Jüdische und hinduistische Pariareligiosität. Ressentiment


Seit dem Exil tatsächlich, und auch formell seit der Zerstörung des Tempels, waren die Juden ein »Pariavolk«, d.h. im hier gemeinten Sinn (der mit der speziellen Stellung der indischen »Pariakaste« so wenig identisch ist wie z.B. der Begriff »Kadi-Justiz« mit den wirklichen Prinzipien der Rechtsprechung des Qâd. î): eine, durch (ursprünglich) magische, tabuistische und rituelle Schranken der Tisch- und Konnubialvergemeinschaftung nach außen einerseits, durch politische und sozial negative Privilegierung, verbunden mit weitgehender ökonomischer Sondergebarung andererseits, zu einer erblichen Sondergemeinschaft zusammengeschlossene Gruppe ohne autonomen politischen Verband. Die negativ privilegierten, beruflich spezialisierten, indischen Kasten mit ihrem durch Tabuierung garantierten Abschluß nach außen und ihren erblichen religiösen Pflichten der Lebensführung stehen ihnen relativ am nächsten, weil auch bei ihnen mit der Pariastellung als solcher Erlösungshoffnungen verknüpft sind. Sowohl die indischen Kasten wie die Juden zeigen die gleiche spezifische Wirkung einer Pariareligiosität: daß sie ihre Zugehörigen um so enger an sich und an die Pariastellung kettet, je gedrückter die Lage ist, in welcher sich das Pariavolk befindet, und je gewaltiger also die Erlösungshoffnungen [sind], die sich an die gottgebotene Erfüllung der religiösen Pflichten knüpfen. Wie schon erwähnt, hingen gerade die niedersten Kasten besonders zähe an ihren Kastenpflichten als der Bedingung ihrer Wiedergeburt in besserer Lage. Das Band zwischen Jahve und seinem Volk wurde um so unzerreißbarer, je mörderischer Verachtung und Verfolgung auf den Juden lasteten. Im offensichtlichen Gegensatz z.B. gegen die orientalischen Christen, welche unter den Omajjaden der privilegierten Religion des Islâm in solchen Massen zuströmten, daß die politische Gewalt im ökonomischen Interesse der, privilegierten Schicht den Übertritt erschwerte, sind deshalb alle die häufigen zwangsweisen Massenbekehrungen der Juden, welche ihnen doch die Privilegien der herrschenden Schicht verschafften, vergebens geblieben. Das einzige Mittel der Erlösung war eben, für die indische Kaste wie für die Juden, die Erfüllung der religiösen Spezialgebote für das Pariavolk, denen niemand sich entziehen kann, ohne bösen Zauber für sich befürchten zu müssen und seine oder seiner Nachfahren Zukunftschancen zu gefährden. Der Unterschied der jüdischen Religiosität aber gegenüber der hinduistischen Kastenreligiosität liegt nun in der Art der Erlösungshoffnung begründet. Der Hindu erwartet von religiöser Pflichterfüllung die Verbesserung seiner persönlichen Wiedergeburtschancen, also Aufstieg oder Neuinkarnation seiner Seele in eine höhere Kaste. Der Jude dagegen für seine Nachfahren die Teilnahme an einem messianischen Reich, welches seine gesamte Pariagemeinschaft aus ihrer Pariastellung zur Herrenstellung in der Welt erlösen wird. Denn mit der Verheißung, daß alle Völker der Erde vom Juden leihen werden und er von niemand, hatte Jahve nicht die Erfüllung in Gestalt kleinen Pfandleihwuchers vom Ghetto aus gemeint, sondern die Lage einer typischen antiken machtvollen Stadtbürgerschaft, deren Schuldner und Schuldknechte die Einwohner unterworfener Dörfer und Kleinstädte sind. Der Hindu arbeitet ebenso für ein künftiges menschliches Wesen, welches mit ihm nur unter den Voraussetzungen der animistischen Seelenwanderungslehre etwas zu tun hat: die künftige Inkarnation seiner Seele, wie der Jude für seine leiblichen Nachfahren, in deren animistisch verstandener Beziehung zu ihm seine »irdische Unsterblichkeit« besteht. Aber gegenüber der Vorstellung des Hindu, welche die soziale Kastengliederung der Welt und die Stellung seiner Kaste als solcher gänzlich unangetastet für immer bestehen läßt und das Zukunftslos seiner individuellen Seele gerade innerhalb dieser selben Rangordnung verbessern will, erwartete der Jude die eigene persönliche Erlösung gerade umgekehrt in Gestalt eines Umsturzes der geltenden sozialen Rangordnung zugunsten seines Pariavolks. Denn sein Volk ist das zum Prestige, nicht aber zur Pariastellung, berufene und von Gott erwählte.

