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Erkenntnislehre


In seiner Erkenntnislehre ist Platon Rationalist, da nach ihm die Wahrheit nur durch die Vernunft, das reine Denken gefunden werden kann. Die Sinneswahrnehmung hat nicht das wahrhaft Seiende zum Objekt, ihre Gegenstände sind die im stetem Werden begriffenen Dinge, die nur Erscheinungen (Abbilder) der wahren Wirklichkeit sind. Die sinnliche Erkenntnis ist nur »Meinung« (doxa aus pistis und eikasia bestehend), unterschieden von der wahren Erkenntnis (noêsis, in dianoia und epistêmê zerfallend, Republ. V, 476 f., VII, 533 f.; Theaet. 210 A). Eine Mittelstellung nimmt die mathematische Erkenntnis ein (die niederste Art der noêsis), indem die Gegenstände derselben in der Mitte stehen zwischen den Sinnendingen und den Urbildern derselben, (Republ. VI, 511 D; Tim. 27; Phileb. 56 ff.). Die Mathematik ist eine Betätigung des Denkens an anschaulichen Inhalten und operiert an der Hand von Voraussetzungen (hypotheseis). Platon betont den Wert der mathematischen Erkenntnis, die am besten zur Dialektik vorbereitet. Die reine Erkenntnis ist die völlig unsinnliche Erfassung des wahrhaft und unveränderlich, an sich Seienden, des Allgemeinen, Typischen durch reines (schauendes) Denken (hautê di' hautês hê psychê ta koina moi phainetai peri pantôn episkopein). Die Erfahrung gibt nur die Gelegenheit zur geistigen Schau des Seienden, zur Wiedererinnerung, Anamnese (anamnêsis) an die Urbilder der Dinge, welche die Seele (im Zustande der Präexistenz) im überhimmlischen Orte dereinst unmittelbar geschaut hat (touto de estin anamnêsis ekeinôn, ha pot' eiden hêmôn hê psychê symporeutheisa theô kai hyperidousa ha nyn einai phamen kai anakypsasa eis to on ontôs, Phaed. 249 C; hêmin hê mathêsis ouk allo ti ê anamnêsis tynchanei ousa,, Phaed. 72 E). Alles Lernen ist also nur die Auffrischung von Spuren eines latenten, potentiell angeborenen Wissens, dessen Maßstäbe a priori an die Erfahrung herangebracht werden, so dass wir im Vorhinein feste Grundlagen, Normen und Werte zur Beurteilung des Gegebenen besitzen (oukoun ei men labontes autên pro tou genesthai echontes egenometha, êpistametha kai prin genesthai kai euthys genomenoi ou monon to ison kai to meizon kai to elatton, alla kai xympanta ta toiauta, Phaed. 75 C; Meno 86 A).


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Seite zuletzt aktualisiert: 28.11.2006