1. Die abstrakte Äußerlichkeit als solche

 

Die ähnliche, wenn auch nicht so festbestimmte Regelmäßigkeit geht nun auch noch weiter hinauf und mischt sich, obschon in selbst äußerlicher Weise, in den eigentlich lebendigen Inhalt. In einem Epos und Drama z. B., das seine bestimmten Abteilungen, Gesänge, Akte usw. hat, kommt es darauf an, diesen besonderen Teilen eine ungefähre Gleichheit des Umfanges zu geben; ebenso bei Gemälden den einzelnen Gruppen, wobei denn aber weder ein Zwang in Rücksicht auf den wesentlichen Inhalt noch eine hervorstechende Herrschaft des bloß Regelmäßigen hervorscheinen darf.

Die Regelmäßigkeit und Symmetrie als abstrakte Einheit und Bestimmtheit des an sich selbst im Räumlichen sowie in der Zeit Äußerlichen ordnet vornehmlich nur das Quantitative, die Größenbestimmtheit. Was nicht mehr dieser Äußerlichkeit als seinem eigentlichen Elemente zugehört, wirft deshalb die Herrschaft der bloß quantitativen Verhältnisse ab und wird durch tiefere Verhältnisse und deren Einheit bestimmt. Je mehr sich daher die Kunst aus der Äußerlichkeit als solche herausringt, desto weniger läßt sie ihre Gestaltungsweise von der Regelmäßigkeit regieren und weist derselben nur ein beschränktes und untergeordnetes Bereich an.

Wie der Symmetrie haben wir nun auch an dieser Stelle noch einmal der Harmonie zu erwähnen. Sie bezieht sich nicht mehr auf das bloß Quantitative, sondern auf wesentlich qualitative Unterschiede, welche nicht als bloße Gegensätze gegeneinander beharren, sondern in Einklang gebracht werden sollen. In der Musik z. B. ist das Verhältnis der Tonika zur Mediante und Dominante kein bloß quantitatives, sondern es sind wesentlich unterschiedene Töne, welche zugleich zu einer Einheit, ohne ihre Bestimmtheit als grellen Gegensatz und Widerspruch herausschreien zu lassen, zusammengehen. Dissonanzen dagegen bedürfen einer Auflösung. In gleicher Weise verhält es sich auch mit der Harmonie der Farben, in betreff auf welche die Kunst ebenfalls die Forderung macht, daß sie in einem Gemälde weder als buntes und willkürliches Durcheinander noch als bloß aufgelöste Gegensätze hervortreten, sondern zum Einklang eines totalen und einheitsvollen Eindrucks vermittelt werden. Näher gehört sodann zur Harmonie eine Totalität von Unterschieden, welche der Natur der Sache nach einem bestimmten Kreise angehören; wie die Farbe z. B. einen bestimmten Umfang von Farben als die sogenannten Kardinalfarben hat, welche aus dem Grundbegriff der Farbe überhaupt sich herleiten und keine zufälligen Vermischungen sind. Eine solche Totalität in ihrem Einklänge macht das Harmonische aus. In einem Gemälde z. B. muß ebensosehr die Totalität der Grundfarben, Gelb, Blau, Grün und Rot, als auch ihre Harmonie vorhanden sein, und die alten Maler haben auch bewußtlos auf diese Vollständigkeit achtgegeben und ihrem Gesetze Folge geleistet. Indem sich nun die Harmonie der bloßen Äußerlichkeit der Bestimmtheit zu entheben beginnt, ist sie dadurch auch befähigt, schon einen weiteren geistigeren Gehalt in sich aufzunehmen und auszudrücken. Wie denn von den alten Malern den Gewändern der Hauptpersonen die Grundfarben in ihrer Reinheit, Nebengestalten dagegen gemischte Farben sind zugeteilt worden. Maria z. B. trägt meist einen blauen Mantel, indem die besänftigende Ruhe des Blauen der inneren Stille und Sanftheit entspricht; seltener hat sie ein hervorstechendes rotes Gewand.