Und daher gewinnt auf dem Boden der jüdischen ethischen Erlösungsreligiosität ein Element große Bedeutung, welches, von Nietzsche zuerst beachtet, aller magischen und animistischen Kastenreligiosität völlig fehlt: das Ressentiment. Es ist in Nietzsches Sinn Begleiterscheinung der religiösen Ethik der negativ Privilegierten, die sich, in direkter Umkehrung des alten Glaubens, dessen getrösten, daß die ungleiche Verteilung der irdischen Lose auf Sünde und Unrecht der positiv Privilegierten beruhe, also früher oder später gegen jene die Rache Gottes herbeiführen müsse. In Gestalt dieser Theodizee der negativ Privilegierten dient dann der Moralismus als Mittel der Legitimierung bewußten oder unbewußten Rachedurstes. Das knüpft zunächst an die »Vergeltungsreligiosität« an. Besteht einmal die religiöse Vergeltungsvorstellung, so kann gerade das »Leiden« als solches, da es ja gewaltige Vergeltungshoffnungen mit sich führt, die Färbung von etwas rein an sich religiös Wertvollem annehmen. Bestimmte asketische Kunstlehren einerseits, spezifische neurotische Prädispositionen andererseits können dieser Vorstellung in die Hände arbeiten. Allein den spezifischen Ressentimentcharakter erlangt die Leidensreligiosität nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen: z.B. nicht bei den Hindus und Buddhisten. Denn dort ist das eigene Leiden auch individuell verdient. Anders beim Juden. Die Psalmenreligiosität ist erfüllt von Rachebedürfnis, und in den priesterlichen Überarbeitungen der alten israelitischen Überlieferungen findet sich der gleiche Einschlag: Die Mehrzahl aller Psalmen enthält – einerlei, ob die betreffenden Bestandteile vielleicht in eine ältere, davon freie Fassung erst nachträglich hineingekommen sind – die moralistische Befriedigung und Legitimierung offenen oder mühsam verhaltenen Rachebedürfnisses eines Pariavolkes ganz handgreiflich. Entweder in der Form: daß dem Gott die eigene Befolgung seiner Gebote und das eigene Unglück und demgegenüber das gottlose Treiben der stolzen und glücklichen Heiden, die infolgedessen seiner Verheißungen und Macht spotten, vorgehalten werden. Oder in der anderen Form: daß die eigene Sünde demutsvoll bekannt, Gott aber gebeten wird, er möge nun endlich von seinem Zorn abstehen und seine Gnade dem Volke, das schließlich doch allein das seinige sei, wieder zuwenden. In beiden Fällen verbunden mit der Hoffnung: daß des endlich versöhnten Gottes Rache nun doppelt die gottlosen Feinde dereinst ebenso zum Schemel der Füße Israels machen werde, wie dies die priesterliche Geschichtskonstruktion den kananäischen Feinden des Volkes angedeihen läßt, solange dieses nicht Gottes Zorn durch Ungehorsam erweckt und dadurch seine eigene Erniedrigung unter die Heiden verschuldet. Wenn manche dieser Psalmen vielleicht, wie moderne Kommentatoren wollen, dem individuellen Zorn pharisäisch Frommer über die Verfolgungen unter Alexandros Jannaios entstammen, so ist ihre Auslese und Aufbewahrung das Charakteristische, und andere reagieren ganz offensichtlich auf die Pariastellung der Juden als solcher. In aller Religiosität der Welt gibt es keinen Universalgott von dem unerhörten Rachedurst Jahves, und den historischen Wert von Tatsachenangaben der priesterlichen Geschichtsüberarbeitung kann man fast genau daran erkennen: daß der betreffende Vorgang (wie etwa die Schlacht von Megiddo) nicht in diese Theodizee der Vergeltung und Rache paßt. Die jüdische Religiosität ist so die Vergeltungsreligiosität .at’ e’..... geworden. Die gottgebotene Tugend wird um der Vergeltungshoffnung willen geübt. Und diese ist in erster Linie eine kollektive: das Volk als Ganzes soll die Erhöhung erleben, nur dadurch kann auch der Einzelne seine Ehre wiedergewinnen. Daneben und damit sich vermischend geht natürlich die individuelle Theodizee des persönlichen Einzelschicksals – selbstverständlich seit je – [einher], deren Problematik sich vor allem in dem ganz anderen, unvolkstümlichen Schichten entstammenden Hiobbuch spiegelt, um dort in dem Verzicht auf eine Lösung des Problems und dem Sichfügen in die absolute Souveränität Gottes über seine Kreaturen den puritanischen Prädestinationsgedanken zu präludieren, der hätte entstehen müssen, sobald das Pathos der göttlichen ewigen Höllenstrafen hinzutrat. Aber er entstand eben nicht, und das Hiobbuch blieb in seinem vom Dichter gemeinten Ergebnis bekanntlich fast völlig unverstanden, so felsenfest stand der kollektive Vergeltungsgedanke in der jüdischen Religiosität. Die für den frommen Juden mit dem Moralismus des Gesetzes unvermeidlich verbundene, weil fast alle exilischen und nachexilischen heiligen Schriften durchziehende, Rachehoffnung, welche 21/2 Jahrtausende lang in fast jedem Gottesdienst des an den beiden unzerreißbaren Ketten: der religiös geheiligten Absonderung von der übrigen Welt und der Diesseitsverheißungen seines Gottes, festliegenden Volkes bewußt oder unbewußt neue Nahrung erhalten mußte, trat, da der Messias auf sich warten ließ, natürlich im religiösen Bewußtsein der Intellektuellenschicht immer wieder zugunsten des Werts der Gottinnigkeit rein als solcher oder eines milden stimmungsvollen Vertrauens auf göttliche Güte rein als solche und der Bereitschaft zum Frieden mit aller Welt zurück. Dies geschah besonders, so oft die soziale Lage der zu völliger politischer Machtlosigkeit verurteilten Gemeinden eine irgend erträgliche war, – während sie in Epochen, wie etwa den Verfolgungen der Kreuzzugszeit entweder zu einem ebenso penetranten wie fruchtlosen Racheschrei zu Gott wieder aufflammt oder zu dem Gebet: die eigene Seele möge vor den den Juden fluchenden Feinden »zu Staub werden«, aber vor bösen Worten und Taten sich wahren und sich allein auf die wortlose Erfüllung von Gottes Gebot und die Offenhaltung des Herzens für ihn beschränken. Eine so unerhörte Verzerrung es nun wäre, im Ressentiment das eigentlich maßgebende Element der historisch stark wandelbaren jüdischen Religiosität finden zu wollen, so darf allerdings sein Einfluß auch auf grundlegende Eigenarten der jüdischen Religiosität nicht unterschätzt werden. Denn es zeigt gegenüber dem ihr mit anderen Erlösungsreligionen Gemeinsamen in der Tat einen der spezifischen Züge und spielt in keiner anderen Religiosität negativ privilegierter Schichten eine derartig auffällige Rolle. In irgend einer Form allerdings ist die Theodizee der negativ Privilegierten Bestandteil jeder Erlösungsreligiosität, welche in diesen Schichten vornehmlich ihre Anhängerschaft hat, und die Entwicklung der Priesterethik ist ihr überall da entgegengekommen, wo sie Bestandteil einer vornehmlich innerhalb solcher Schichten heimischen Gemeindereligiosität wurde. Seine fast völlige Abwesenheit, und ebenso das Fehlen fast aller sozialrevolutionären, religiösen Ethik in der Religiosität des frommen Hindu und des buddhistischen Asiaten erklärt sich aus der Art der Wiedergeburtstheodizee; die Ordnung der Kaste als solche bleibt ewig und ist absolut gerecht. Denn