Aus dem dritten Kapitel desselben Buchs
[Der präventive Krieg der Römer]


Die Römer, so wie sie Fuß fassten in einem Lande, beobachteten in ihm Folgendes: sie errichteten Kolonien, sie hielten die Schwächern aufrecht, ohne jedoch ihre Macht zu vermehren, sie schwächten die Mächtigen, sie ließen keinen auswärtigen Mächtigen zu Ansehen und Einfluss in diesem Lande kommen. Ich will nur an dem einzigen Griechenlande dieses darlegen. Es wurden in demselben von ihnen aufrecht erhalten die Achäer und Ätolier, niedergedrückt das mazedonische Reich, verjagt daraus Antiochus; und es vermochten weder die Verdienste der Achäer oder Ätolier sie zu bewegen, dass sie ihnen erlaubt hätten, irgend eine neue Akquisition zu machen, noch die Überredungen des Philippus, dass sie seine Freunde würden, ehe er niedergedrückt sei, noch die Macht des Antiochus, dass sie ihm verstatteten, irgend einen Standpunkt in diesem Lande zu nehmen. Die Römer erfüllten hiermit das, was alle verständigen Fürsten tun sollen, nicht bloß die vorseienden Klippen, sondern auch diejenigen, an denen in der Zukunft ihre Herrschaft scheitern könnte, in’s Auge zu fassen, und den Gefahren mit allem Fleiße vorzubauen: indem, wenn dergleichen nur aus gehöriger Entfernung vorhergesehen wird, ihm leicht abgeholfen ist; so man es sich aber über den Hals kommen lässt, ist zur Hilfe nicht mehr Zeit, und das Übel ist unheilbar geworden. So wie die Ärzte von der Hektik sagen, dass sie im Anfange leicht zu heilen, aber schwer zu erkennen sei; wenn sie aber Anfangs weder erkannt, noch geheilt worden, mit dem Fortgange der Zeit leicht zu erkennen, aber schwer zu heilen werde: eben so verhält es sich mit den Angelegenheiten des Staats, indem, wenn nur die Übel, die sich in ihm erzeugen, im Keime erkannt werden, welches freilich nur dem Verständigen verliehen ist, ihnen schnell abzuhelfen ist, wenn man sie aber aus Unkunde derselben wachsen lässt, bis Jedermann sie erkennt, es für sie kein Gegenmittel mehr gibt. Aus diesem Grunde halfen die Römer jedem Nachteile, den sie vorher sahen, allemal auf der Stelle ab, und ließen ihn niemals wirklich werden, um etwa einen Krieg zu vermeiden, indem sie wohl wussten, dass der Krieg dadurch nicht gehoben, sondern bloß, und zwar zum Vorteile des Andern, weiter hinausgeschoben werde; und so wollten sie denn mit Philipp und Antiochus in Griechenland Krieg haben, damit sie nicht mit denselben in Italien Krieg haben müssten, ungeachtet sie damals das Eine, so wie das Andere hätten vermeiden können*), welches sie nicht wollten. Niemals hatte ihren Beifall, was man aus dem Munde der Weisen unserer Zeit alle Tage hören kann; die Wohltaten der Zeit zu genießen, sondern sie folgten dem Geleite ihres Muts, und ihrer Klugheit, indem die Zeit allerlei Dinge bei sich führe, und das Gute so wie das Böse, das Böse so wie das Gute mit sich bringen könne.  

 

*) Wenn sie nämlich, in der Meinung, dass Griechenland doch nicht eigentlich zu ihrem Territorium oder väterlicher Erbschaft gehöre, Philipp und Antiochus darin hätten machen lassen, bis dieselben an die Grenzen Italiens heran gewesen wären, worauf es denn freilich - aber mit wessen Vorteile? - zum Kriege hätte kommen müssen.  


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