I. [Kulturelle Steigerung der Personenzahl, von der man abhängt, unter gleichzeitigem Sinken der Bindungen an individuell bestimmte Personen]

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Die Bedeutung der Geldwirtschaft für die individuelle Freiheit vertieft sich nun, wenn wir nach der Form fragen, welche die bei ihr noch fortbestehenden Abhängigkeitsverhältnisse eigentlich haben; sie ermöglicht nicht nur, wie nach dem bisherigen, eine Lösung, sondern eine besondere Art der gegenseitigen Abhängigkeit, die einem gleichzeitigen Maximum von Freiheit Raum gibt. Zunächst stiftet sie, äußerlich angesehen, eine Reihe sonst ungekannter Bindungen. Seit in den Boden, um ihm das erforderliche Früchtequantum abzugewinnen, ein erhebliches Betriebskapital versenkt werden muß, das meistens nur durch hypothekarische Beleihung aufkommt; seit die Geräte nicht mehr unmittelbar aus den Rohstoffen, sondern auf dem Wege über soundso viele Vorbearbeitungen hergestellt werden; seit der Arbeiter im wesentlichen mit Produktionsmitteln arbeitet, die ihm selbst nicht gehören - hat die Abhängigkeit von dritten Personen ganz neue Gebiete ergriffen. Von je mehr sachlichen Bedingungen vermöge der komplizierteren Technik das Tun und Sein der Menschen abhängig wird, von desto mehr Personen muß es notwendig abhängig werden. Allein diese Personen erhalten ihre Bedeutung für das Subjekt ausschließlich als Träger jener Funktionen, Besitzer jener Kapitalien, Vermittler jener Arbeitsbedingungen; was sie außerdem als Personen sind, steht in dieser Hinsicht gar nicht in Frage.
Diese allgemeine Tatsache, deren Bedeutung das Folgende darstellen wird, hat die Entwicklung zur Voraussetzung, durch die die Person überhaupt zur bestimmten Persönlichkeit wird. Dies geschieht offenbar erst dadurch, daß eine Mehrzahl von Qualitäten, Charakterzügen, Kräften sich in ihr zusammenfinden. Sie ist freilich relative Einheit, aber diese Einheit wird doch nur wirklich und wirksam, indem sie verschiedene Bestimmungen vereinheitlicht. Wie der physische Organismus darin sein Wesen hat, daß er aus einer Vielheit materieller Teile die Einheit des Lebensprozesses bildet, so beruht auch die innere persönliche Einheit des Menschen auf der Wechselwirkung und dem Zusammenhang vielfacher Elemente und Bestimmungen. Jedes einzelne derselben, isoliert betrachtet, trägt objektiven Charakter, d.h. es ist an und für sich noch nichts eigentlich Persönliches. Weder Schönheit noch Häßlichkeit, weder das physische noch das intellektuelle Kraftmaß, weder Berufstätigkeit noch Neigungen, noch all die anderen unzähligen Züge des Menschlichen legen als vereinzelte eine Persönlichkeit unzweideutig fest; denn jede von ihnen kann mit beliebigen anderen, einander ganz entgegengesetzten Eigenschaften verbunden sein und sich als die immer gleiche in dem Bilde unbegrenzt vieler Persönlichkeiten finden. Erst indem mehrere von ihnen sich gleichsam in einem Brennpunkt treffen und aneinander haften, bilden sie eine Persönlichkeit, welche nun ihrerseits zurückwirkend jeden einzelnen Zug als einen persönlich-subjektiven charakterisiert. Nicht daß er dieses oder jenes ist, macht den Menschen zu der unverwechselbaren Persönlichkeit, sondern daß er dieses und jenes ist. Die rätselhafte Einheit der Seele ist unserem Vorstellen nicht unmittelbar zugängig, sondern nur, wenn sie sich in eine Vielheit von Strahlen gebrochen hat, durch deren Synthese sie dann erst wieder als diese eine und bestimmte bezeichenbar wird.
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