Zweites Kapitel
Die Symbolik der Erhabenheit


Die rätsellose Klarheit des aus sich selbst sich adäquat gestaltenden Geistes, welche das Ziel der symbolischen Kunst ist, kann nur dadurch erreicht werden, daß zunächst die Bedeutung für sich, abgetrennt von der gesamten erscheinenden Welt, ins Bewußtsein tritt. Denn in der unmittelbar angeschauten Einheit beider lag die Kunstlosigkeit bei den alten Parsen, der Widerspruch der Trennung und dennoch geforderten unmittelbaren Verknüpfung brachte die phantastische Symbolik der Inder hervor, während auch in Ägypten noch die vom Erscheinenden losgelöste freie Erkennbarkeit des Innerlichen und an und für sich Bedeutenden fehlte und den Grund für das Rätselhafte und Dunkle des Symbolischen abgab.

Das erste durchgreifende Reinigen nun und ausdrückliche Abscheiden des Anundfürsichseienden von der sinnlichen Gegenwart, d. i. von der empirischen Einzelheit des Äußeren, ist in der Erhabenheit zu suchen, welche das Absolute über jede unmittelbare Existenz hinaushebt und dadurch die zunächst abstrakte Befreiung zustande bringt, welche wenigstens die Grundlage des Geistigen ist. Denn als konkrete Geistigkeit wird die so erhobene Bedeutung noch nicht aufgefaßt, aber sie ist doch betrachtet als das in sich seiende und beruhende Innere, das seiner Natur nach unfähig ist, in endlichen Erscheinungen seinen wahrhaften Ausdruck zu finden.

Kant hat das Erhabene und Schöne auf sehr interessante Weise unterschieden, und was er im ersten Teile der Kritik der Urteilskraft vom § 20 an darüber ausführt, behält bei aller Weitschweifigkeit und der zugrunde gelegten Reduktion aller Bestimmungen auf das Subjektive, die Vermögen des Gemüts, der Einbildungskraft, Vernunft usf. immer noch sein Interesse. Diese Reduktion muß ihrem allgemeinen Prinzip nach in der Beziehung für richtig erkannt werden, daß die Erhabenheit - wie Kant sich ausdrückt - in keinem Dinge der Natur, sondern nur in unserem Gemüte enthalten sei, sofern wir der Natur in uns und dadurch auch der Natur außer uns überlegen zu sein uns bewußt werden. In diesem Sinne meint Kant, »das eigentlich Erhabene kann in keiner sinnlichen Form enthalten sein, sondern trifft nur Ideen der Vernunft, welche, obgleich keine ihnen angemessene Darstellung möglich ist, eben durch diese Unangemessenheit, welche sich sinnlich darstellen läßt, rege gemacht und ins Gemüt gerufen werden« (Kritik der Urteilskraft, 3. Aufl., S. 77 [§ 23]). Das Erhabene überhaupt ist der Versuch, das Unendliche auszudrücken, ohne in dem Bereich der Erscheinungen einen Gegenstand zu finden, welcher sich für diese Darstellung passend erwiese. Das Unendliche, eben weil es aus dem gesamten Komplex der Gegenständlichkeit für sich als unsichtbare, gestaltlose Bedeutung herausgesetzt und innerlich gemacht wird, bleibt seiner Unendlichkeit nach unaussprechbar und über jeden Ausdruck durch Endliches erhaben.

