§ 34. Die Vernunft


Da die in diesem Kapitel in Betrachtung genommene Klasse von Vorstellungen dem Menschen allein zukommt, und da alles Das, was sein Leben von dem der Tiere so mächtig unterscheidet und ihn so sehr in Vorteil gegen sie stellt, nachgewiesenermaßen auf seiner Fähigkeit zu diesen Vorstellungen beruht; so macht diese, offenbar und unstreitig, jene Vernunft aus, welche von jeher als das Vorrecht des Menschen gerühmt worden ist; wie denn auch alles Das, was zu allen Zeiten und von allen Völkern ausdrücklich als Äußerung oder Leistung der Vernunft, des logos, logimon, logistikon, ratio, la ragione, la razon, la raison, reason, betrachtet worden, augenfällig zurückläuft auf das nur der abstrakten, diskursiven, reflektiven, an Worte gebundenen und mittelbaren Erkenntnis, nicht aber der bloß intuitiven, unmittelbaren, sinnlichen, deren auch die Tiere teilhaft sind, Mögliche. Ratio et oratio stellt Cicero, de offic. I, 16, ganz richtig zusammen und beschreibt sie als quae docendo, discendo, communicando, disceptando, judicando, conciliat inter se homines u.s.w. Eben so de nat. deor. II, 7: rationem dico, et, si placet, pluribus verbis, mentem, consilium, cogitationem, prudentiam. Auch de legib. I, 10: ratio, qua una praestamus beluis, per quam conjectura valemus, argumentamur, refellimus, disserimus, conficimus aliquid, concludimus. In diesem Sinne aber haben alle Philosophen überall und jederzeit von der Vernunft geredet, bis auf Kant, welcher übrigens selbst sie noch als das Vermögen der Prinzipien und des Schließens bestimmt; wiewohl nicht zu leugnen ist, dass er Anlaß gegeben hat zu den nachherigen Verdrehungen. Über jene Übereinstimmung aller Philosophen in diesem Punkt, und über die wahre Natur der Vernunft, im Gegensatz der Verfälschung ihres Begriffs durch die Philosophieprofessoren in diesem Jahrhundert, habe ich schon ausführlich geredet in der Welt a. W. und V. Bd. I, § 8, wie auch im Anhange S. 577-585, und abermals Bd. 2, Kap. 6; endlich auch in den Grundprobl. d. Ethik S. 148-154, brauche also nicht alles dort Gesagte zu wiederholen; sondern knüpfe daran folgende Betrachtungen.


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