[Recht des Verbrechers auf den Versuch der Besserung]
11) Wenn also auch Jemand aus formal bösem Willen fehlte, so ist es doch nicht schlechterdings notwendig, dass der Verbrecher in diesen Gesinnungen verharre. Es kann daher ein zweiter Vertrag der Abbüßung der die Gegenwart ohne allen Zweifel für rechtlich zu erklärenden Ausschließung errichtet werden, des Inhalts: Alle versprechen Allen, ihnen Gelegenheit zu geben, sich des Lebens in der Gesellschaft wieder fähig zu machen, wenn sie desselben für die Gegenwart unfähig befunden werden, und sie nach erfolgter Besserung wieder unter sich aufzunehmen. Durch diesen Vertrag erhält der Verbrecher ein Recht, auf den Versuch der Besserung.
Doch ist diese Abbüßung der Ausschließung eine Rechtswohltat; es steht daher bei einem Jeden, ob er sie annehmen wolle oder nicht; verschmäht er sie, so ist er ohne Weitres auszustoßen, welche Ausstoßung in einem wohleingerichteten Staate gewiss das schrecklichste Schicksal ist, das dem Menschen begegnen kann. Bei jeder Strafe steht es frei, die Ausschließung statt derselben zu wählen.
Wenn von Besserung die Rede ist, so sprechen wir nicht von moralischer Besserung, der innern Gesinnungen; denn darüber ist kein Mensch der Richter des andern; sondern lediglich von politischer, der Sitten und Maximen für das wirkliche Handeln. So wie die moralische Gesinnung Liebe der Pflicht um der Pflicht willen ist, so ist die politische Liebe seiner selbst um seiner selbst willen, Sorge für die Sicherheit seiner Person und seines Eigentums. Diese Liebe seiner selbst wird in der Hand des Strafgesetzes eben das Mittel, den Bürger zu nötigen, dass er die Rechte Andrer ungekränkt lasse, indem Jeder, was er dem Andern Übles zufügt, sich selbst zufügt.
Also Besserungsanstalten müssen sein, und müssen zweckmäßig eingerichtet sein. Zuvörderst von der Gesellschaft wirklich abgeschieden, denn die Besserungshäuser haben außer der Besserung noch die Bestimmung der Sicherung des Gemeinwesens. Für allen Schaden, den diese aus der Gesellschaft völlig ausgeschlossen anrichten, hat der Staat schwere Verantwortung. Also sie haben insofern ihre Freiheit gänzlich verloren. Wer sich aber bessern soll, muss frei sein, und über wessen Besserung man urteilen soll, der muss gleichfalls frei sein. Es ist also eine Hauptmaxime: diese Menschen müssen innerhalb der Begrenzung frei sein, und unter sich in Gesellschaft leben. Sie müssen arbeiten, und durch ihre Arbeit allein ihren Unterhalt verdienen; was sie verarbeiten, muss ihnen als Eigentum verbleiben, damit Liebe der Arbeit und des Eigentums entstehe. Sie müssen unter Aufsicht stehen, und auch nicht darunter stehen. Solange sie nicht gegen das Gesetz handeln, muss die Aufsicht nicht bemerkbar sein, sobald sie sich dagegen vergehen, muss die Strafe dem Vergehen auf dem Fuße folgen.
Wir sind noch die Beantwortung der Frage schuldig, wie man wissen und rechtsgültig beweisen kann, in welchem Falle der, welcher sich gegen das Gesetz vergangen hat, aus formal bösem Willen, oder aus Unbesonnenheit oder Eigennutz gefehlt habe, da wir für das Erstere eine schwerere Strafe bestimmen.
Wer nachweisen kann, dass er das dem Anderen Entwandte nötig gehabt, zu welchen Zwecken er es nötig gehabt, dass er es zu denselben verbraucht u. dergl., von dem ist anzunehmen, dass er sich um des Vorteils willen vergangen habe. Wer aber das Eigentum eines Andern ohne eines Menschen Nutzen verdorben, und es auch gar nicht an sich genommen hat, der kann nur aus Bosheit oder aus Unvorsichtigkeit verdorben haben. Für die boshafte Verletzung gibt es zwei Kriterien, ein äußeres und ein inneres. Das äußere, wenn freie Handlungen vorhergegangen sind, die sich nur als Mittel für den Zweck der Verletzung denken lassen. Wer sich durch Unbesonnenheit entschuldigt, muss einen ganz andern Zweck der freien Handlung, mit welcher die Beschädigung zufällig verknüpft war, nachweisen können. Wer diesen Beweis nicht führen kann, ist der bösen Absicht schon so gut als überwiesen; doch bleibt noch immer eine Verkettung der Umstände übrig, die den Anschein der prämeditierten Bosheit geben können, ohne dass dieselbe Statt gefunden hat. Es ist daher auch Rücksicht zu nehmen auf das innere Kriterium, Hass und Feindschaft gegen den Verletzten, und Streitigkeiten zwischen Beiden, und Verdacht ähnlicher Gesinnungen des Angeklagten im früheren Leben. Wird der Verdacht nicht bewiesen, aber auch nicht aufgehoben, so ist die Untersuchung nicht geendet, der Beklagte wird weder verurteilt noch losgesprochen, und hat vorläufig die Strafe der Unbesonnenheit zu tragen. Er gehe hin und handle, damit man ihn näher kennen lerne, bleibe unter der besonderen Aufsicht der Obrigkeit, ohne dass er es merkt; bestätigt er durch seine künftigen Handlungen den Verdacht, so wird das Verfahren gegen ihn erneuert, hebt er ihn durch dieselben auf, so wird er nach Verlauf der durch das Gesetz bestimmten Zeit förmlich losgesprochen. Diese Suspension des gerichtlichen Verfahrens ist bei allem unerwiesenen Verdachte zu empfehlen. Niemand soll unschuldig gestraft werden, es soll aber auch kein Verbrecher ungestraft bleiben.