Der nächste Inhalt nun, welchen die Bedeutung hier gewinnt, ist der, daß sie der Totalität des Erscheinenden gegenüber das in sich substantielle Eine sei, das selbst als reiner Gedanke nur für den reinen Gedanken ist. Deshalb hört diese Substanz jetzt auf, an einem Äußerlichen ihre Gestaltung haben zu können, und insofern verschwindet der eigentlich symbolische Charakter. Soll nun aber dies in sich Einige vor die Anschauung gebracht werden, so ist dies nur dadurch möglich, daß es als Substanz auch als die schöpferische Macht aller Dinge gefaßt wird, an denen es daher seine Offenbarung und Erscheinung und somit ein positives Verhältnis zu denselben hat. Zugleich aber ist seine Bestimmung ebensosehr, daß ausgedrückt werde, die Substanz erhebe sich über die einzelnen Erscheinungen als solche wie über deren Gesamtheit, wodurch sich denn im konsequenteren Verlauf die positive Beziehung zu dem negativen Verhältnis umsetzt, von dem Erscheinenden als einem Partikulären und deshalb der Substanz auch nicht Angemessenen und in ihr Verschwindenden gereinigt zu werden.

Dieses Gestalten, welches durch das, was es auslegt, selbst wieder vernichtet wird, so daß sich die Auslegung des Inhalts zugleich als ein Aufheben des Auslegens zeigt, ist die Erhabenheit, welche wir daher nicht, wie Kant es tut, in das bloß Subjektive des Gemüts und seiner Vernunftideen hineinverlegen dürfen, sondern in der einen absoluten Substanz als dem darzustellenden Inhalt begründet auffassen müssen.

Die Einteilung nun der Kunstform des Erhabenen läßt sich gleichfalls aus dem soeben angedeuteten doppelten Verhältnis der Substanz als Bedeutung zu der erscheinenden Welt entnehmen.

Das Gemeinschaftliche in diesem auf der einen Seite positiven, auf der anderen negativen Bezüge liegt darin, daß die Substanz über die einzelne Erscheinung, an der sie zur Darstellung gelangen soll, erhoben wird, obschon sie nur in Beziehung auf das Erscheinende überhaupt kann ausgesprochen werden, da sie als Substanz und Wesenheit in sich selbst gestaltlos und der konkreten Anschauung unzugänglich ist.

Als die erste affirmative Auffassungsweise können wir die pantheistische Kunst bezeichnen, wie sie teils in Indien, teils in der späteren Freiheit und Mystik der mohammedanischen persischen Dichter vorkommt und bei vertiefterer Innigkeit des Gedankens und Gemüts auch in dem christlichen Abendlande sich wiederfindet.

Der allgemeinen Bestimmung nach wird auf dieser Stufe die Substanz als immanent in allen ihren erschaffenen Akzidenzien angeschaut, welche deshalb noch nicht als dienend und als bloßer Schmuck zur Verherrlichung des Absoluten herabgesetzt sind, sondern sich durch die innewohnende Substanz affirmativ erhalten, obschon in allem Einzelnen nur das Eine und Göttliche soll vorgestellt und erhoben werden, wodurch auch der Dichter, der in allem dies Eine erblickt und bewundert und wie die Dinge so auch sich selber in diese Anschauung versenkt, ein positives Verhältnis zu der Substanz, mit der er alles verknüpft, zu bewahren imstande ist.

Das zweite negative Preisen der Macht und Herrlichkeit des einen Gottes treffen wir als die eigentliche Erhabenheit in der hebräischen Poesie. Sie hebt die positive Immanenz des Absoluten in den erschaffenen Erscheinungen auf und stellt die eine Substanz für sich als den Herrn der Welt auf die eine Seite, der gegenüber die Gesamtheit der Geschöpfe dasteht und, in Beziehung auf Gott gebracht, als das in sich selbst Ohnmächtige und Verschwindende gesetzt ist. Soll nun die Macht und Weisheit des Einen durch die Endlichkeit der Naturdinge und menschlichen Schicksale zur Darstellung kommen, so finden wir jetzt kein indisches Verzerren zur Ungestalt des Maßlosen mehr, sondern die Erhabenheit Gottes wird der Anschauung dadurch nähergebracht, daß, was da ist, mit all seinem Glanz, seiner Pracht und Herrlichkeit nur als ein dienendes Akzidens und ein vorübergehender Schein in Vergleich mit Gottes Wesen und Festigkeit dargestellt ist.


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