Tugenden oder Sünden eines früheren Lebens begründen die Geburt in die Kaste, das Verhalten im jetzigen Leben die Chancen der Verbesserung. Es besteht daher vor allem keine Spur jenes augenfälligen Konflikts zwischen der durch Gottes Verheißungen geschaffenen sozialen Prätention und der verachteten Lage in der Realität, welcher in dem dergestalt in ständiger Spannung gegen seine Klassenlage und in ständiger Erwartung und fruchtloser Hoffnung lebenden Juden die Weltunbefangenheit vernichtete, und die religiöse Kritik an den gottlosen Heiden, auf welche dann erbarmungsloser Hohn antwortete, umschlagen ließ in ein immer waches, oft erbittertes, weil ständig von geheimer Selbstkritik bedrohtes Achten auf die eigene Gesetzestugend. Dazu trat kasuistisches, lebenslänglich geschultes Grübeln über die religiösen Pflichten der Volksgenossen – von deren Korrektheit ja Jahves schließliche Gnade abhing – und die in manchen Produkten der nachexilischen Zeit so charakteristisch hervortretende Mischung von Verzagtheit an jeglichem Sinn dieser eitlen Welt, Sichbeugen unter die Züchtigungen Gottes, Sorge, ihn durch Stolz zu verletzen, und angstvoller, rituell-sittlicher Korrektheit, die den Juden jenes verzweifelte Ringen nicht mehr um die Achtung der andern, sondern um Selbstachtung und Würdegefühl aufzwang. Ein Würdegefühl, das, – wenn schließlich doch die Erfüllung der Verheißungen Jahves der Maßstab des jeweiligen eigenen Werts vor Gott sein mußte, – sich selbst immer prekär werden und damit wieder vor dem Schiffbruch des ganzen Sinnes der eigenen Lebensführung stehen konnte.

Ein greifbarer Beweis für Gottes persönliche Gnade blieb in der Tat für den Ghetto-Juden in steigendem Maße der Erfolg im Erwerb. Allein es paßt gerade der Gedanke der »Bewährung« im gottgewollten »Beruf« für den Juden nicht in dem Sinn, in welchem die innerweltliche Askese ihn kennt. Denn der Segen Gottes ist in weit geringerem Maße als bei dem Puritaner in einer systematischen asketischen rationalen Lebensmethodik als der dort einzig möglichen Quelle der certitudo salutis verankert. Nicht nur ist z.B. die Sexualethik direkt antiasketisch und naturalistisch geblieben und war die altjüdische Wirtschaftsethik in ihren postulierten Beziehungen stark traditionalistisch, erfüllt von einer, jeder Askese fremden, unbefangenen Schätzung des Reichtums, sondern die gesamte Werkheiligkeit der Juden ist ritualistisch unterbaut und überdies häufig kombiniert mit dem spezifischen Stimmungsgehalt der Glaubensreligiosität. Nur gelten die traditionalistischen Bestimmungen der innerjüdischen Wirtschaftsethik selbstverständlich, wie bei aller alten Ethik, in vollem Umfang nur dem Glaubensbruder gegenüber, nicht nach außen. Alles in allem aber haben Jahves Verheißungen innerhalb des Judentums selbst in der Tat einen starken Einschlag von Ressentimentmoralismus gezeitigt. Sehr falsch wäre es aber, sich das Erlösungsbedürfnis, die Theodizee oder die Gemeindereligiosität überhaupt als nur auf dem Boden der negativ privilegierten Schichten oder gar nur aus Ressentiment erwachsen vorzustellen, also lediglich als Produkt eines »Sklavenaufstandes in der Moral«. Das trifft nicht einmal für das alte Christentum zu, obwohl es seine Verheißungen mit größtem Nachdruck gerade an die geistig und materiell »Armen« richtet. An dem Gegensatz der Prophetie Jesu und ihren nächsten Konsequenzen kann man vielmehr erkennen, welche Folgen die Entwertung und Sprengung der rituellen, absichtsvoll auf