a. Die begleitende Musik

 

Aus dem, was ich bereits oben über die Stellung von Text und Musik zueinander gesagt habe, geht unmittelbar die Forderung hervor, daß in diesem ersten Gebiete sich der musikalische Ausdruck weit strenger einem bestimmten Inhalte anzuschließen habe als da, wo die Musik sich selbständig ihren eigenen Bewegungen und Eingebungen überlassen darf. Denn der Text gibt von Hause aus bestimmte Vorstellungen und entreißt dadurch das Bewußtsein jenem mehr träumerischen Elemente vorstellungsloser Empfindung, in welchem wir uns, ohne gestört zu sein, hier- und dorthin führen lassen und die Freiheit, aus einer Musik dies und das herauszuempfinden, uns von ihr so oder so bewegt zu fühlen, nicht aufzugeben brauchen. In dieser Verwebung nun aber muß sich die Musik nicht zu solcher Dienstbarkeit herunterbringen, daß sie, um in recht vollständiger Charakteristik die Worte des Textes wiederzugeben, das freie Hinströmen ihrer Bewegungen verliert und dadurch, statt ein auf sich selbst beruhendes Kunstwerk zu erschaffen, nur die verständige Künstlichkeit ausübt, die musikalischen Ausdrucksmittel zur möglichst getreuen Bezeichnung eines außerhalb ihrer und ohne sie bereits fertigen Inhaltes zu verwenden. Jeder merkbare Zwang, jede Hemmung der freien Produktion tut in dieser Rücksicht dem Eindrucke Abbruch. Auf der anderen Seite muß sich jedoch die Musik auch nicht, wie es jetzt bei den meisten neueren italienischen Komponisten Mode geworden ist, fast gänzlich von dem Inhalt des Textes, dessen Bestimmtheit dann als eine Fessel erscheint, emanzipieren und sich dem Charakter der selbständigen Musik durchaus nähern wollen. Die Kunst besteht im Gegenteil darin, sich mit dem Sinn der ausgesprochenen Worte, der Situation, Handlung usf. zu erfüllen und aus dieser inneren Beseelung heraus sodann einen seelenvollen Ausdruck zu finden und musikalisch auszubilden. So haben es alle großen Komponisten gemacht. Sie geben nichts den Worten Fremdes, aber sie lassen ebensowenig den freien Erguß der Töne, den ungestörten Gang und Verlauf der Komposition, die dadurch ihrer selbst und nicht bloß der Worte wegen da ist, vermissen.

Innerhalb dieser echten Freiheit lassen sich näher drei verschiedene Arten des Ausdrucks unterscheiden.

α) Den Beginn will ich mit dem machen, was man als das eigentlich Melodische im Ausdruck bezeichnen kann. Hier ist es die Empfindung, die tönende Seele, die für sich selbst werden und in ihrer Äußerung sich genießen soll.

αα) Die menschliche Brust, die Stimmung des Gemüts macht überhaupt die Sphäre aus, in welcher sich der Komponist zu bewegen hat, und die Melodie, dies reine Ertönen des Inneren, ist die eigenste Seele der Musik. Denn wahrhaft seelenvollen Ausdruck erhält der Ton erst dadurch, daß eine Empfindung in ihn hineingelegt wird und aus ihm herausklingt. In dieser Rücksicht ist schon der Naturschrei des Gefühls, der Schrei des Entsetzens z. B., das Schluchzen des Schmerzes, das Aufjauchzen und Trillern übermütiger Lust und Fröhlichkeit usf. höchst ausdrucksvoll, und ich habe deshalb auch oben schon diese Äußerungsweise als den Ausgangspunkt für die Musik bezeichnet, zugleich aber hinzugefügt, daß sie bei der Natürlichkeit als solcher nicht dürfe stehenbleiben. Hierin besonders unterscheiden sich wieder Musik und Malerei. Die Malerei kann oft die schönste und kunstgemäße Wirkung hervorbringen, wenn sie sich ganz in die wirkliche Gestalt, die Färbung und den Seelenausdruck eines vorhandenen Menschen in einer bestimmten Situation und Umgebung hineinlebt und, was sie so ganz durchdrungen und in sich aufgenommen hat, nun auch ganz in dieser Lebendigkeit wiedergibt. Hier ist die Naturtreue, wenn sie mit der Kunstwahrheit zusammentrifft, vollständig an ihrer Stelle. Die Musik dagegen muß den Ausdruck der Empfindungen nicht als Naturausbruch der Leidenschaft wiederholen, sondern das zu bestimmten Tonverhältnissen ausgebildete Klingen empfindungsreich beseelen und insofern den Ausdruck in ein erst durch die Kunst und für sie allein gemachtes Element hineinheben, in welchem der einfache Schrei sich zu einer Folge von Tönen, zu einer Bewegung auseinanderlegt, deren Wechsel und Lauf durch Harmonie gehalten und melodisch abgerundet wird.

