Uz, Lyrische Gedichte


Greifswald. In des hiesigen Buchhändlers, Joh. Jacob Weitbrechts, Verlage sind auf 3 1/2 Bogen in groß Oktav sehr ansehnlich gedruckt vor kurzem herausgekommen: Lyrische Gedichte [von Johann Peter Uz]. Der Verleger hat, aus ihm vielleicht selbst unbekannten Ursachen, für gut befunden, Berlin auf den Titel zu setzen. Der lyrische Dichter hat, wie er in dem Vorberichte sagt, diese kleinen Gedichte in der Absicht herausgegeben, damit er das Urteil der Kenner erfahren, und wissen möge, ob er zur höhern Ode geschickt sei. Wir hoffen, dass die Kenner mit uns der gänzlichen Meinung sein werden, dass er vollkommen dazu geschickt sei, da er in diesen kleinen Gedichten das Zärtliche mit dem Erhabenen so glücklich zu verbinden gewußt hat, da andere, wenn sie scherzen und zärtlich schreiben wollen, oft im Staube kriechen. Ohne fernere Betrachtungen wollen wir folgendes daraus hierher setzen.

 

Ein Traum

 

O Traum, der mich entzücket!

Was hab ich nicht erblicket!

Ich warf die müden Glieder

In einem Tale nieder,

Wo einen Teich, der silbern floß,

Ein schattichtes Gebüsch umschloß.

 

Da sah ich durch die Sträuche

Mein Mädchen bei dem Teiche.

Das hatte sich zum Baden

Der Kleider meist entladen,

Bis auf ein untreu weiß Gewand,

Das keinem Lüftchen widerstand.

 

Der freie Busen lachte,

Den Jugend reizend machte.

Mein Blick blieb sehnend stehen

Bei diesen regen Höhen,

Wo Zephyr unter Lilien blies

Und sich die Wollust greifen ließ.

 

Sie fing nun an, o Freuden!

Sich vollends auszukleiden.

Doch, ach! indems geschiehet,

Erwach ich, und sie fliehet.

O schlief ich doch von neuem ein!

Nun wird sie wohl im Wasser sein.


 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 05:35:41 •
Seite zuletzt aktualisiert: 27.02.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright