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II. [Anwendung auf die Bindung durch das ökonomische Interesse]

 

Für unseren Zusammenhang handelt es sich darum, daß diese Idealbildung und die fragmentarischen Annäherungen der Wirklichkeit an sie durch den Geldbegriff ermöglicht werden. Die Gesamtheit der wirtschaftlichen Situationsmomente wird erst dann restlos für die Preisbestimmung verwendet werden können, wenn für sie alle ein gleichmäßiger Wertausdruck besteht. Erst die Reduktion auf einen gemeinsamen Nenner stiftet die Einheit zwischen allen Elementen der individuellen Lagen, die ihre Zusammenwirksamkeit, nach gerechten Maßen, zu der Bestimmung der Preise gestattet. Es ist die großartige Leistung des Geldes, durch die Nivellierung des Mannigfaltigsten gerade jeder individuellen Komplikation die angemessenste Ausprägung und Wirksamkeit zu ermöglichen - als müßten alle spezifischen Formen erst in das allen gemeinsame Urelement zurückgebildet werden, um die völlige Freiheit zu individueller. Neugestaltung zu gewähren; diese Leistung ist die Voraussetzung für einen Entwicklungsgang, der aus den Preisen der Dinge alles Starre, die Einzelsituation Vergewaltigende hinwegläutern will und dies mit einer gewissen Vehemenz in dem Sozialprinzip der ungleichen Preise ausdrückt - die aber im Verhältnis zu der Lage der Konsumenten gerade relative Gleichheit haben und damit die subjektiven Bedingungen, durch die Totalität ihres Einbezogenseins, nach einem Prinzip von völliger Objektivität formen. Alle Objektivität beginnt für das Bewußtsein mit dem unbedingten Gegensatz gegen das Subjekt, die Unterscheidung kann gar nicht scharf genug sein, um das Objekt aus seiner naiven oder verworrenen Einheit mit dem Subjekt zu erlösen; die höhere Entwicklungsstufe des Geistes zeitigt dann erst wieder den umfassenden Begriff der Objektivität, der das Subjekt in sich einbezieht; er braucht diesen Gegensatz in seiner Unmittelbarkeit nicht mehr, um in sich fest und eindeutig zu sein, sondern macht im Gegenteil das Subjekt selbst zum Bestandteil eines objektiven Bildes der Welt oder eines ihrer Aspekte.