ββ) Dies Melodische nun erhält eine nähere Bedeutung und Bestimmung in bezug auf das Ganze des menschlichen Geistes. Die schöne Kunst der Skulptur und Malerei bringt das geistige Innere hinaus zur äußeren Objektivität und befreit den Geist wieder aus dieser Äußerlichkeit des Anschauens dadurch, daß er einerseits sich selbst, Inneres, geistige Produktion darin wiederfindet, während andererseits der subjektiven Besonderheit, dem willkürlichen  Vorstellen, Meinen und Reflektieren nichts gelassen wird, indem der Inhalt in seiner ganz bestimmten Individualität hinausgestellt ist. Die Musik hingegen hat, wie wir mehrfach sahen, für solche Objektivität nur das Element des Subjektiven selber, durch welches das Innere deshalb nur mit sich zusammengeht und in seiner Äußerung, in der die Empfindung sich aussingt, zu sich zurückkehrt. Musik ist Geist, Seele, die unmittelbar für sich selbst erklingt und sich in ihrem Sichvernehmen befriedigt fühlt. Als schöne Kunst nun aber erhält sie von selten des Geistes her sogleich die Aufforderung, wie die Affekte selbst so auch deren Ausdruck zu zügeln, um nicht zum bacchantischen Toben und wirbelnden Tumult der Leidenschaften fortgerissen zu werden oder im Zwiespalt der Verzweiflung stehenzubleiben, sondern im Jubel der Lust wie im höchsten Schmerz noch frei und in ihrem Ergüsse selig zu sein. Von dieser Art ist die wahrhaft idealische Musik, der melodische Ausdruck in Palestrina, Durante, Lotti, Pergolesi, Gluck, Haydn, Mozart. Die Ruhe der Seele bleibt in den Kompositionen dieser Meister unverloren; der Schmerz drückt sich zwar gleichfalls aus, doch er wird immer gelöst, das klare Ebenmaß verläuft sich zu keinem Extrem, alles bleibt in gebändigter Form fest zusammen, so daß der Jubel nie in wüstes Toben ausartet und selbst die Klage die seligste Beruhigung gibt. Ich habe schon bei der italienischen Malerei davon gesprochen, daß auch in dem tiefsten Schmerze und der äußersten Zerrissenheit des Gemüts die Versöhnung mit sich nicht fehlen dürfe, die in Tränen und Leiden selbst noch den Zug der Ruhe und glücklichen Gewißheit bewahrt. Der Schmerz bleibt schön in einer tiefen Seele, wie auch im Harlekin noch Zierlichkeit und Grazie herrscht. In derselben Weise hat die Natur den Italienern vornehmlich auch die Gabe des melodischen Ausdrucks zugeteilt, und wir finden in ihren älteren Kirchenmusiken bei der höchsten Andacht der Religion zugleich das reine Gefühl der Versöhnung und, wenn auch der Schmerz die Seele aufs tiefste ergreift, dennoch die Schönheit und Seligkeit, die einfache Größe und Gestaltung der Phantasie in dem zur Mannigfaltigkeit hin ausgehenden Genuß ihrer selbst. Es ist eine Schönheit, die wie Sinnlichkeit aussieht, so daß man auch diese melodische Befriedigung häufig auf einen bloß sinnlichen Genuß bezieht, aber die Kunst hat sich gerade im Elemente des Sinnlichen zu bewegen und den Geist in eine Sphäre hinüberzuführen, in welcher, wie im Natürlichen, das in sich und mit sich Befriedigtsein der Grundklang bleibt.

