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II. [Erster Grund gegen das Zeichengeld: die Geld-Waren-Relationen, die den Eigenwert des Geldes überflüssig machen würden, nicht genau erkennbar; sein Eigenwert als Ergänzung dieser Unzulänglichkeit]

 

Dieser Charakter des reinen Symbols der ökonomischen Werte ist das Ideal, dem die Entwicklung des Geldes zustrebt, ohne ihn je völlig zu erreichen. Es steht ursprünglich - das muß unbedingt festgehalten werden - in einer Reihe mit allen anderen Wertobjekten, und sein konkreter Substanzwert tritt in Abwägung gegen diese. Mit dem steigenden Bedürfnis nach Tauschmitteln und Wertmaßstäben wird es immer mehr aus einem Gliede von Wertgleichungen zu dem Ausdruck derselben und insofern von dem Werte seines Substrates immer unabhängiger. Dennoch kann es einen Rest von substanziellem Werte nicht abstreifen, und zwar nicht eigentlich aus inneren, aus seinem Wesen folgenden Gründen, sondern wegen gewisser Unvollkommenheiten der ökonomischen Technik. Die eine betrifft das Geld als Tauschmittel. Der Ersatz des Eigenwertes des Geldes durch eine bloß symbolische Bedeutung kann, wie wir gesehen haben, daraufhin erfolgen, daß die Proportion zwischen der einzelnen Ware und dem augenblicklich ökonomisch wirksamen Gesamtwarenquantum unter bestimmten Modifikationen gleich ist derjenigen zwischen einer Geldsumme und dem augenblicklich ökonomisch wirksamen Gesamtgeldquantum; daß die Nenner dieser Brüche nur praktisch, aber nicht bewußt wirksam sind, da nicht sie, sondern nur die wechselnden Zähler von realem, den wirklichen Verkehr bestimmendem Interesse sind; und daß deshalb in diesem Verkehr eine unmittelbare Gleichung zwischen der Ware und der Geldsumme stattzufinden scheint, die freilich auf einer ganz anderen Basis ruht als die primäre Gleichung zwischen dem Objekt und dem Substanzwert des Geldes, welch letztere allmählich in jene übergeht. Wenn diese Entwicklung selbst zugegeben wird, so stehen doch jedenfalls die aus den betreffenden Gesamtwertsummen bestehenden Faktoren zwischen äußerst schwankenden Grenzen, der instinktiv gewonnene Überschlag, in dem sie wirken, kann immer nur ein sehr ungenauer sein. Vielleicht ist dies ein Grund, weshalb auf eine unmittelbare Wertausgleichung zwischen Waren und Geld nicht völlig verzichtet werden kann. Das Stückchen eigenen, materialen Wertes, das im Geld steckt, ist der Halt und die Ergänzung, deren wir bedürfen, weil unsere Erkenntnis zu der genauen Bestimmung jener Proportion nicht ausreicht, bei der allerdings eine Wesensgleichheit zwischen dem Gemessenen und dem Maße, d.h. ein Eigenwert des Geldes sich erübrigen würde. Solange aber empfunden wird und an der Praxis des Wirtschaftens sich zeigt, daß die dieses bedingende Proportion keine Genauigkeit besitzen kann, bedarf das Messen noch einer gewissen qualitativen Einheit des Wertmaßstabes mit den Werten selbst. Es ist vielleicht nicht uninteressant, sich einen entsprechenden Fall aus der ästhetischen Verwertung der Edelmetalle klarzumachen. Von der Londoner Ausstellung von 1851 berichtete ein Kenner über den Unterschied englischer und indischer Gold- und Silberarbeiten: bei den englischen scheine der Fabrikant sich bemüht zu haben, eine möglichst große Menge Metalls m ein Minimum von Formung hineinzupressen; bei den indischen aber sei »das Emaillieren, Tauschieren, Durchbrechen usw. so zur Anwendung gebracht, daß auf das geringst mögliche Metallquantum die größtmögliche Menge vollendet geschickter Arbeit kommt«. Dennoch ist es für die ästhetische Bedeutung auch dieser letzteren sicher nicht gleichgültig, daß das wenige Metall, indem sich die Formen ausdrücken, eben doch Edelmetall ist. Auch hier ist die Form, d.h. das bloße Verhältnis der Substanzteile zueinander, über die Substanz und ihren Eigenwert Herr geworden. Aber wenn das auch so weit getrieben werden mag, daß die Metallmasse nur noch verschwindenden Wert hat, so muß dieses Minimum, damit der Gegenstand im höchsten Maße schmücke und ästhetisch erfreue, immerhin noch ein edler Stoff sein. Sein eigentlicher Materialwert steht hier freilich nicht mehr in Frage, sondern nur dies, daß überhaupt nur der edelste Stoff der adäquate Träger für ein vollendetes formales Verhältnis der Teile ist.

