c. Das Haus als Grundtypus


Bei diesen Zwecken nun scheint die eigentliche Architektur freier zu sein als die symbolische der vorigen Stufe, welche die organischen Formen aus der Natur her ergreift, ja freier als die Skulptur, die genötigt ist, die vorgefundene menschliche Gestalt aufzunehmen, und sich an sie und ihre gegebenen allgemeinen Verhältnisse bindet, während die klassische Architektur ihre Form und deren Figuration dem Inhalt nach aus geistigen Zwecken und in betreff der Gestalt aus dem menschlichen Verstande ohne direktes Vorbild erfindet. Diese größere Freiheit ist relativ zuzugeben, doch ihr Gebiet bleibt beschränkt und die Abhandlung der klassischen Baukunst, der Verständigkeit ihrer Formen wegen, im ganzen etwas Abstraktes und Trockenes. Friedrich von Schlegel hat die Architektur eine gefrorene Musik genannt, und in der Tat beruhen beide Künste auf einer Harmonie von Verhältnissen die sich auf Zahlen zurückführen lassen und in ihren Grundzügen deswegen leicht auffaßbar sind. Die Hauptbestimmung gibt für diese Grundzüge und deren einfache, ernstere, großartige oder anmutigere und zierliche Verhältnisse, wie gesagt, das Haus ab: Mauern, Säulen, Balken, in ganz verständigen kristallinischen Formen zusammengesetzt. Welches nun die Verhältnisse seien, läßt sich nicht auf genaue Zahlbestimmungen und Maße reduzieren. Aber ein längliches Viereck z. B. mit rechten Winkeln ist gefälliger als ein Quadrat, weil beim Oblongum in der Gleichheit auch Ungleichheit ist. Die eine Dimension, die Breite, halb so groß als die andere, die Länge, gibt ein gefälliges Verhältnis; lang und schmal dagegen ist ungefällig. Dabei müssen dann zugleich die mechanischen Verhältnisse des Tragens und Getragenwerdens in ihrem echten Maß und Gesetz erhalten sein; schweres Gebälk z. B. darf nicht auf dünnen, zierlichen Säulen ruhen, oder umgekehrt große Anstalten zum Tragen gemacht werden, um am Ende nur etwas ganz Leichtes aufzulegen. In allen diesen Beziehungen, in dem Verhältnis der Breite zur Länge und Höhe des Gebäudes, der Höhe der Säulen zu ihrer Dicke, der Abstände, Zahl der Säulen, Art und Mannigfaltigkeit oder Einfachheit der Verzierungen, Größe der vielen Leisten, Einfassungen usf., herrscht bei den Alten eine geheime Eurhythmie, welche der richtige Sinn der Griechen vornehmlich herausgefunden hat und wovon sie im einzelnen wohl hin und wieder abweichen, im ganzen aber die Grundverhältnisse beibehalten müssen, um nicht aus der Schönheit herauszutreten.


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Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2004 
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