γγ) Wenn daher die Besonderheit der Empfindung dem Melodischen nicht fehlen darf, so soll die Musik dennoch, indem sie Leidenschaft und Phantasie in Tönen hinströmen läßt, die Seele, die in diese Empfindung sich versenkt, zugleich darüber erheben, sie über ihrem Inhalte schweben machen und so eine Region ihr bilden, wo die Zurücknahme aus ihrem Versenktsein, das reine Empfinden ihrer selbst ungehindert statthaben kann. Dies eigentlich macht das recht Sangbare, den Gesang einer Musik aus. Es ist dann nicht nur der Gang der bestimmten Empfindung als solcher, der Liebe, Sehnsucht, Fröhlichkeit usf., was zur Hauptsache wird, sondern das Innere, das darüber steht, in seinem Leiden wie in seiner Freude sich ausbreitet und seiner selbst genießt. Wie der Vogel in den Zweigen, die Lerche in der Luft heiter, rührend singt, um zu singen, als reine Naturproduktion ohne weiteren Zweck und bestimmten Inhalt, so ist es mit dem menschlichen Gesang und dem Melodischen des Ausdrucks. Daher geht auch die italienische Musik, in welcher dies Prinzip insbesondere vorwaltet, wie die Poesie häufig in das melodische Klingen als solches über und kann leicht die Empfindung und deren bestimmten Ausdruck zu verlassen scheinen oder wirklich verlassen, weil sie eben auf den Genuß der Kunst als Kunst, auf den Wohllaut der Seele in ihrer Selbstbefriedigung geht. Mehr oder weniger ist dies aber der Charakter des recht eigentlich Melodischen überhaupt. Die bloße Bestimmtheit des Ausdrucks, obschon sie auch da ist, hebt sich zugleich auf, indem das Herz nicht in anderes, Bestimmtes, sondern in das Vernehmen seiner selbst versunken ist und so allein, wie das Sichselbstanschauen des reinen Lichtes, die höchste Vorstellung von seliger Innigkeit und Versöhnung gibt.