Die frühere Formulierung, in die auch diese Entwicklung einzustellen ist: daß das Geld Haben und Sein gegeneinander verselbständigt - läßt das Geld doch nur einen Prozeß am entschiedensten ausdrücken und vergleichsweise abschließen, der sich schon auf ändern Stufen des geschichtlichen Lebens vollzieht. Solange die Gentilverfassung bestand, war ohne weiteres eine unerschütterte Verbindung des Einzelnen mit dem Grund und Boden gegeben. Denn die Gens war einerseits die Obereigentümerin des Bodens und schmolz andrerseits den Einzelnen völlig in ihre Interessen ein; sie bildete so das Band, das sein Sein mit seinem Haben, das allerdings noch kein individualistisches war, verband. Die darauf folgende Verwandlung des Bodens in Privateigentum, so sehr sie gerade Person und Besitz zu verbinden schien, löste dennoch jenen prinzipiellen Zusammenhang zwischen ihnen, indem nun jede beliebige Aktion mit dem Besitz möglich wurde. Die eindringende Geldwirtschaft hat zu erst in den mittelalterlichen Städten bewirkt, daß man den Boden belasten, Renten auf ihn aufnehmen konnte, ohne daß die Person des Besitzers dadurch betroffen und in ihrer sozialen Stellung herabgesetzt worden wäre. Die Geldwirtschaft trieb den Boden und den Eigentümer als Person so weit auseinander, daß eine Beschränkung des vollen Eigen, wie sie in der Hypothek lag, nicht mehr wie früher als eine Deteriorierung des Eigentümers empfunden wurde. Die Hypothezierung und der Verkauf erscheinen nur als die äußersten und allerdings erst durch das Geld möglichen Folgen jener Trennung zwischen der Person und dem Grund und Boden; begonnen aber hatte dieser Prozeß schon vor dem Gelde und mit dem Augenblick, als die Gentilverfassung sich löste. Ähnlich liegt es mit der späteren Entwicklung, die die patriarchalische Verfassung in den Rechtsstaat mit Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetz überführte. Auch sie bedeutet eine Lösung des Seins vom Haben und des Habens vom Sein: die Stellung wird nicht mehr durch den Landbesitz bestimmt, der Besitz andrerseits nicht mehr durch die Zugehörigkeit zu der adligen Klasse. Eine ganze Anzahl von gesellschaftlichen Bewegungen drängt auf dieses Resultat: die Schwächung des Adels durch den quantitativen Zuwachs der unteren Stände, die Arbeitsteilung in diesen, die einerseits eine Art Aristokratie unter ihnen erzeugt, andrerseits sie dem Landadel unentbehrlicher macht, die größere Bewegungsfreiheit der nicht an den Grundbesitz gebundenen Stände usw. All diese Kräfte mußten z.B. am Ende des »griechischen Mittelalters« wirksam werden, als zudem Seehandel und Kolonialbewegung sich entwickelt und Athen seit dem 7. Jahrhundert die wirtschaftliche Oberhand gewinnt lindem nun die Geldwirtschaft hinzukommt, vollendet sie nur diesen Prozeß; der Grundbesitzer bedarf nun gleichfalls des Geldes, um mit den reichen Emporkömmlingen in einer Reihe zu bleiben, das Geld, als Hypothek, als Erlös der Produkte oder gar des Landes selbst schiebt sich zwischen ihn und seinen Besitz, und indem es ihn so von der qualitativen Bestimmtheit dieses unabhängiger macht, eben damit auch dem Besitz seine personale Färbung nimmt, bewirkt es zugleich eine wachsende Gleichberechtigung zwischen ihm und den ändern Ständen. Das Prinzip des gleichen Rechtes für alle, wie es in den griechischen Demokratien schließlich herrschend wurde, spricht so die Lösung jener besonderen Bestimmtheit aus, die sonst vom Haben auf das Sein und umgekehrt ausstrahlte; aber auch hier stellt sich die Geldwirtschaft nur dar als der mächtigste, gleichsam als der bewußteste Faktor und Ausdruck einer auf viel breiterer Basis angelegten Bewegung. Und in den germanischen Verhältnissen sehen wir für die älteste Zeit, daß der Landbesitz nicht ein unabhängiges Objekt betraf, sondern die Folge der persönlichen Zugehörigkeit des Einzelnen zu seiner Markgemeinde war. Das Land war nicht an und für sich ein derart qualifiziertes Objekt, daß mit seinem Besitz sich nun das Individuum seine Bedeutungen und Folgen angeeignet hätte: sondern weil die Persönlichkeit diese bestimmte Bedeutung hatte, wurde ein bestimmter Landbesitz an sie geknüpft. Diese personale Bindung aber war schon im 10. Jahrhundert verschwunden, und an ihre Stelle war eine Selbständigkeit des Grundes und Bodens getreten, die man fast als eine Personifikation desselben bezeichnen könnte. Damit war die Tendenz eingeleitet, ihn zu zerschlagen und in alle Ruhelosigkeit des wirtschaftlichen Lebens hineinzuziehen; und als diese Tendenz schließlich ihre Grenze an der von seinem Wesen untrennbaren Stabilität fand, trat das Geld, das der Persönlichkeit fremdeste Wirtschaftsobjekt, an seine Stelle. Aber es war doch eben nur die geeignetste Substanz für den restlosen Ausdruck jener Trennung zwischen Sein und Haben, die sich schon vorher an den Verhältnissen des Bodenbesitzes auszuprägen begonnen hatte. Endlich zeigt das 13. Jahrhundert dieselbe Erscheinung von der ändern Seite her und am ändern Ende der sozialen Leiter. Diese Zeit hat die bäuerliche Freiheit auf einen sehr hohen Stand gehoben, wesentlich im deutschen Osten, dessen Kolonisation mit freien Bauern geschah, und zwar in engem Zusammenhange mit der damals relativ hoch ausgebildeten Geldwirtschaft. Nach kurzer Zeit indessen erfolgte ein Umschwung: die Grundherrschaft breitete sich aus, insbesondere im Osten der Elbe, und strebte mit Erfolg dahin, den Bauer an die Scholle zu binden; zugleich aber wurden die geldwirtschaftlichen wieder durch naturalwirtschaftliche Verhältnisse verdrängt. Die Fesselung des Bauern an seine ökonomische Stellung, seines Seins an sein Haben, geht hier dem Sinken der Geldwirtschaft parallel. Und wenn dies letztere Phänomen auch als Ursache des ersteren angesprochen worden ist, so ist es doch sicher nur die hervorstechendste des ganzen Komplexes von Ursachen, die damals zur Bildung der Grundherrschaften führten. Wenn das Geld an und für sich, als Besitzobjekt betrachtet, gleichsam durch eine Isolierschicht vom Sein des Besitzenden getrennt ist, so stellt es in der historischen Beziehung zwischen Haben und Sein das entschiedenste und entscheidendste, ich möchte sagen symptomatischste unter den Momenten dar, die den weltgeschichtlichen Wechsel zwischen Kontraktion und Lockerung jener Beziehung veranlassen. -

 


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