Ehe


Man hüte sich vor der Ehe. Braut und Bräutigam geloben einander Liebe für immer und ewig. Das ist freilich gar nicht so schwer, hat aber auch nicht viel zu bedeuten. Versprächen sie sich jedoch Liebe und Treue nicht für immer und ewig, sondern etwa bis Ostern oder bis zum ersten Mai künftigen Jahres, so hätten ihre Worte noch Sinn, denn das kann man möglicherweise halten. Wie geht's denn in der Ehe? Nach kurzer Zeit merkt der eine Teil, dass es nicht so ist, wie es sein müßte; nun klagt der andere Teil und schreit es so laut, dass es alle hören können: Untreu, untreu! Nach einiger Zeit kommt der andere Teil zum selben Resultat, und es wird eine Neutralität arrangiert, bei welcher die gegenseitige Untreue zu gemeinsamer Zufriedenheit quittiert. Denn eine Scheidung ist ja mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Wenn es sich so mit der Ehe verhält, ist's da zu verwundern, dass man sie mit den verschiedensten moralischen Stützen zu halten sucht? Will sich einer von seinem Weibe scheiden lassen, so ruft man: er ist ein niedriger, gemeiner Mensch, ein Schurke u.s.w. Wie töricht! Ja, ist's nicht geradezu ein indirekter Angriff auf die Ehe selber? Entweder ist die Ehe in sich selber eine Realität, und dann ist er ja genügend gestraft, wenn das Verhältnis gelöst wird; oder sie hat keine Realität, und dann ist's ungereimt, ihn zu schmähen, weil er weiser denn andere ist. Wenn jemand seines Geldes überdrüssig geworden ist und es aus dem Fenster wirst, wird gewiß niemand sagen, er sei ein niedriger, gemeiner Mensch; denn entweder ist das Gelb etwas Reales, und dann ist er ja genügend gestraft, wenn er sich desselben beraubt hat, oder nicht, und dann ist er ein weiser Mann gewesen.

Man muß sich immer hüten, ein Lebensverhältnis einzugehen, durch welches aus einem mehrere werden können. Deshalb ist schon die Freundschaft gefährlich, aber noch viel gefährlicher die Ehe. Wohl sagt man, dass Mann und Weib eins werden; aber das ist eine sehr dunkle und mystische Rede. Sind aus einem mehrere geworden, so hat der eine seine Freiheit ver-loren und kann nicht mehr reisen, wann er will, kann nicht mehr unstet umher schwärmen. Hat man eine Frau, so ist es schwierig; hat man Frau und vielleicht Kinder, so ist es beschwerlich; hat man Frau und Kinder, geradezu unmöglich. Wohl wird erzählt, eine Zigeunerin habe ihren Mann auf dem Rücken durchs Leben getragen, aber einerseits ist das eine Seltenheit, und anderseits auf die Dauer ermüdend - ich meine für den Mann, Außerdem gerät man durch die Ehe in eine höchst fatale Kontinuität mit Sitten und Gebräuchen, und diese haben wie Wind und Wetter immer etwas Unbestimmtes. In Japan ist es z.B., soviel ich weiß, Sitte und Gebrauch, dass auch die Männer in Wochen kommen. Warum könnte nicht die Zeit kommen, dass Europa die Sitten fremder Länder bei sich einführen wollte?

Die Freundschaft ist schon gefährlich, die Ehe noch viel mehr. Denn das Weib ist und bleibt doch des Mannes Ruin, sobald man ein dauerndes Verhältnis mit ihr eingeht. Nimm einen jungen Mann, feurig wie ein arabisches Pferd, laß ihn heiraten, und er ist verloren. Zuerst ist das Weib stolz, dann - schwach. Sie wird ohnmächtig, dann er, schließlich die ganze Familie. Eines Weibes Liebe ist nur Verstellung und Schwachheit.

Weil man aber nicht heiraten will, braucht das Leben noch nicht ohne Erotik zu sein. Auch das Erotische muß eine Unendlichkeit haben, aber eine poetische Unendlichkeit, die sich ebensosehr in einer Stunde wie in einem Monat denken läßt wenn zwei Menschen sich in einander verlieben und meinen, dass sie für einander bestimmt sind, dann gilt's: Mut haben und auseinandergehen; denn bleiben sie bei einander, so können sie nur alles verlieren, nichts gewinnen. Das scheint ein Paradoxon zu sein und ist's auch für das Gefühl, aber nicht für den Verstand. Auf diesem Gebiet kommt es ganz besonders darauf an, dass man Stimmungen zu verwenden weiß; dadurch ist eine unerschöpfliche Abwechselung von Kombinationen gegeben.


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