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II. [Die Umwandlung von Rechten spezifischen Inhalts in Geldforderungen]

 

Die historischen Konstellationen, die innerlich von diesem Sinne getragen werden, lassen sich in eine aufsteigende Reihe ordnen, in der jedes Glied, je nach den sonstigen Verhältnissen der Elemente, ebenso deren Freiheit wie deren Unterdrückung Raum gibt. Von der rein personalen Beziehung liegt das auf der Hand: diese stellt sich sowohl als die Härte der persönlichen Unterworfenheit unter eine Person wie als die Würde freier Vereinigung dar. Beides ändert sich, sobald das Richtung gebende Element unpersönlichen Charakter trägt - sei es, daß diese Unpersönlichkeit die dingliche eines äußeren Objekts, sei es, daß sie die einer Mehrheit von Personen sei, in der die Subjektivität der einzelnen verschwindet. Das vorige Kapitel hat uns gezeigt, wie der Übergang hier als Befreiung wirkt, wie oft der Mensch die Unterworfenheit unter eine unpersönliche Kollektivität oder eine rein sachliche Organisation der unter eine Persönlichkeit vorzieht. Hier will ich nur erwähnen, daß sowohl Sklaven wie Fronbauern es relativ leicht zu haben pflegten, wenn sie dem Staate zugehörten, daß die Angestellten in den modernen Magazinen von ganz unpersönlicher Betriebsart in der Regel besser situiert sind, als in den kleinen Geschäften, wo der Besitzer sie persönlich ausbeutet. Umgekehrt, wo von der einen Seite sehr personale Werte eingesetzt werden, wird die Umbildung der anderen in unpersönliche Formen als Unwürdigkeit und Unfreiheit empfunden. Die aristokratische freie Hingebung bis zu den äußersten Opfern hat oft genug einem Gefühl von Demütigung und Deklassierung Platz gemacht, sobald ihr zwar geringere Opfer, aber als objektiv gesetzliche Pflicht zugemutet wurden. Noch im 16. Jahrhundert erfuhren die Fürsten in Frankreich, Deutschland, Schottland und den Niederlanden oft erheblichen Widerstand, wenn sie durch gelehrte Substitute oder Verwaltungskörper regieren ließen. Der Befehl wurde als etwas Persönliches empfunden, dem man auch nur aus persönlicher Hingebung Gehorsam leisten wollte, während es einem unindividuellen Kollegium gegenüber nur Unterwerfung schlechthin gab. Das äußerste Glied dieser Reihe bilden die auf das Geld, als das sachlichste aller praktischen Gebilde, gestellten Verhältnisse: je nach dem Ausgangspunkt und Inhalt hat sich uns die Geldleistung als der Träger der völligen Freiheit wie der völligen Unterdrückung gezeigt. Deshalb finden wir sie auch gelegentlich mit großer Entschiedenheit versagt. Als Peter IV. von Arragonien einmal die arragonesischen Stände um eine Geldgewährung anging, erwiderten sie ihm, das wäre doch bisher nicht üblich gewesen; seine christlichen Untertanen seien bereit, ihm mit ihrer Person zu dienen, aber Geld zu geben sei nur Sache der Juden und Mauren. Auch im angelsächsischen England hatte der König kein Recht direkter Besteuerung, es herrschte vielmehr das alte germanische Prinzip, daß das Gemeinwesen auf der persönlichen Leistung In Heer und Gericht ruhte. Als der König das Dänengeld erhebt, angeblich als Schutzgeld zur Abwehr neuer Einfälle, bezeichnet dies den Verfall des Staates. Soweit es in ihrer Macht steht, lassen sich deshalb die Verpflichteten die Umwandlung des personalen Dienstes in Geldausgaben nur dann gefallen, wenn die Beibehaltung jenes für sie nicht die Bedeutung einer Teilnahme an der Machtsphäre der Berechtigten hat; so daß die verschiedenen Kreise derselben Gruppe sich nach diesem Gesichtspunkte manchmal scharf scheiden. Die Territorialherren im mittelalterlichen Deutschland, die zur Aushebung von Gemeinfreien und Hörigen zum Kriegsdienst berechtigt waren, erhoben später vielfach eine Steuer an Stelle dessen. Die Grundherren aber blieben von dieser frei, weil sie den Roßdienst selbst leisteten, also »mit ihrem Blute dienten«. Woher denn die alte Rechtsregel entsprang: »der Bauer verdient sein Gut mit dem Sack, der Ritter mit dem Pferd«. Wenn der moderne Staat wieder den persönlichen Kriegsdienst der Untertanen eingeführt hat, statt daß der Fürst nur Steuern erhebt und dafür ein Söldnerheer mietet, so ist dieser Ersatz der Geldablösung durch unmittelbaren Dienst der adäquate Ausdruck für die wieder gewachsene politische Bedeutung des einzelnen Bürgers. Wenn man deshalb gesagt hat, daß das allgemeine Stimmrecht das Korrrelat der allgemeinen Dienstpflicht sei, so ist dies schon aus dem Verhältnis der Geldleistung zur personalen Leistung begründbar.

 


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