Über Machiavelli’s Heidentum
Es ist in unsern Tagen von wackern Männern andern wackern Männern in gedruckten Schriften nachgesagt worden, dass sie eben heidnischen Sinnes gewesen seien, keineswegs in der Meinung, ihnen dadurch etwas Böses nachzusagen. Es wird daher auch wohl einem Schriftsteller, der laut und entschieden sich für das Christentum und gegen das Heidentum erklärt hat, und dessen Gerechtigkeit gegen das letztere den Verdacht der Parteilichkeit nicht gegen sich haben kann, erlaubt sein, dieser einmal vorliegenden Sprache sich zu bedienen, indem er genötigt ist, der erhobenen Anklage gegenüber, zuzugestehen, dass er Machiavelli für einen erklärten Heiden halte, eben so wie Päpste und Kardinäle und andere tüchtige Männer jener Zeit dasselbe gewesen seien.
Das mitten im Schoße des Christentums, und in solchen, denen diese Religion angeboten worden, sich erzeugende Heidentum hat die mit noch einer andern verächtlichern Sinnesart gemeinschaftliche Quelle des Beruhens bei der bloß sinnlichen Welt, ohne Gefühl des Übersinnlichen, und so ohne Takt, wie ohne Organ für Metaphysik. Vereinigt sich hiermit ein schwacher und träger Charakter, und ist eben der ganze Geist wirklich von demselben Staube genommen, an den auch allein geglaubt wird, so entsteht die bekannte Plattheit, die in allerlei Exemplaren unserm Zeitalter erschienen ist. Diese zittern doch noch immerfort heimlich vor dem Tempel, an den sie nicht glauben. Ist hingegen der Geist wirklich übersinnlichen Ursprungs, nur dass er seinen Urquell nicht vor das Auge zu bringen vermag, und entsteht, woran es in diesem Falle nicht fehlen kann, ein ehrlicher, gerader und derber Charakter, wirft man sich vielleicht noch überdies in das Studium der alten klassischen Literatur, und wird ergriffen und durchdrungen von dem Geiste derselben, so entsteht jene hohe Ergebung in das durchaus unbekannte Schicksal, jenes feste Beruhen auf sich selber, als das Einzige, worauf man bauen könne, jenes frische Ergreifen des Lebens, so lange es noch da ist, indem wir für die Zukunft auf nichts rechnen können, jene bekannte Prometheische Gesinnung, kurz, das moderne Heidentum. Das Christentum aber wird gehasst, weil sie glauben, dass es durch täuschende Aussichten auf ein anderes Leben seine Anhänger um den Gebrauch und den Genuss des gegenwärtigen bringe, dass es im kecken, kühnen und frischen Leben störe, kurz, weil sie es nicht kennen, noch es zu fassen vermögen, sondern es für einerlei halten mit dem Mönchtum. Da nun das Leben auf alle Fälle mehr Wert hat denn der Tod, und die Geradheit und Derbheit mehr Wert, als die kränkelnde Schwäche, so sind diese allerdings denjenigen, die so beschaffen sind, wie sie meinen, dass das Christentum die Menschen mache, bei weitem vorzuziehen.
Gerade ein solcher war nun Macchiavelli, und auch hieraus lassen sich seine Fehler, so wie seine Tugenden, seine Beschränktheit, so wie seine rücksichtslose Offenheit, vollkommen erklären. Gegen das Christentum, gegen dessen Sucht, die klassischen Denkmäler wo möglich auszurotten, gegen die Ordnung der Dinge, die es auf klassischem Boden herbeigeführt, gerät er zuweilen in wahrhaft erhabenen Eifer. Wem, der seinen Geist in der schönen alten Welt einheimisch gemacht hat, ohne jedoch einzusehen, dass diese Zerstörungen derselben alle nur ein notwendiger Übergang sind zu dem Bessern und Vollkommneren, das aus ihnen erfolgen soll, lässt sich das verdenken? Eben so finden sich in seinen Komödien, und in Castruccio’s Leben, Züge ächt heidnischer Ausgelassenheit und genialischer Gottlosigkeit.
Gegen diesen Vorwurf der Feindschaft gegen das Christentum, so wie er es kannte, muss man darum Machiavelli nicht verteidigen wollen; man muss ihn zugeben, aber man muss ihn gerecht würdigen. Bei dem Allen hat er Sorge getragen, mit allen Sakramenten der Kirche gehörig versehen, aus dem Leben zu scheiden, welches für seine hinterlassenen Kinder sowohl als Schriften, ohne Zweifel sehr gut war.