1. Das Rätsel


Das eigentliche Symbol ist an sich rätselhaft, insofern die Äußerlichkeit, durch welche eine allgemeine Bedeutung zur Anschauung kommen soll, noch verschieden bleibt von der Bedeutung, die sie darzustellen hat, und es deshalb dem Zweifel unterworfen ist, in welchem Sinne die Gestalt genommen werden müsse. Das Rätsel aber gehört der bewußten Symbolik an und unterscheidet sich von dem eigentlichen Symbol sogleich dadurch, daß die Bedeutung von dem Erfinder des Rätsels klar und vollständig gewußt und die verhüllende Gestalt, durch welche sie erraten werden soll, daher absichtlich zu dieser halben Verhüllung auserwählt ist. Die eigentlichen Symbole sind vor- und nachher unaufgelöste Aufgaben, das Rätsel dagegen ist an und für sich gelöst, weshalb denn auch Sancho Panza ganz richtig sagt: er habe es viel lieber, wenn ihm erst das Auflösungswort und dann das Rätsel gegeben werde.

a) Das erste beim Erfinden des Rätsels also, wovon ausgegangen wird, ist der gewußte Sinn, die Bedeutung desselben.

b) Sodann aber zweitens werden einzelne Charakterzüge und Eigen- schaften aus der sonst bekannten äußeren Welt, welche, wie in der Natur und Äußerlichkeit überhaupt, zerstreut auseinanderliegen, in disparater und dadurch frappanter Weise zusammengestellt. Dadurch fehlt ihnen die subjektive zusammenfassende Einheit, und ihre absichtliche Aneinanderreihung und Verknüpfung hat als solche an und für sich keinen Sinn; obgleich sie andererseits ebensosehr auf eine Einheit hinweisen, in bezug auf welche auch die scheinbar heterogensten Züge dennoch wieder Sinn und Bedeutung erhalten.

c) Diese Einheit, das Subjekt jener zerstreuten Prädikate, ist eben die einfache Vorstellung, das Wort der Lösung, das aus dieser dem Anschein nach verwirrten Verkleidung heraus zu erkennen oder zu erraten die Aufgabe des Rätsels ausmacht. Das Rätsel in dieser Beziehung ist der bewußte Witz der Symbolik, welcher den Witz des Scharfsinns und die Beweglichkeit der Kombination auf die Probe stellt und seine Darstellungsweise, indem sie zum Erraten des Rätselhaften führt, sich durch sich selber zerstören läßt.

Hauptsächlich gehört es deshalb der Kunst der Rede an, doch auch in den bildenden Künsten, in der Architektur, Gartenkunst, Malerei kann es Platz finden. Der geschichtlichen Erscheinung nach fällt es vornehmlich in das Morgenland, in die Zwischenzeit und Übergangsperiode von der dumpferen Symbolik zu bewußterer Weisheit und Allgemeinheit. Ganze Völker und Epochen haben an solchen Aufgaben ihr Ergötzen gehabt. Auch im Mittelalter bei den Arabern, den Skandinaviern und in der deutschen Poesie in dem Sängerkriege auf der Wartburg z. B. spielt es eine große Rolle. In der neueren Zeit ist es mehr zur Unterhaltung und zum bloß gesellschaftlichen Witz und Spaß heruntergesunken.

An das Rätsel können wir jenes unendlich breite Feld witziger, frappierender Einfalle sich anschließen lassen, welche als Wortspiel, Sinngedicht in Rücksicht auf irgendeinen gegebenen Zustand, Vorfall, Gegenstand zur Ausbildung kommen. Hier steht auf der einen Seite irgendein gleichgültiges Objekt, auf der anderen ein subjektiver Einfall, der unvermutet mit treffender Schärfe eine Seite, eine Beziehung heraushebt, welche vorher an dem Gegenstande, wie er vorlag, nicht erschien und denselben durch die neue Bedeutsamkeit in ein anderes Licht stellt.


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