51. Der nachahmende Teil der Trugbildnerei und seine zwei Arten


Fremder: Von der bildnerischen nun wollen wir uns erinnern, dass eine Art sich mit den Ebenbildern, die andere mit den Trugbildern beschäftigen sollte, wenn nämlich das Falsche als wirklich falsch seiend und als auch ein Seiendes von Natur sich zeigen würde. [266e]

Theaitetos: So war es.

Fremder: Nun hat es sich aber gezeigt, weshalb wir denn jetzt unbestritten jene zwei Arten aufzählen?

Theaitetos: Ja.

Fremder: [267a] In der trugbildnerischen nun machen wir wieder zwei Abteilungen.

Theaitetos: Wieso?

Fremder: Die eine gebraucht Werkzeuge; in der andern gibt sich der, der das Trugbild macht, selbst zum Werkzeuge her.

Theaitetos: Wie meinst du das?

Fremder: Wenn jemand, meine ich, seines eigenen Leibes sich bedienend deine Gestalt oder deine Stimme mittelst der seinigen ganz ähnlich erscheinen macht, so heißt dieser Teil der Trugbildnerei gewöhnlich die Nachahmung.

Theaitetos: Ja.

Fremder: Dieses also wollen wir von dem Ganzen abteilen und die nachahmende Kunst nennen, das übrige aber übergehen, um es uns bequem zu machen, einem andern überlassend, [b] es in eins zusammenzufassen und ihm einen schicklichen Namen beizulegen.

Theaitetos: So sei dieses abgeteilt, das andere beiseite geschoben!

Fremder: Auch dieses aber, o Theaitetos, lohnt uns noch als zweifach anzusehen. Sieh zu, weshalb?

Theaitetos: Sage nur!

Fremder: Die Nachahmenden tun dieses teils kennend, was sie nachahmen, teils ohne es zu kennen. Und was für einen größeren Unterschied könnte man wohl setzen als zwischen Unkenntnis und Kenntnis?

Theaitetos: Keinen gewiß.

Fremder: Das eben Angeführte nun war Nachahmung eines Wissenden. Denn nur, wer deine Gestalt und dich kennt, kann sie nachahmen.

Theaitetos: Unbedenklich. [c]

Fremder: Wie aber die Gestalt der Gerechtigkeit und der gesamten Tugend überhaupt; Gibt es nicht gar viele, die sie eigentlich nicht kennen, sondern sich nur ungefähr vorstellen, sich aber gar sehr darauf legen, das, was sie dafür halten, als ihnen einwohnend erscheinen zu machen, indem sie es soviel nur irgend möglich in Handlungen und Reden nachahmen?

Theaitetos: Gar sehr viele.

Fremder: Und verfehlen etwa alle dieses, gerecht zu scheinen, da sie es doch keineswegs sind? Oder nicht vielmehr ganz das Gegenteil?

Theaitetos: Ganz und gar.

Fremder: [d] Diesen Nachahmer also werden wir doch für verschieden erklären müssen von jenem, von dem Wissenden diesen Nichtwissenden.

Theaitetos: Ja.


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