Abschluß nach außen abgezweckten Gesetzlichkeit und infolgedessen: [die] Lösung der Verbindung der Religiosität mit der Stellung der Gläubigen als eines kastenartig geschlossenen Pariavolkes, haben mußten. Gewiß enthält die urchristliche Prophetie sehr spezifische Züge von »Vergeltung« im Sinne des künftigen Ausgleichs der Lose (am deutlichsten in der Lazaruslegende) und der Rache, die Gottes Sache ist. Und das Reich Gottes ist auch hier ein irdisches Reich, zunächst offenbar ein speziell oder doch in erster Linie ein den Juden, die ja von alters her an den wahren Gott glauben, bestimmtes Reich. Aber gerade das spezifisch penetrante Ressentiment des Pariavolks ist das, was durch die Konsequenzen der neuen religiösen Verheißungen ausgeschaltet wird. Und die Gefahr des Reichtums für die Erlösungschance wird wenigstens in den als eigene Predigt Jesu überlieferten Bestandteilen selbst in keiner Art asketisch motiviert und ist erst recht nicht – wie die Zeugnisse der Tradition über seinen Verkehr nicht nur mit Zöllnern (das sind in Palästina meist Kleinwucherer), sondern mit andern wohlhabenden Vornehmen beweisen – aus Ressentiment motivierbar. Dazu ist die Weltindifferenz bei der Wucht der eschatologischen Erwartungen viel zu groß. Freilich, wenn er »vollkommen«, das heißt: Jünger werden will, muß der reiche Jüngling bedingungslos aus der »Welt« scheiden. Aber ausdrücklich wird gesagt, daß bei Gott alles, auch das Seligwerden des Reichen, der von seinen Gütern zu scheiden sich nicht entschließen kann, wie immer erschwert, dennoch möglich sei. »Proletarische Instinkte« sind dem Propheten akosmistischer Liebe, der den geistig und materiell Armen die frohe Botschaft von der unmittelbaren Nähe des Gottesreiches und Freiheit von der Gewalt der Dämonen bringt, ebenso fremd wie etwa dem Buddha, dem das absolute Ausscheiden aus der Welt unbedingte Voraussetzung der Erlösung ist. Die Schranke der Bedeutung des »Ressentiments« und die Bedenklichkeit der allzu universellen Anwendung des »Verdrängungs« – Schemas zeigt sich aber nirgends so deutlich wie in dem Fehler Nietzsches, der sein Schema auch auf das ganz unzutreffende Beispiel des Buddhismus anwendet. Dieser aber ist das radikalste Gegenteil jedes Ressentimentmoralismus, vielmehr die Erlösungslehre einer stolz und vornehm die Illusionen des diesseitigen wie des jenseitigen Lebens gleichmäßig verachtenden, zunächst fast durchweg aus den privilegierten Kasten, speziell der Kriegerkaste, rekrutierten Intellektuellenschicht, und kann allenfalls mit der hellenistischen, vor allem der neuplatonischen, oder auch der manichäischen oder der gnostischen Erlösungslehre, so gründlich verschieden diese von ihm sind, der sozialen Provenienz nach verglichen werden. Wer die Erlösung zum Nirvâna nicht will, dem gönnt der buddhistische bhikshu die ganze Welt einschließlich der Wiedergeburt im Paradiese. Gerade dies Beispiel zeigt, daß das Erlösungs-bedürfnis und die ethische Religiosität noch eine andere Quelle hat als die soziale Lage der negativ Privilegierten und den durch die praktische Lebenslage bedingten Rationalismus des Bürgertums: den Intellektualismus rein als solchen, speziell die metaphysischen Bedürfnisse des Geistes, welcher über ethische und religiöse Fragen zu grübeln nicht durch materielle Not gedrängt wird, sondern durch die eigene innere Nötigung, die Welt als einen sinnvollen Kosmos erfassen und zu ihr Stellung nehmen zu können.


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