Das Beispiel der Makarenser


Wenn ich nun hier das Gesetz der Makarenser, die nicht weit von Utopia ihren Wohnsitz haben, vorbringen wollte, deren König, vom Tage seiner Thronbesteigung an, unter feierlichen Opfern durch einen Eid gebunden wird, zu keiner Zeit mehr als tausend Pfund in seinem Schatz zu haben, oder eine gleichwertige Summe Silbers! Dieses Gesetz hat, wie es heißt, ein ausgezeichneter König gegeben, dem das Wohl des Vaterlands mehr am Herzen lag, als seine persönlichen Reichtümer, gleichsam als einen Riegel gegen die Anhäufung so großer Geldsummen, dass dadurch das Volk verarmen muß. Denn er sah voraus, dass dieser Schatz genügen werde, sowohl im Falle einer Rebellion gegen den König, als einer feindlichen Invasion in das Reich, denselben vor Bedrängnis zu bewahren. Im übrigen aber sei dieser Schatz zu gering, als dass er in ihm die Lust erwecken sollte, fremdes Eigentum an sich zu reißen, was hauptsächlich der Grund zur Erlassung dieses Gesetzes war. Der nächste Grund aber war der, weil er so den Fall vorgesehen glaubte, dass im täglichen bürgerlichen Verkehre das Geld nicht mangle, und da der König auszugeben genötigt war, was dem Schatze über das gesetzliche Maß zuwuchs, so glaubte er sich keine Veranlassung gegeben dem Volke Unrecht zuzufügen. Ein solcher König werde der Schrecken aller Bösen sein und von den Guten geliebt werden.

Wenn ich nun dieses und Ähnliches bei Menschen vorbringen und einführen wollte, deren Sinnesart ganz entschieden zum Gegenteile neigt, was würde ich Anderes tun, als Tauben eine Fabel erzählen?«

»Stocktauben, ohne Zweifel«, gab ich zur Antwort. »Aber mich wundert das durchaus nicht, und, um die Wahrheit zu sagen, Reden und Ratschläge, von denen man gewiß ist, dass sie kein Gehör finden, soll man sich enthalten vorzubringen. Denn was kann eine so Unerhörtes bietende Rede für Nutzen stiften, oder wie kann sie auf Gemüter Einfluss haben, die voreingenommen sind und in denen sich eine entgegengesetzte Überzeugung tiefstens festgesetzt hat? Im vertraulichen Verkehr unter lieben Freunden ist solche Schulphilosophie ganz gefällig, aber im Rat der Könige, wo große Angelegenheiten mit großer Autorität verhandelt werden, ist für solche Dinge kein Platz«.

»Das ist also das, was ich gesagt habe«, versetzte Raphael, »dass die Philosophie bei den Fürsten keine Stätte hat.«


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