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II. [Erster Grund gegen das Zeichengeld: die Geld-Waren-Relationen, die den Eigenwert des Geldes überflüssig machen würden, nicht genau erkennbar; sein Eigenwert als Ergänzung dieser Unzulänglichkeit]

 

Wäre das Geld völlig auf diesen Wert reduziert, und hätte es jede Koordination mit den Dingen, die an und für sich wertvoll sind, abgestreift, so würde es damit im ökonomischen jene höchst merk würdige Vorstellung verwirklichen, die der platonischen Ideenlehre zum Grunde liegt. Die tiefe Unbefriedigung an der erfahrbaren Welt, an die wir dennoch gefesselt sind, bewog Plato, ein überempirisches, über Raum und Zeit erhabenes Reich der Ideen anzunehmen, das das eigentliche, in sich befriedigte, absolute Wesen der Dinge in sich enthielte. Zu dessen Gunsten wurde die irdische Wirklichkeit einerseits von allem wahrhaften Sein und aller Bedeutung entleert; andrerseits aber strahlte doch von diesen etwas auf sie zurück, wenigstens als blasser Schatten jenes leuchtenden Reiches des Absoluten hatte sie teil an ihm und gewann auf diesem Umwege schließlich doch noch eine Bedeutsamkeit, die ihr an und für sich versagt war. Dieses Verhältnis findet nun tatsächlich eine Wiederholung oder Bestätigung im Gebiete der Werte. Die Wirklichkeit der Dinge, wie sie vor dem bloß erkennenden Geiste steht, weiß - so stellten wir am Anfang dieser Untersuchungen fest - nichts von Werten; sie rollt in jener gleichgültigen Gesetzmäßigkeit ab, die so oft das Edelste zerstört und das Niedrigste schont, weil sie eben nicht nach Rangordnungen, Interessen und Werten verfährt. Dieses natürliche objektive Sein unterstellen wir nun einer Hierarchie der Werte, wir schaffen eine Gliederung innerhalb seiner nach gut und schlecht, edel und gering, kostbar und wertlos - eine Gliederung, von der jenes Sein selbst in seiner greifbaren Wirklichkeit gar nicht berührt wird, von der ihm aber doch alle Bedeutung kommt, die es für uns haben kann, und die wir, bei aller Klarheit über ihren menschlichen Ursprung, doch in vollem Gegensatz zu aller bloßen Laune und subjektivem Belieben empfinden. Der Wert der Dinge - der ethische wie der eudämonistische, der religiöse wie der ästhetische - schwebt über ihnen wie die platonischen Ideen über der Welt: wesensfremd und eigentlich unberührbar, ein nach eigenen inneren Normen verwaltetes Reich, das aber doch jenem anderen sein. Relief und seine Farben zuteilt. Der ökonomische Wert entsteht nun in Ableitung von jenen primären, unmittelbar empfundenen Werten, indem die Gegenstände derselben, insoweit sie austauschbar sind, gegeneinander abgewogen werden. Innerhalb dieses Gebietes aber, gleichviel, wie es sich konstituiert hat, nimmt der ökonomische Wert dieselbe eigenartige Stellung zu den einzelnen Objekten ein, die dem Wert überhaupt zukommt: es ist eine Welt für sich, die die Konkretheit der Objekte nach eigenen, in diesen selbst nicht gelegenen Normen gliedert und rangiert; die Dinge, nach ihrem ökonomischen Werte geordnet und verzweigt, bilden einen ganz anderen Kosmos, als ihre naturgesetzliche, unmittelbare Realität es tut. Wenn das Geld nun wirklich nichts wäre, als der Ausdruck für den Wert der Dinge außer ihm, so würde es sich zu diesen verhalten wie die Idee, die sich Plato ja auch substanziell, als metaphysisches Wesen vorstellt, zu der empirischen Wirklichkeit. Seine Bewegungen: Ausgleichungen, Häufungen, Abflüsse - würden unmittelbar die Wertverhältnisse der Dinge darstellen. Die Welt der Werte, die über der wirklichen Welt, scheinbar zusammenhangslos und doch unbedingt beherrschend, schwebt, würde im Geld die »reine Form« ihrer Darstellung gefunden haben. Und wie Plato die Wirklichkeit, aus deren Beobachtung und Sublimierung die Ideen zustande gekommen sind, dann doch als eine bloße Abspiegelung eben dieser deutet, so erscheinen die wirtschaftlichen Verhältnisse, Abstufungen und Fluktuationen der konkreten Dinge als Derivat ihres eigenen Derivates: nämlich als Vertretungen und Schatten der Bedeutung, die ihren Geldäquivalenten zukommt. Keine andere Gattung von Werten befindet sich in dieser Hinsicht in einer günstigeren Lage, als es die ökonomischen Werte tun. Wenn sich der religiöse Wert in Priestern und Kirchen, der ethisch-soziale in den Verwaltern und sichtbaren Institutionen der Staatsgewalt, der Erkenntniswert in den Normen der Logik verkörpert, so steht keines von diesen losgelöster über den konkreten wertvollen Gegenständen oder Vorgängen, keines ist mehr der bloß abstrakte Träger des Wertes und nichts weiter, kaum in einem geht die Gesamtheit der fraglichen Wertprovinz in so treuer Abspiegelung auf.

 


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