen, dass es nicht gegen die Natur der Tonart geschehe. So könnte man in C dur aus A nach H nicht durch A gehen, weil dieses A zu keinem einzigen in der Tonleiter des C dur liegenden Ton, ein Intervall ist. Hingegen kann man in C dur aus F durch Fis nach G gehen, weil Fis die große Terz der Secunde des Grundtons ist.


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