Denken


[B 303] Es ist eine Frage, welches schwerer ist, zu denken oder nicht zu denken. Der Mensch denkt aus Trieb, und wer weiß nicht, wie schwer es ist einen Trieb zu unterdrücken. Die kleinen Geister verdienen also wirklich die Verachtung nicht, mit der man [ihnen] nun in allen Landen zu begegnen anfängt.

 

[D 422] Wenn wir mehr selbst dächten, so würden wir sehr viel mehr schlechte und sehr viel mehr gute Bücher haben.

 

[F 436] Man empfiehlt Selbst-Denken oft nur, um die Irrtümer anderer beim Studieren von Wahrheit zu unterscheiden. Es ist ein Nutzen aber ist das alles? wie viel unnötiges Lesen wird uns erspart. Ist denn Lesen Studieren: Es hat jemand mit großem Grunde der Wahrheit behauptet, dass die Buchdruckerei Gelehrsamkeit zwar mehr ausgebreitet, aber im Gehalt vermindert hätte. Das viele Lesen ist dem Denken schädlich. Die größten Denker, die mir vorgekommen sind, waren gerade unter allen den Gelehrten, die ich habe kennen gelernt, die, die am wenigsten gelesen hatten. Ist denn Vergnügen der Sinne gar nichts?

 

[F 438] Wenn man die Menschen lehrt, wie sie denken sollen, und nicht ewig hin, was sie denken sollen: so wird auch dem Mißverständnis vorgebeugt. Es ist eine Art von Einweihung in die Mysteria der Menschheit. Wer im eignen Denken auf einen sonderbaren Satz stößt, kommt wohl wieder davon ab, wenn er falsch ist. Ein sonderbarer Satz hingegen, der von einem Mann von Ansehen gelehrt wird, kann Tausende, die nicht untersuchen, irre führen. Man kann nicht vorsichtig genug sein in Bekanntmachung eigner Meinungen, die auf Leben und Glückseligkeit hinaus laufen, hin gegen nicht emsig genug, Menschen-Verstand und Zweifel einzuschärfen. Hieher gehört die auf der gegenüberstehenden Seite angeführte Sentenz every man's reason is every man's oracle.

 


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