b) Die zweite Seite der Äußerlichkeit betrifft, wie wir sahen, das sinnliche Material als solches, dessen die Kunst zu ihren Darstellungen sich bedient. Hier besteht die Einheit in der einfachen Bestimmtheit und Gleichheit des Materials in sich, das nicht zur unbestimmten Verschiedenheit und bloßen Mischung, überhaupt zur Unreinheit abweichen darf. Auch diese Bestimmung bezieht sich nur auf das Räumliche, auf die Reinlichkeit z. B. der Umrisse, die Schärfe der geraden Linien, Kreise usf., ebenso auf die feste Bestimmtheit der Zeit, wie das genaue Festhalten des Taktes; ferner auf die Reinheit der bestimmten Töne und Farben. Die Farben z. B. dürfen in der Malerei nicht unrein oder grau sein, sondern klar, bestimmt und einfach in sich. Ihre reine Einfachheit macht nach dieser sinnlichen Seite hin die Schönheit der Farbe aus, und die einfachsten sind in dieser Beziehung die wirkungsvollsten: reines Gelb z. B., das nicht ins Grüne geht; Rot, das nicht ins Blaue oder Gelbe sticht, usf. Allerdings ist es dann schwer, die Farben bei dieser festen Einfachheit zu gleicher Zeit in Harmonie zu erhalten. Diese in sich einfachen Farben machen aber die Grundlage aus, die nicht darf total verwischt sein, und wenn auch Mischungen nicht können entbehrt werden, so müssen die Farben doch nicht als ein trübes Durcheinander, sondern als klar und einfach in sich erscheinen, sonst wird aus der leuchtenden Klarheit der Farbe nichts als Schmutz. Die gleiche Forderung ist auch an den Klang der Töne zu stellen. Bei einer Metall- oder Darmsaite z. B. ist es das Erzittern dieses Materials, das den Klang hervorbringt, und zwar das Erzittern einer Saite von bestimmter Spannung und Länge; läßt diese Spannung nach oder wird nicht die rechte Länge gegriffen, so ist der Ton nicht mehr diese einfache Bestimmtheit in sich und klingt falsch, indem er zu anderen Tönen überschwebt. Das Ähnliche geschieht, wenn sich statt jenes reinen Erzitterns und Vibrierens noch das mechanische Reiben und Streichen, als ein dem Klang des Tons als solchen beigemischtes Geräusch, daneben hören läßt. Ebenso muß sich der Ton der menschlichen Stimme rein und frei aus der Kehle und Brust entwickeln, ohne das Organ mitsummen oder, wie es bei heiseren Tönen der Fall ist, irgendein nicht überwundenes Hindernis störend vernehmen zu lassen. Diese von jeder fremdartigen Beimischung freie Helligkeit und Reinheit in ihrer festen, schwankungslosen Bestimmtheit ist in dieser bloß sinnlichen Beziehung die Schönheit des Tons, durch welche er sich vom Rauschen, Knarren usf. unterscheidet. Dasselbige läßt sich auch von der Sprache, vornehmlich von den Vokalen, sagen. Eine Sprache z. B., welche das a, e, i, o, u bestimmt und rein hat, ist, wie das Italienische, wohlklingend und sangbar. Die Diphthonge dagegen haben schon immer einen gemischten Ton. Im Schreiben werden die Sprachlaute auf wenige stets gleiche Zeichen zurückgeführt und erscheinen in ihrer einfachen Bestimmtheit; beim Sprechen aber verwischt sich nur allzuoft diese Bestimmtheit, so daß nun besonders die Volkssprachen, wie das Süddeutsche, Schwäbische, Schweizerische, Laute haben, die sich in ihrer Vermischung gar nicht schreiben lassen. Dies ist dann aber nicht etwa ein Mangel der Schriftsprache, sondern kommt nur von der Schwerfälligkeit des Volkes her.

Soviel für jetzt von dieser äußerlichen Seite des Kunstwerks, welche als bloße Äußerlichkeit auch nur einer äußerlichen und abstrakten Einheit fähig ist.

Der weiteren Bestimmung nach ist es aber die geistige konkrete Individualität des Ideals, welche in die Äußerlichkeit hineintritt, um in derselbigen sich darzustellen, so daß also das Äußerliche von dieser Innerlichkeit und Totalität, die sie auszudrücken den Beruf hat, durchdrungen werden muß, wofür die bloße Regelmäßigkeit, Symmetrie und Harmonie oder die einfache Bestimmtheit des sinnlichen Materials sich nicht als zureichend erweisen. Dies führt uns zur zweiten Seite der äußerlichen Bestimmtheit des Ideals hinüber.

 


 © textlog.de 2004 • 27.07.2024 04:16:01 •
Seite zuletzt aktualisiert: 28.10.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright