4. Selbständigkeit der griechischen Philosophie. Quellen und Hilfsmittel zu ihrer Geschichte.


Gerade diejenigen Völker also, die den Griechen am nächsten wohnten und mit ihnen in Handelsbeziehungen standen, die Ägypter, Phönizier, Babylonier haben sich nicht zu einer Philosophie erhoben, die von ihren religiösen, d. i. mythologischen Vorstellungen unabhängig gewesen wäre. Es ist daher Torheit, den Ursprung der griechischen Philosophie im Orient zu suchen. Ein solches Bestreben ist auch bei den Griechen selbst während ihrer Blütezeit nie hervorgetreten; erst in den Zeiten des Verfalls, insbesondere des Neuplatonismus (s. Kap. 14 u. 15), suchte man den eigenen, mit morgenländischen Lehren vermischten Philosophemen größeres Ansehen zu geben, indem man sie als Erzeugnisse uralter Weisheit des Morgenlandes darstellte. Auch den Versuchen von Gladisch und Röth, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, ist ein solcher Nachweis nicht gelungen.

Im Gegensatz dazu wird die folgende Darstellung erweisen, dass die griechische Philosophie in ganz natürlicher Weise aus den Daseinsformen des griechischen Volkstums hervorgewachsen ist, womit natürlich nicht geleugnet werden soll, dass die Griechen in Mathematik und Astronomie, Mythos und Kunst ihren orientalischen Nachbarn manches verdanken.

Ehe wir zu dieser Darstellung übergehen, seien die wichtigsten Quellen und Hilfsmittel zur Geschichte der griechischen Philosophie erwähnt. Von den unmittelbaren Quellen und ihrer großen Lückenhaftigkeit ist schon die Rede gewesen. Hier nur das Hauptsächlichste von den Quellen zweiten Ranges, den Berichterstattern. Selbstverständlich ist, trotz ihrer naturgemäßen Subjektivität, schon die Charakterisierung philosophischer Richtungen durch Plato von großem Wert, weniger (vgl. § 19) die durch Xenophon. Die erste planmäßige, wenn auch durch seinen eigenen philosophischen Standpunkt stark beeinflußte Darstellung der Prinzipien seiner Vorgänger gab jedoch erst Aristoteles im ersten Buche seiner Metaphysik (c. 3-30). Seine Schule, die peripatetische, zeichnete sich durch zahlreiche Arbeiten ähnlicher Art aus, von denen jedoch nur eine (über Xenophanes, Zeno und Gorgias) und ein Abschnitt von Theophrasts Geschichte der naturphilosophischen Ansichten erhalten sind. Auch von der reichen doxographischen d.h. die Meinungen der Philosophen beschreibenden und erklärenden, übrigens vielfach mit Vorsicht aufzunehmenden Literatur der Alexandriner besitzen wir nur noch Auszüge Späterer. Aus nachchristlicher Zeit stammen die fälschlich unter Plutarchs Namen gehenden sogenannten Placita philosophorum (150 n. Chr.), sowie die Auszüge des Stobäus (um 500 n. Chr., gute Ausgabe von Wachsmuth, 1884). Das ausführlichste, aber auch unkritischste Werk sind des Laertius Diogenes (um 240 n. Chr.) 10 Bücher Über Leben und Lehren berühmter Philosophen (neue Ausgabe von Martini vorbereitet). Vieles findet sich außerdem beiden Römern Varro, Cicero, Lukrez, Seneka, bei den Griechen Plutarch, Galen und namentlich Sextus Empirikus, bei mehreren Neuplatonikern und Kirchenvätern und bei den Kommentatoren des Aristoteles, besonders Simplicius.

Die vollständigste bisherige Sammlung, die freilich kritische Genauigkeit vermissen läßt, bietet Mullach, Fragmenta philosophorum Graecorum. 3 Bde. 1860, 1867, 1881. Die griechischen Doxographen hat H. Diels (Doxographi Graeci, 1879) herausgegeben, ebenso die vorzügliche Sammlung: Die Vorsokratiker, griechisch und deutsch 1903, 2. Aufl. 1. Bd. 1906, 2. Bd. 1907 und 1910. Brauchbare Auszüge aus den Quellen gibt die Historia philosophiae Graeco- Romanae von Ritter und Preller, 8. Aufl. ed. Wellmann, Gotha 1898.

Von philosophiegeschichtlichen Werken außer den S. 7 f. genannten, von denen die 10. Auflage (1909) des I. Bandes von Ueberweg-Heinze durch den neuen Herausgeber Karl Praechter wesentlich gewonnen hat, heben wir als die bedeutendsten hervor:

Chr. A. Brandis, Handbuch der griechisch- römischen Philosophie, 3 Teile, 1835 ff., daneben die kürzere Geschichte der Entwickelungen der griechischen Philosophie etc., 1862 ff.

Ed. Zeller, Die Philosophie der Griechen, 1. Aufl., 1844-1852, jetzt in 3., 4. und zum Teil in 5. Aufl.; daneben der kurze Grundriß der Geschichte der griechischen Philosophie (317 S.), 10. Aufl. bearb. von F. Lortzing 1911.

W. Windelband, Geschichte der alten Philosophie, 3. Aufl. sorgfältig neubearbeitet von A. Bonhöffer, 1912.

P. Deussen, Die Philosophie der Griechen, 1911.

Ein Gesamtgemälde der griechischen Philosophie gibt das geistvolle, freilich stark persönlich gefärbte Werk von Th. Gomperz, Griechische Denker. Bd. I (Vorsokratik) 1896, 3. Aufl. 1911, Bd. II (Sokrates, Sokratiker, Plato) 1903, 3. Aufl. 1912, Bd. III (Aristoteles und seine Nachfolger) 1909.

Anregend durch Mitphilosophieren der Verfasser: E. Kühnemann, Grundlehren der Philosophie, Studien über Vorsokratiker, Sokrates und Platon, 1899. Kinkel, Geschichte der Philosophie, Bd. I und II (bis Plato inkl.) 1906, 1908. Eine kurze zusammenfassende Übersicht gibt H. v. Arnim in der S. 7 zitierten Kultur der Gegenwart.

Auch auf Th. Ziegler, Ethik der Griechen und Römer, (1881), Leop. Schmidt, Ethik der alten Griechen (Berlin 1881), Max Wundt, Geschichte der griechischen Ethik, Leipzig 1908, R. Pöhlmann, Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialismus, 2 Bde. 2. Aufl. 1912, und Krische, Die theologischen Lehren der griechischen Denker (Göttingen 1840) sei hingewiesen. Eigenartig, jedoch nicht ausgereift das Werk eines geborenen Griechen: Abr. Eleutheropulos, Die Philosophie und die Lebensauffassung des Griechentums auf Grund der gesellschaftlichen Zustände, 2 Bde. 1900.

Die zuverlässigste und reichhaltigste Bibliographie gibt Praechter in der neuesten Auflage von Überweg, Bd. I, in einem besonderen Anhang von 130 Seiten.


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