β) Wie nun in der Skulptur die idealische Schönheit, das Beruhenaufsich vorherrschen muß, die Malerei aber bereits weiter zur besonderen Charakteristik herausgeht und in der Energie des bestimmten Ausdrucks eine Hauptaufgabe erfüllt, so kann sich auch die Musik nicht mit dem Melodischen in der oben geschilderten Weise begnügen. Das bloße Sichselbstempfinden der Seele und das tönende Spiel des Sichvernehmens ist zuletzt als bloße Stimmung zu allgemein und abstrakt und läuft Gefahr, sich nicht nur von der näheren Bezeichnung des im Text ausgesprochenen Inhalts zu entfernen, sondern auch überhaupt leer und trivial zu werden. Sollen nun Schmerz, Freude, Sehnsucht usf. in der Melodie widerklingen, so hat die wirkliche, konkrete Seele in der ernsten Wirklichkeit dergleichen Stimmungen nur innerhalb eines wirklichen Inhalts, unter bestimmten Umständen, in besonderen Situationen, Begebnissen, Handlungen usf. Wenn uns der Gesang die Empfindung z. B. der Trauer, der Klage über einen Verlust erweckt, so fragt es sich deshalb sogleich: was ist verlorengegangen? Ist es das Leben mit dem Reichtum seiner Interessen, ist es Jugend, Glück, Gattin, Geliebte, sind es Kinder, Eltern, Freunde usf.? Dadurch erhält die Musik die fernere Aufgabe, in betreff auf den bestimmten Inhalt und die besonderen Verhältnisse und Situationen, in welche das Gemüt sich eingelebt hat und in denen es nun sein inneres Leben zu Tönen erklingen macht, dem Ausdruck selber die gleiche Besonderung zu geben. Denn die Musik hat es nicht mit dem Inneren als solchem, sondern mit dem erfüllten Inneren zu tun, dessen bestimmter Inhalt mit der Bestimmtheit der Empfindung aufs engste verbunden ist, so daß nun nach Maßgabe des verschiedenen Gehalts auch wesentlich eine Unterschiedenheit des Ausdrucks wird hervortreten müssen. Ebenso geht das Gemüt, je mehr es sich mit seiner ganzen Macht auf irgendeine Besonderheit wirft, um so mehr zur steigenden Bewegung der Affekte und, jenem seligen Genuß der Seele in sich selbst gegenüber, zu Kämpfen und Zerrissenheit, zu Konflikten der Leidenschaften gegeneinander und überhaupt zu einer Tiefe der Besonderung heraus, für welche der bisher betrachtete Ausdruck nicht mehr entsprechend ist. Das Nähere des Inhalts ist nun eben das, was der Text angibt. Bei dem eigentlich Melodischen, das sich auf dies Bestimmte weniger einläßt, bleiben die spezielleren Bezüge des Textes mehr nur nebensächlich. Ein Lied z. B., obschon es als Gedicht und Text in sich selbst ein Ganzes von mannigfach nuancierten Stimmungen, Anschauungen und Vorstellungen enthalten kann, hat dennoch meist den Grundklang ein und derselben, sich durch alles fortziehenden Empfindung und schlägt dadurch vornehmlich einen Gemütston an. Diesen zu fassen und in Tönen wiederzugeben macht die Hauptwirksamkeit solcher Liedermelodie aus. Sie kann deshalb auch das ganze Gedicht hindurch für alle Verse, wenn diese auch in ihrem Inhalt vielfach modifiziert sind, dieselbe bleiben und durch diese Wiederkehr gerade, statt dem Eindruck Schaden zu tun, die Eindringlichkeit erhöhen. Es geht damit wie in einer Landschaft, wo auch die verschiedenartigsten Gegenstände uns vor Augen gestellt sind und doch nur ein und dieselbe Grundstimmung und Situation der Natur das Ganze belebt. Solch ein Ton, mag er auch nur für ein paar Verse passen und für andere nicht, muß auch im Liede herrschen, weil hier der bestimmte Sinn der Worte nicht das Überwiegende sein darf, sondern die Melodie einfach für sich über der Verschiedenartigkeit schwebt. Bei vielen Kompositionen dagegen, welche bei jedem neuen Verse mit einer neuen Melodie anheben, die oft in Takt, Rhythmus und selbst in Tonart von der vorhergehenden verschieden ist, sieht man gar nicht ein, warum, wären solche wesentliche Abänderungen wirklich notwendig, nicht auch das Gedicht selbst in Metrum, Rhythmus, Reimverschlingung usf. bei jedem Verse wechseln müßte.

αα) Was sich nun aber für das Lied, das ein echt melodischer Gesang der Seele ist, als passend erweist, reicht nicht für jede Art des musikalischen Ausdruckes hin. Wir haben deshalb dem Melodischen als solchem gegenüber noch eine zweite Seite herauszuheben, die von gleicher Wichtigkeit ist und den Gesang erst eigentlich zur begleitenden Musik macht. Dies findet in derjenigen Ausdrucksweise statt, welche im Rezitativ vorherrscht. Hier nämlich ist es keine in sich abgeschlossene Melodie, welche gleichsam nur den Grundton eines Inhalts auffaßt, in dessen Ausbildung die Seele als mit sich einige Subjektivität sich selber vernimmt, sondern der Inhalt der Worte prägt sich seiner ganzen Besonderheit nach den Tönen ein und bestimmt den Verlauf sowie den Wert derselben in Rücksicht auf bezeichnende Höhe oder Tiefe, Heraushebung oder Senkung. Hierdurch wird die Musik im Unterschiede des melodischen Ausdrucks zu einer tönenden Deklamation, welche sich dem Gange der Worte sowohl in Ansehung des Sinns als auch der syntaktischen Zusammenstellung genau anschließt und, insofern sie nur die Seite der erhöhteren Empfindung als neues Element hinzubringt, zwischen dem Melodischen als solchem und der poetischen Rede steht. Dieser Stellung gemäß tritt deshalb eine freiere Akzentuierung ein, welche sich streng an den bestimmten Sinn der einzelnen Wörter hält; der Text selbst bedarf keines fest bestimmten Metrums, und der musikalische Vortrag braucht sich nicht wie das Melodische in gleichartiger Folge eng an Takt und Rhythmus zu binden, sondern kann diese Seite in betreff auf Forteilen und Zurückhalten, Verweilen bei bestimmten Tönen und schnelles Überfliegen anderer der ganz vom Inhalt der Worte ergriffenen Empfindung frei anheimstellen. Ebenso ist die Modulation nicht so abgeschlossen als im Melodischen; Beginn, Fortschreiten, Einhalten, Abbrechen, Wiederanfangen, Aufhören, alles dies ist nach Bedürfnis des auszudrückenden Textes einer unbeschränkteren Freiheit übergeben; unvermutete Akzente, weniger vermittelte Übergänge, plötzlicher Wechsel und Abschlüsse sind erlaubt, und im Unterschiede hinströmender Melodien stört auch die fragmentarisch abgebrochene, leidenschaftlich zerrissene Äußerungsweise, wenn es der Inhalt erfordert, nicht.

ββ) In dieser Beziehung zeigt sich der rezitativisch-deklamatorische Ausdruck gleich geschickt für die stille Betrachtung und den ruhigen Bericht von Ereignissen als auch für die empfindungsreiche Gemütsschilderung, welche das Innere mitten in eine Situation hineingerissen zeigt und das Herz für alles, was sich in derselben bewegt, in lebendigen Seelentönen zur Mitempfindung weckt. Seine hauptsächliche Anwendung erhält das Rezitativ deshalb einerseits im Oratorium, teils als erzählendes Rezitieren, teils als lebendigeres Hineinführen in ein augenblickliches Geschehen, andererseits im dramatischen Gesang, wo demselben alle Nuancen einer flüchtigen Mitteilung sowie jede Art der Leidenschaft zusteht, mag sie sich in scharfem Wechsel, kurz, zerstückt, in aphoristischem Ungestüm äußern, mit raschen Blitzen und Gegenblitzen des Ausdrucks dialogisch einschlagen oder auch zusammenhängender hinfluten. Außerdem kann in beiden Gebieten, dem epischen und dramatischen, auch noch die Instrumentalmusik hinzukommen, um entweder ganz einfach die Haltpunkte für die Harmonien anzugeben oder den Gesang auch mit Zwischensätzen zu unterbrechen, die in ähnlicher Charakteristik andere Seiten und Fortbewegungen der Situation musikalisch ausmalen.

γγ) Was jedoch dieser rezitativischen Art der Deklamation abgeht, ist eben der Vorzug, den das Melodische als solches hat, die bestimmte Gliederung und Abrundung, der Ausdruck jener Seeleninnigkeit und Einheit, welche sich zwar in einen besonderen Inhalt hineinlegt, doch in ihm gerade die Einigkeit mit sich kundgibt, indem sie sich nicht durch die einzelnen Seiten zerstreuen, hin und her reißen und zersplittern läßt, sondern auch in ihnen noch die subjektive Zusammenfassung geltend macht. Die Musik kann sich daher auch in betreff solcher bestimmteren Charakteristik ihres durch den Text gegebenen Inhalts weder mit der rezitativischen Deklamation begnügen, noch überhaupt bei dem bloßen Unterschiede des Melodischen, das relativ über den Besonderheiten und Einzelheiten der Worte schwebt, und des Rezitativischen, das sich denselben aufs engste anzuschließen bemüht ist, stehenbleiben. Im Gegenteil muß sie eine Vermittlung dieser Elemente zu erlangen suchen. Wir können diese neue Einigung mit dem vergleichen, was wir früher bereits in bezug auf den Unterschied der Harmonie und Melodie eintreten sahen. Die Melodie nahm das Harmonische als ihre nicht nur allgemeine, sondern ebenso in sich bestimmte und besonderte Grundlage in sich hinein, und statt dadurch die Freiheit ihrer Bewegung zu verlieren, gewann sie für dieselbe erst die ähnliche Kraft und Bestimmtheit, welche der menschliche Organismus durch die feste Knochenstruktur erhält, die nur unangemessene Stellungen und Bewegungen verhindert, den gemäßen dagegen Halt und Sicherheit gibt. Dies führt uns auf einen letzten Gesichtspunkt für die Betrachtung der begleitenden Musik.

 


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