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III. [Differenzierung von Person und Besitz: räumliche Distanzierung und technische Objektivierung durch das Geld]

 

[Differenzierung von Person und Besitz: räumliche Distanzierung und technische Objektivierung durch das Geld. Die Trennung der Gesamtpersönlichkeit von ihren einzelnen Leistungen und deren Folgen für die Leistungsäquivalente. Verselbständigung des Individuums der Gruppe gegenüber und neue Assoziationsformen vermöge des Geldes; der Zweckverband. Allgemeine Beziehungen zwischen der Geldwirtschaft und dem Prinzip des Individualismus.]

 

Innerhalb der Geistesgeschichte begegnet uns eine Entwicklung, die, so einfach ihr Schema ist, durch ihre umfassende und tiefgreifende Verwirklichung zu dein bedeutsamsten Formen der geistigen Realität gehört. Wir finden nämlich gewisse Gebiete zuerst von je einem Charakterzuge uneingeschränkt beherrscht; die Entwicklung zerspaltet die Einheitlichkeit des einzelnen in mehrere Teilgebiete, von welchen nun eines den Charakter des Ganzen im engeren Sinne und im Gegensatz gegen die anderen Teile repräsentiert. Oder, anders ausgedrückt: bei allem relativen Gegensatz zweier Elemente eines Ganzen können doch beide den Charakter des einen von ihnen, aber in absoluter Form, gemeinsam tragen. So könnte z.B. der moralphilosophische Egoismus recht haben, daß wir überhaupt nicht anders als im eigenen Interesse und um persönlicher Lust willen handeln können. Dann aber müßte weiterhin zwischen einem Egoismus im engeren und einem im weiteren Sinne unterschieden werden; wer seinen Egoismus an dem Wohlergehen anderer, etwa unter Aufopferung des eignen Lebens, befriedigt, den würden wir zweifellos weiter einen Altruisten nennen und ihn von demjenigen unterscheiden, dessen Handeln nur auf Schädigung und Unterdrückung anderer geht; diesen müssen wir als den Egoisten schlechthin bezeichnen, so sehr der Egoismus, in seiner absoluten und weitesten Bedeutung sich mit jedem Handeln als solchem deckend, auch jenen ersteren einschließen mag. - Ferner: die erkenntnistheoretische Lehre, daß alles Erkennen ein rein subjektiver, ausschließlich im Ich verlaufender und vom Ich bestimmter Prozeß ist, mag ihre Richtigkeit haben; dennoch unterscheiden wir nun solche Vorstellungen, die objektiv wahr sind, von den nur subjektiv, durch Phantasie, Willkür, Sinnestäuschung erzeugten - wenngleich, absolut genommen, auch jene objektiveren Erkenntnisse bloß subjektiver Provenienz sein mögen. Die Entwicklung geht auf immer gründlichere, bewußtere Scheidung zwischen den objektiven und den subjektiven Vorstellungen, die sich ursprünglich in einem unklaren psychologischen Indifferenzzustand bewegten. An dem Verhältnis des Menschen zu seinem Besitz scheint sich diese Fortschrittsform zu wiederholen. Prinzipiell angesehen ist jeder Besitz eine Erweiterung des Ich, eine Erscheinung innerhalb des subjektiven Lebens, und sein ganzer Sinn besteht in dem Bewußtseins- bzw. Gefühlsreflex, den die durch ihn bezeichnete Beziehung zu den Dingen in der Seele auslöst. In dem gleichen Sinne ist alles, was mit den Besitzgegenständen geschieht, eine Funktion des Subjekts, das sich selbst, seinen Willen, sein Gefühl, seine Denkart in sie ausströmt und an ihnen ausprägt. Historisch indes stellt sich, worauf ich schon früher hindeutete, diese absolute Bedeutung des praktischen Besitzes, gerade wie die des intellektuellen Besitzes, zunächst in einem Indifferenzzustand dar, der das Ich und die Dinge verschmilzt - und jenseits des Gegensatzes zwischen beiden steht. Die altgermanische Verfassung, die den Besitz unmittelbar an die Person knüpfte, der spätere Feudalismus, der umgekehrt die Person an den Besitz band; die enge Verbindung mit der Gruppe überhaupt, die jedes Mitglied a priori in seine ökonomische Stellung hineinwachsen läßt; die Erblichkeit der Berufe, durch welche Tätigkeit und Position einerseits, die familiäre Persönlichkeit andrerseits, zu Wechselbegriffen werden; jede ständische oder zunftartige Verfassung der Gesellschaft, die ein organisches Verweben der Persönlichkeit mit ihrem ökonomischen Sem und Haben bedingt - dies alles sind Zustände von Undifferenziertheit zwischen Besitz und Person; ihre ökonomischen Inhalte oder Funktionen und diejenigen, welche das Ich im engeren Sinne ausmachen, stehen in sehr unmittelbarer gegenseitiger Bedingtheit. Ersichtlich wirkt diese Gefühlsweise, wenn in primitiven Zeiten dem Toten seine eigentlich persönlichen Besitzstücke ins Grab mitgegeben werden - nicht weniger aber, wenn der angelsächsische König, während dieser Usus besteht, doch beim Tod des Dienstmannes das Anspruchsrecht auf dessen Rüstung hat; denn diese bleibt dem König als Rudiment und Ersatz der Persönlichkeit, die mit ihr verbunden war. Ganz allgemein: wie das Denken des primitiven Menschen keine gesonderten Kategorien für die bloß subjektive Einbildung und die objektiv wahre Vorstellung besitzt, so unterscheidet seine Praxis auch nicht klar zwischen der eigenen Gesetzmäßigkeit der Dinge:(wo er diese anerkennt, nimmt sie leicht wieder die personifizierende Gestalt eines göttlichen Prinzips an) und der nach innen konzentrierten, von dem Äußeren unabhängigen Persönlichkeit. Die Entwicklung über dieses Stadium hinaus besteht nun in der Sonderung jener Elemente. Alle höhere wirtschaftliche Technik beruht auf einer Verselbständigung der ökonomischen Prozesse: sie werden von der Unmittelbarkeit der personalen Interessen gelöst, sie fuktionieren, als ob sie Selbstzwecke wären, ihr mechanischer Ablauf wird immer weniger von den Unregelmäßigkeiten und Unberechenbarkeiten des personalen Elementes gekreuzt. Und auf der ändern Seite differenziert sich eben dieses zu wachsender Selbständigkeit, das Individuum erhält eine Ausbildungsfähigkeit, die zwar nicht von seiner ökonomischen Lage überhaupt, wohl aber von den apriorischen Bestimmtheiten derselben immer unabhängiger wird. Bei dieser sondernden Entwicklung der objektiven und der subjektiven Momente der Lebenspraxis bleibt natürlich die oben bezeichnete Tatsache unbewußt, daß im letzten Grunde und absolut genommen, die Gesamtheit dieser Praxis doch nur menschlich-subjektiver Natur ist; die Einrichtung einer Maschine oder einer Fabrik, so sehr sie den Gesetzen der Sache gemäß ist, wird doch schließlich auch von den persönlichen Zwecken, von der subjektiven Denkfähigkeit des Menschen umfaßt. Aber dieser allgemeine und absolute Charakter hat sich im relativen Sinne auf eines der Elemente konzentriert, in die das Ganze des Gebietes auseinandergegangen ist.

 


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