3. Bewegtes und bewegende Ursache
(Gott)


Der Übergang aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit ist notwendigerweise mit Bewegung (kinêsis) verbunden, d.h. nicht räumlicher Bewegung, sondern Veränderung, von der die Ortsbewegung nur einen Einzelfall bildet (vgl. § 31). Bewegung ist noch unvollendete Wirklichkeit, wie z.B. das Gehen, Lernen, Bauen, Abnagen im Gegensatz zum Gegangen sein, Wissen usw. Wie alles in der Erfahrung, so muß auch das Bewegte seine Ursache haben. Verfolgen wir nun diese immer weiter zurück, so gelangen wir, da Raum und Zeit ohne Anfang und Ende sind, schließlich zu einem immateriellen »ersten Bewegenden « (prôton kinoun), das, selbst unbewegt und unbeweglich, ein einziges, schlechthin vollkommenes, unkörperliches, also vernünftiges Wesen ist, d. i. die Gottheit oder der göttliche Geist (nous). Für ihn nimmt Aristoteles alle die Eigenschaften in Anspruch, die Plato seiner Idee des Guten beigelegt hatte: ewig, unveränderlich, für sich, getrennt von allem Übrigen und doch die Ursache desselben. Aber es fehlt ganz das Ethische. Diese mit der reinen Form identische Gottheit, diese rein in sich selbst ruhende Tätigkeit (Energie) ist zwar das Höchste und Beste, aber doch nur als mit sich selbst und der Betrachtung seines Wesens beschäftigtes reines Denken, »Denken des Denkens« (noêsis noêseôs). Der göttliche Geist bedarf keines Menschen und keines Dinges, die Welt sehnt sich vielmehr nach ihm. Er genügt sich selbst und hat keinen anderen Zweck als sich selbst. Seine Selbstbetrachtung (theôria) bildet seine ewige Seligkeit.

So erscheint hier zum erstenmal der Monotheismus begrifflich formuliert, zwar mit einzelnen pantheistischen Zügen, aber im ganzen doch im Unterschiede von Xenophanes (§ 4) in der theistischen Form der Außerweltlichkeit Gottes, und im Gegensatz zu Plato und noch mehr zu Sokrates nicht sittlich, sondern rein verstandesmäßig (intellektualistisch), daher auch recht kalt und nüchtern gedacht.

Alles Unvollkommene strebt zum Vollkommenen hin, alles Werden ist um des Seins (Wesens) willen (tês ousias) vorhanden. So kommen wir zu dem wichtigsten der vier aristotelischen Grundprinzipien, dem


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