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Ideen, Kunst, Ästhetik


Der einheitliche Wille, dessen raum-zeitliche Erscheinungen die Individuen sind, objektiviert sich auf verschiedenen Seinsstufen, und diese nennt Schopenhauer Ideen. Sie sind die »Musterbilder« der Individuen, die »ewigen Formen« der Dinge, zeit- und grundlos wie der Wille selbst, »nicht selbst in Zeit und Raum, das Medium der Individuen, eintretend, sondern feststehend, keinem Wechsel unterworfen, immer seiend, ungeworden«. Die Einzeldinge sind nur getrübte Erscheinungen der Ideen, die in ihnen nicht rein zum Ausdruck kommen. Die niedrigsten Objektivationsstufen des Willens sind die allgemeinen Naturkräfte. Die Erkenntnis der Ideen erfolgt, wenn wir nicht mehr die Erscheinungen am Leitfaden des Satzes vom Grunde verfolgen, nicht nach ihrem Warum usw. ragen, sondern nur in ruhiger Kontemplation auf ihr Was schauen. Mit dem Subjekt ist in diesem Moment eine Wandlung erfolgt: es ist nicht begehrend, sondern interesseloses, unegoistisches, reines, allgemeines Subjekt des Erkennens. Dies ist der ästhetische Zustand, den die Kunst vermittelt. Sie geht auf die Erfassung der Ideen und die Mitteilung dieser Erkenntnis, die vom Willen ganz losgerissen ist. Die Kunst »wiederholt die durch reine Kontemplation aufgefaßten ewigen Ideen, das Wesentliche und Bleibende aller Erscheinungen der Welt«. Sie »reißt das Objekt ihrer Kontemplation heraus aus dem Strom des Weltlaufs und hat es isoliert vor sich: und dieses Einzelne, was in jenem Strom ein verschwindend kleiner Teil war, wird ihr ein Repräsentant des Ganzen, ein Äquivalent des in Raum und Zeit unendlich Vielen«. Schön ist jedes Ding als »Ausdruck einer Idee« (spekulative Gehaltsästhetik). Die verschiedenen Künste unterscheiden sich durch das Material, an welchem sieIdeen zum Ausdruck bringt (Bildende Kunst, Poesie, Musik). Zweck der schönen Baukunst ist die »Verdeutlichung der Ojektivation des Willens auf der niedrigsten Stufe seiner Sichtbarkeit, wo er sich als dumpfes, erkenntnisloses, gesetzmäßiges Streben der Masse zeigt und doch schon Selbstentzweiung und Kampf offenbart, nämlich durch Schwere und Starrheit«. Das Trauerspiel (Tragische) zeigt den Willen in seinem Zwiespalt mit sich selbst in furchtbarer Größe und Deutlichkeit. Eine ganz eigene Stellung nimmt die Musik ein. Sie ist nicht die Abbildung einer Idee, sondern mehr, nämlich »eine so unmittelbare Objektivation und Abbild des ganzen Willens, wie die Welt selbst es ist, so wie die Ideen es sind, deren vervielfältigte Erscheinung die Welt der einzelnen Dinge ausmacht«. Die Musik ist also das unmittelbare Abbild, der Ausdruck des Willens selbst und deshalb von so mächtiger Wirkung. Im Grundbaß kommen die niedrigsten Stufen der Willensobjektivation zum Ausdruck, in der Melodie das Leben und Streben des Menschen. Das Genie ist »vollkommenste Objektivität«, Vollkommenheit und Energie der anschauenden Erkenntnis, der Kontemplation frei vom Dienste des Willens, die Fähigkeit, »klares Weltauge« zu sein.


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Seite zuletzt aktualisiert: 25.10.2006