Kinder und Vögel sagen die Wahrheit


Ein Stuttgarter Kind schrieb:

.... Heute haben wir zum erstenmal Flieger, und die haben Bomben heruntergeworfen und wir in der Schule haben sie gehört. Dann hat unsere Lehrerin gesagt, wir sollen unter die Schulbänke herunterschlupfen, und die Lehrerin hat sich in den Kasten, wo sie die Kleider darin hatte, versteckt. Aber die Kinder haben alle geweint. Bloß drei Kinder haben nicht geweint, und ich. Die haben gesagt: O Mamale, o Mamale! Ich habe Kopfweh bekommen, mein Herz hat so arg geklopft und zittern hab' ich auch müssen, aber nicht geweint. Dann haben die Kinder gebetet und die Lehrerin auch. Ich wollte auch, aber ich konnte doch keines. Wir sind alle gesund geblieben, Großmutter und Großvater auch. Als ich zum Essen heimkam, war ich noch weiß vor Angst, dass Großmutter, die sich doch nicht schnell verstecken kann und nicht bücken und unter das Sofa und unter alles zu dick ist, schon tot wäre ....

Eine Zeitung in Dunkerque brachte den Bericht eines englischen Soldaten:

.... Die Gasbomben sind eine fürchterliche Waffe der Deutschen. Merkwürdigerweise künden uns die Vögel den Angriff jener an. Häufig riechen wir die Gasdämpfe noch gar nicht, da verlassen die schlafenden Vögel schon die Zweige, auf denen sie gesessen sind, fliegen unruhig hin und her und piepen ängstlich. Solcherweise werden wir beinahe regelmäßig gewarnt und haben Zeit, Maßregeln zu treffen ....

Und die Menschen, die erwachsenen, wissen noch immer nicht, was sie tun.

 

 

Dezember, 1915.


 © textlog.de 2004 • 27.07.2024 03:58:09 •
Seite zuletzt aktualisiert: 16.01.2007 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright Die Fackel: » Glossen » Gedichte » Aphorismen » Notizen