Der große Mann und der Schlaukopp oder
Der gegenseitige Kultus


»Mein Freund, Du bist der größte Mann!

Es zweifelt keine Seele dran!

Ich lese jedes Wort von Dir.

Die Andern liefern nur Geschmier.

Du bist der Einz'ge, der was kann!

O glaub's, Du bist der größte Mann!

Was Andre reden, ist nur Quatsch.

Drum reich mir freundlich Deine Patsch!

Wir gründen einen Männerbund

Und hauen los auf jeden Schund!

Damit man endlich doch mal seh,

Worin die wahre Kunst besteh!

Und will einmal ein Schweinehund

Verhöhnen unsern Männerbund,

So kommen wir mit Knüppeln an

Und zeigen, was ein Mann noch kann.

Vor uns muß Jeder tief sich bücken

Und dabei weg sein vor Entzücken!«

So sang voll Hohn ein Bösewicht

Dem Freunde Süßes ins Gesicht.

Und dieser Gute merkte nicht,

Wie leicht das Süße an Gewicht.

»Der größte Mann«, rief er voll Stolz,

»Der sei jetzt länger nicht von Holz!«

Und er begann vergnügt zu zechen

Und mußte schrecklich dabei blechen.

Der Bösewicht, der freut sich drob,

Er wird beim zwölften Glase grob.

Jedoch der größte Mann vergißt,

Daß ihm sein Freund oft lästig ist.

Er freut sich seines großen Ruhms,

Gedenkt nicht seines Eigentums.

Bald ist sein Hab und Gut verschwendet.

Der Bösewicht sich von ihm wendet.

Denn große Männer ohne Geld

Sind doch das Schlimmste in der Welt.

So geht's dem Dummen, der gemütlich

Des Freundes Lob hält für sehr gütlich!

Der Schmeichler ist ein Bösewicht -

Oh, kluger Mensch, vergiß das nicht!

Auch arme Menschen sollen lächeln,

Wenn sie ein Schmeichler will umfächeln.

Verrate deine Größe nie!

Sei nur ein heimliches Genie!


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Seite zuletzt aktualisiert: 27.06.2006 
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