Über Machiavelli’s Republikanismus und Monarchismus
Im Mittelalter nannte eine Stadt sich frei, und Republik, nachdem sie von dem Reiche, das in der Entfernung nie schützte, aber dennoch zuweilen lästig wurde, sich losgerissen hatte. So sind die Republiken in Italien und die in Helvetien, welche letzteren durch ihren Bund einige Vorteile vor den ersten hatten, wiewohl derselbe auch innerliche Kriege herbeiführte, entstanden. Der ganze Erfolg dieser Befreiungen lief in der Regel darauf hinaus, dass man, anstatt ein Glied der großen Anarchie zu bleiben, sich eine Anarchie eigens für sich selbst einrichtete, und die Streiche, die man haben sollte, sich von nun an mit eigenen Händen erteilte. Dass solche kleine Republiken zwar für vorübergehende Zwecke in dem großen Weltplane gute Dienste leisten können, dass sie aber, wenn sie auch nach Erreichung dieser Zwecke selbstständig bleiben und etwas für sich bedeuten wollen, der Absicht des gesellschaftlichen Vereins, und dem Fortschritte des Menschengeschlechts im Großen und Ganzen widersprechen, und dass sie, wenn dieser Fortschritt erfolgt, notwendig zu Grunde gehen müssen, ist hier nicht der Ort zu erweisen. Wie es insbesondere in der florentinischen Republik ausgesehen, davon ist Machiavelli selbst in seiner florentinischen Geschichte der unverwerflichste Zeuge.
Da man jedoch noch bis auf diesen Tag sieht, dass solche, die in dergleichen Republiken aufgewachsen, und die sich von Kindheit an gewöhnt haben, sich für frei zu halten, darum weil sie keinen Fürsten haben, uns Andere aber als Diener der Fürsten betrachten, selbst durch Reisen und Aufenthalt in monarchisch regierten Ländern, durch Studium der Geschichte und der Philosophie nur mit Schwierigkeit dahin gebracht werden, das Vorurteil von Republik abzulegen; und da man hieraus schließen muss, dass es selbst dem Weisesten und Verständigsten schwer bleibe, gerade diesen Wahn zu überwinden, so könnte man allerdings vorläufig als möglich annehmen, dass auch dem in diesen Sachen sonst sehr tief sehenden Macchiavelli über diesen Punkt etwas Menschliches begegnet sei.
Uns scheint nun in der Trat, vorzüglich aus dem Ende des dritten Buchs seiner florentinischen Geschichte, und dem Anfange des vierten klar hervorzugehen, dass nicht nur im Allgemeinen es sich also verhalte, sondern, dass er sogar einer gewissen Partei in seiner Republik seine Vorliebe geschenkt, und dass die Parteilichkeit für diese Partei seiner sonstigen Konsequenz Abbruch getan habe. Er gehörte nämlich in seiner Republik zur Partei des vermögenden Mittelstandes, der nobili popolani, wie er sie nennt; er hatte unter dem lebenslänglichen Gonfaloniere, Soderini, in dieser Partei dem Staate gute Dienste geleistet; und nur dies kann die Verwunderung ein wenig herabstimmen, die uns sonst befallen würde, wenn wir von ihm selber die Leben und Taten des Georg Scali, oder Maso und Rinaldo Albizzi (die er übrigens zu seinen Helden erwählt hat) erzählen hören, oder wenn man ihn zwar bekennen sieht, dass diese Partei durch ihren Sieg über die entgegengesetzten Parteien sich zum Übermute habe hinreißen lassen, aber es damit nun auch gut ist, da doch von den anderen beiden Parteien, der des hohen Adels, und der des großen Volkes, sich eben auch nichts Härteres sagen lässt, und er gerade hier vergisst, nach seiner sonstigen Methode, nach einer festen Ordnung der Dinge zu forschen, durch welche der Entstehung dieses Übermutes vorgebeugt worden wäre, und da er, wenn er nach seiner Weise gründlich verfahren wäre, hätte finden müssen, dass Florenz gar keine Republik sein könne, wie er z.B. (Diskurse B.1. K.18.) wo nur von Florenz nicht die Rede ist, findet, dass eine sehr verdorbene Republik nur durch die unumschränkte Gewalt eines Einzigen verbessert werden könne. Florenz aber war, seiner eigenen Geschichte nach, als Staat, über alles Maß verdorben. Auch die dem Pabste Leo vorgeschlagene Reform des Staates, den er doch immer wieder als Republik will, würde dem tief eingewurzelten Übel nicht abgeholfen haben, wie dies aus Macchiavelli selbst leicht zu erweisen sein dürfte. Aus diesem Umstande entsteht es, dass Macchiavelli allenthalben Republiken und Fürstentümer einander gegenüber stellt: - Beide als gleich möglich, nur auf andere Weise zu behandeln.
Nach seiner mit Soderini’s Sturze zugleich erfolgten Absetzung vom Sekretariat, seiner Landesverweisung, den Studien, denen er sich darauf gänzlich ergab, und welche seine Schriften, die wir besitzen, zur Folge hatten, scheint er eingesehen zu haben, dass es nicht mehr um Florenz allein, sondern um ganz Italien zu tun sei, und dass dieses unter die Herrschaft eines Einzigen einheimischen vereinigt werden müsse. Denn so sagt er auch B.1. Kap.12. der Diskurse: »Allein der römische Stuhl ist es, der unser Italien in der Teilung erhält. Nie aber ist ein Land wirklich Eins, und glücklich gewesen, außer nachdem es ganz unter die Oberherrschaft Einer Republik, oder eines Fürsten gekommen ist, wie es mit Frankreich und Spanien geschehen.« Diese einige Oberherrschaft fand in den damaligen Zeitverhältnissen nunmehr Macchiavelli an einem Fürsten, und zwar an Lorenz von Medicis, der auf die Unterstützung des Medizäischen Papstes Leo rechnen könne, und es entstand hieraus sein Buch vom Fürsten, und der rührende Aufruf zur Befreiung Italiens, womit dasselbe schließt.