Es liegt übrigens auf der Hand, daß jene Zurückführung des Materialwertes beim Geld auf ein Ergänzungs- und Festigungsprinzip gegenüber den nicht hinreichend zu sichernden bloßen Relationen nur eine Deutung von Prozessen ist, die völlig unterhalb des Bewußtseins der Wirtschaftenden selbst vorgehen. Die wirtschaftlichen Wechselwirkungen verlaufen eben überhaupt in so wunderbarer Zweckmäßigkeit, in so fein organisiertem Ineinandergreifen unzähliger Elemente, daß man einen überschauenden, nach überindividueller Weisheit schaltenden Geist als Lenker derselben annehmen müßte, wenn man nicht auf die unbewußte Zweckmäßigkeit des menschlichen Gattungslebens zurückgreifen wollte. Bewußtes Wollen und Voraussehen des einzelnen würde nicht ausreichen, das wirtschaftliche Getriebe in derjenigen Harmonie zu halten, die es neben all seinen furchtbaren Dissonanzen und Unzulänglichkeiten aufweist; es müssen vielmehr unbewußte Erfahrungen und Berechnungen angenommen werden, die sich im geschichtlichen Verlauf der Wirtschaft summieren und denselben regulieren. Immerhin darf man nicht vergessen, daß unbewußte Vorstellungen keine zulängliche Erklärung, sondern nur ein Hilfsausdruck sind, der sich eigentlich auf einem Trugschluß aufbaut. Gewisse Handlungen und Gedanken entspringen in uns auf Grund bestimmter Vorstellungen, Schlußreihen usw. Sobald nun aber jene ohne diese Antezedentien in uns auftauchen, so schließen wir, daß eben dieselben, nur in unbewußter Form, dennoch dagewesen wären. Dies aber ist zweifellos logisch unberechtigt. Die bloß negative Tatsache, daß wir uns in diesem Falle keiner begründenden Vorstellungen bewußt sind, drehen wir unter der Hand in die positive um, daß unbewußte Vorstellungen vorhanden sind. Tatsächlich wissen wir über solche, ein psychisches Resultat ohne begründende Bewußtseinsvorgänge darbietende Vorgänge gar nichts Näheres, und die unbewußten Vorstellungen, Erfahrungen, Schlüsse sind nur der Ausdruck dafür, daß jene so verlaufen, als ob bewußte Motive und Ideen ihnen zum Grunde lägen. Dem Erklärungstrieb bleibt aber vorläufig nichts übrig, als diese aufzusuchen und als - unbewußt - wirkende Ursachen zu behandeln, so sehr sie ein bloßes Symbol des wirklichen Verlaufes sind. Bei dem jetzigen Stande des Wissens ist es unvermeidlich und. deshalb legitim, die Wertbildungen, ihre Fixierungen und Fluktuierungen als unbewußte Vorgänge nach den Normen und Formen der bewußten Vernunft zu deuten.

 


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