Vom Weltbürgerrecht.
(Angewandtes Naturrecht)
§.21. Jeder Bürger hat das Recht, auf dem ganzen Staatsgebiete seinen Verrichtungen nachzugehen, als einen Teil des ihm garantierten Bürgerrechtes. Der Gesandte des fremden Staats hat ebenfalls zufolge des Vertrages der beiden Staaten das Recht, in das Land seiner Bestimmung zu kommen, und sich an alle Orte desselben zu begeben, wohin ihn sein Auftrag ruft. Die unbedingte Abweisung desselben als eines Gesandten überhaupt (wenn nicht Gründe gegen seine Person Statt finden, und der abweisende Staat erklärt, dass er eine andre Person gern aufnehmen wolle,) würde ein Recht zum Kriege begründen. Privatpersonen des einen anerkannten und freundschaftlichen Staats verfügen sich in einen andern, um ihrer Geschäfte willen, oder auch zum Vergnügen. In diesem Falle wird nach dem bestehenden Vertrage geurteilt. Haben beide Staaten sich die Sicherheit ihrer gegenseitigen Bürger garantiert, auch wenn sie auf das Gebiet des fremden Staates kommen, so ist der Bürger sicher, zufolge dieses Vertrags. Dass er aber ein Bürger dieses bestimmten Staats ist, tut er an der Grenze durch Vorzeigung seines Passes kund.
Betritt aber ein Fremder, der von keinem verbündeten Staate abgesandt, oder durch einen Vertrag mit einem solchen berechtigt ist, das Staatsgebiet, was ist dann Rechtens? Diese einzige noch übrige Rechtsfrage ist es, die das Weltbürgerrecht zu beantworten hat.
§.22. Alle positiven Rechte, die Rechte auf Etwas, gründen sich auf einen Vertrag. Nun hat dieser fremde Ankömmling gar keinen Vertrag mit dem besuchten Staate für sich; weder dass er für seine Person einen geschlossen hätte, noch dass er sich auf einen berufen könnte, den sein Staat für ihn geschlossen, der Voraussetzung nach. Ist er denn also rechtlos, oder hat er doch Rechte, welche, und aus welchem Grunde? Er hat noch das ursprüngliche Menschenrecht, das allen Rechtsverträgen vorausgeht, und sie allein möglich macht: das Recht auf die Voraussetzung aller Menschen, dass dieses vertragsfähig und darum rechtsfähig sei. Dies allein ist das eigentliche Menschenrecht, das dem Menschen als Menschen zukommt, die Möglichkeit sich Rechte zu erwerben. Diese, aber auch nur sie muss jedem zugestanden werden, der sie nicht ausdrücklich durch seine Handlungen verwirkt hat. Dies wird vielleicht durch den Gegensatz deutlicher. Nämlich derjenige, mit welchem der Staat den Bürgervertrag aufhebt, verliert alle seine dadurch erlangten positiven Rechte; nicht nur aber sie, sondern auch das Recht, sich in dieser Gesellschaft Rechte zu erwerben, weil er die absolute Unmöglichkeit, sich mit ihm in ein rechtliches Verhältnis einzulassen, gezeigt hat. Der neue Ankömmling hat eben so wenig positive Rechte, als der erste, aber das Recht hat er, dass man die Möglichkeit annehmen, mit ihm in ein rechtliches Verhältnis zu kommen.
Aus diesem Rechte folgt sein Recht, das Gebiet des fremden Staates zu betreten; denn wer das Recht zum Zwecke hat, hat es zu dem Mittel, aber er kann den Versuch, in ein rechtliches Verhältnis mit diesem Staate sich zu versetzen, nicht machen, ohne auf sein Gebiet zu ihm zu kommen, und ihm eine Verbindung anzutragen. Dieses Recht, überall auf dem Erdboden frei herum zu gehen, und sich zu einer rechtlichen Verbindung anzutragen, ist das Weltbürgerrecht.
§.23. Der Rechtsgrund des fremden Ankömmlings, das Gebiet eines Staates zu betreten, war sein Recht, einen Umgang mit den Bürgern dieses Staates zu versuchen und anzutragen. Zuvörderst hat also der besuchte Staat das Recht, den Fremden zu fragen, was er wolle, und ihn zur Erklärung zu zwingen. Erklärt er sich nicht, so fällt sein Rechtsgrund weg, und er ist von den Grenzen abzuweisen. Wird sein Antrag nicht angenommen, so wird sein Rechtsgrund gleichsam aufgehoben, und er mit Recht über die Grenze gewiesen. Doch muss dieses geschehen unbeschadet seiner Erhaltung, denn es bleibt ihm die Möglichkeit übrig, sich mit einem andren Staate in Verbindung zu setzen, nachdem es ihm mit diesem nicht gelang. Diese ist sein vollkommenes Recht, und darf ihm nicht geraubt werden.
§.24. Wird sein Antrag angenommenen, so steht er von nun an unmittelbar (für seine Person, ohne Dazwischenkunft eines Staates von seiner Seite) im Vertrage mit diesem Staate, und die gegenseitigen Rechte beider Parteien werden durch diesen Vertrag bestimmt. Zuvörderst schon dadurch, dass er sich in einen Vertrag eingelassen, hat er den Staat als ein rechtliches Subjekt anerkannt, mithin die Eigentumsrechte seiner einzelnen Bürger zugleich mit anerkannt. Dies braucht er nicht ausdrücklich zu versprechen, es erfolgt unmittelbar aus der Handlung des Vertrages. Den übrigen Gesetzen des Staates ist er unterworfen, inwiefern sie auf ihn passen. Es ist kein aktives Mitglied, und es kommt dabei bloß auf die Bedingungen des Vertrages an. -
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Ich habe die genetische Frage: wie das Recht darzustellen sei in der Welt, und über die Kunst dieser Darstellung, beantwortet, habe die Grenzen derselben angegeben; ich schließe darum mit dem Wunsche, dass ich den wissenschaftlich gebildeten Zuhörern zu ihrer klaren Einsicht auch in diese Verhältnisse Etwas beigetragen haben möge.