Dichterbekenntnis


Unwegsame, von niemand betretene Musengefilde

Will ich durchwandern. Da freut's, jungfräuliche Quellen zu finden,

Draus ich schöpfe, da freut's, frischsprießende Blumen zu pflücken,

Um sie zum herrlichen Kranz um das Haupt mir zu winden, wie solchen

Keinem der früheren je um die Schläfen gewunden die Musen.

Denn mein Gesang gilt erstlich erhabenen Dingen: ich strebe,

Weiter den Geist aus den Banden der Religion zu befreien,

Ferner erleuchtet mein Dichten die Dunkelheit dieses Gebietes

Hell, weil über das Ganze der Zauber der Musen sich breitet.

Denn auch der Versschmuck wurde mit vollem Bedachte gewählet.

Wie, wenn die Ärzte den Kindern die widrigen Wermutstropfen

Reichen, sie erst ringsum die Ränder des Bechers bestreichen

Mit süßschmeckendem Seime des goldigfarbenen Honigs,

Um die Jugend des Kindes, die ahnungslose, zu täuschen:

Während die Lippen ihn kosten, verschluckt es indessen den bittern

Wermutstropfen. So wird es getäuscht wohl, doch nicht betrogen,

Da es vielmehr nur so sich erholt und Genesung ermöglicht.

So nun wollt' ich auch selber, weil unsere Lehre den meisten,

Die noch nie sie gehört, zu trocken erscheint und der Pöbel

Schaudernd von ihr sich kehrt, mit der Dichtung süßestem Wohlklang

Unsere Philosophie dir künden und faßlich erläutern

Und sie gleichsam versüßen mit lieblichem Honig der Musen,

Ob es mir so wohl gelingt, dein Denken bei unseren Versen

Solang fesseln zu können, bis endlich die ganze Natur sich

Deinen Sinnen erschließt und ihr Nutzen sich fühlbar gemacht hat.


 © textlog.de 2004 • 08.12.2024 15:58:00 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2005 
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