Prophetie und Priesterbetrieb


Der ethische und exemplarische Prophet ist regelmäßig selbst Laie und stützt seine Machtstellung jedenfalls auf die Laienanhängerschaft. Kraft ihres Sinnes entwertet jede Prophetie, nur in verschiedenem Maße, die magischen Elemente des Priesterbetriebs. Der Buddha und seinesgleichen lehnen ebenso wie die israelitischen Propheten nicht nur die Zugehörigkeit zu den gelernten Magiern und Wahrsagern (die in den israelitischen Quellen ebenfalls Propheten genannt werden), sondern die Magie überhaupt als nutzlos ab. Nur die spezifisch religiöse, sinnhafte Beziehung zum Ewigen gibt das Heil. Zu den buddhistischen Todsünden gehört es, sich grundlos magischer Fähigkeiten zu rühmen, deren Existenz an sich, gerade auch bei den Ungläubigen, weder die indischen noch die israelitischen Propheten noch die christlichen Apostel und die altchristliche Tradition überhaupt je bezweifelt haben. Infolge jener Ablehnung stehen sie aber auch, nur in verschieden ausgeprägter Art, skeptisch zum eigentlichen Priesterbetrieb. Nicht Brandopfer will der Gott der israelitischen Propheten, sondern Gehorsam gegen sein Gebot Mit vedischem Wissen und Ritual ist für die Erlösung des Buddhisten nichts getan, und das ehrwürdige Somaopfer ist dem Ahuramazda der ältesten Gâthâs ein Greuel. Daher besteht überall Spannung zwischen den Propheten, ihrem Laienanhang und den Vertretern der priesterlichen Tradition, und es ist eine Machtfrage, zuweilen auch, wie in Israel, durch die außenpolitische Lage bedingt, inwieweit der Prophet seiner Mission ungestört nachgehen kann oder zu ihrem Märtyrer wird. Zarathustra stützte sich neben seiner eigenen Familie auf Adels- und Fürstengeschlechter gegen den ungenannten Gegenpropheten, die indischen Propheten und Muhammed ebenso, die israelitischen auf den bürgerlichen und bäuerlichen Mittelstand. Alle aber nützten das Prestige aus, welches das prophetische Charisma als solches, gegenüber den Technikern des Alltagskultes, bei den Laien fand: die Heiligkeit neuer Offenbarung steht gegen die Heiligkeit der Tradition, und je nach dem Erfolge der beiderseitigen Demagogie schließt die Priesterschaft mit der neuen Prophetie Kompromisse, rezipiert oder überbietet ihre Lehre, beseitigt sie oder wird selbst beseitigt.


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Seite zuletzt aktualisiert: 25.10.2004 
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