XVIII.3. Reiche der Alemannen, Burgunder und Franken

 

Die Alemannen waren eins der roheren deutschen Völker, zuerst Räuber der römischen Grenzen, Verwüster ihrer Schlösser und Städte. Als das römische Reich fiel, bemächtigten sie sich des östlichen Teils von Gallien und halten an ihm mit ihren alten Besitzungen ein schönes Land inne, dem sie auch eine schöne Verfassung hätten geben mögen. Die Alemannen haben sie ihm nie gegeben; denn die Macht der Franken überwältigte sie; ihr König fiel in der Schlacht, sein Volk 496 unterwarf sich und wurde unterjocht oder zerstreut, bis unter fränkischer Hoheit sie einen Herzog, bald auch das Christentum, endlich auch geschriebene Gesetze bekamen. Noch sind diese übrig und zeigen den einfachen, rohen Charakter des Volkes. Unter den letzten Merowingern wurde ihm auch sein Herzog genommen, und es verlor sich in der Masse der fränkischen Völker. Wenn Alemannen die Stammväter der deutschen Schweiz sind, so ist ihnen zu danken, daß sie die Wälder dieser Berge zum zweitenmal gelichtet und allgemach wieder mit Hütten, Flecken, Burgen, Türmen, Kirchen, Klöstern und Städten geziert haben. Da wollen wir denn auch ihrer Bekehrer, des h. Columbans und seiner Gefährten, nicht vergessen, deren einer, St. Gall, durch Gründung seines Klosters ein für ganz Europa wohltätiger Name wurde. Die Erhaltung mehrerer klassischen Schriftsteller haben wir dem Institut dieser irländischen Mönche zu danken, deren Einsiedelei mitten unter barbarischen Völkern wo nicht ein Sitz der Gelehrsamkeit, so doch eine Quelle der Sittenverbesserung wurde und wie ein Stern in diesen dunkeln Gegenden glänzt.282)

 Die Burgunder wurden ein sanfteres Volk, seitdem sie mit den Römern im Bunde standen. Sie ließen sich von ihnen in Bürge verlegen, waren auch dem Ackerbau, den Künsten und Handwerken nicht unhold. Als ihnen die Römer eine Provinz in Gallien einräumten, hielten sie sich friedlich, pflegten des Feld- und Weinbaues, lichteten die Wälder und hätten in ihrer schönen Lage, die zuletzt bis zur Provence und zum Genfer See reichte, wahrscheinlich ein blühendes Reich gestiftet, wenn ihnen nordwärts die stolzen und räuberischen Franken dazu Raum gegönnt hätten. Nun aber war jene Klotilde, die Frankreich den christlichen Glauben brachte, zum Unglück eine burgundische Prinzessin, die, um einige Freveltaten ihres Hauses zu rächen, dasselbe mit ihrem väterlichen Reiche selbst stürzte. Kaum hundert Jahre hatte dies gedauert, aus welcher Zeit uns die Gesetze der Burgunder nebst einigen Schlüssen ihrer Kirchenversammlungen noch übrig sind; vorzüglich aber haben sie durch Anbau des Landes am Genfer See und in den gallischen Provinzen ihren Namen verewigt. Sie machten diese Gegenden zu einem früheren Paradiese, als andere noch in wüster Wildnis lagen. Gundebald, ihr Gesetzgeber, ließ das zerstörte Genf wiederherstellen, dessen Mauern über tausend Jahre eine Stadt beschirmt, die mehr als große Erdstrecken auf Europa gewirkt hat. In denen von ihnen angebauten Gegenden hat mehr als einmal sich der menschliche Geist entflammt und seine Phantasie geschärft. Auch unter den Franken behielten die Burgunder ihre alte Verfassung; daher beim Verfall der Karlinger sie die ersten waren, die sich einen eigenen König wählten. Über zweihundert Jahre dauerte dieser neue Staat und wurde andern Völkern, sich auch einzeln einzurichten, ein nicht unheilsames Vorbild.

 Es ist Zeit, von dem Reiche zu reden, das so vielen andern ein Ende gemacht hat, dem Reiche der Franken. Nach manchen vorhergegangenen Versuchen gelang es ihnen endlich, mit einem geringen Anfange in Gallien jenen Staat zu gründen, der zuerst die Alemannen besiegte, dann die Westgoten allgemach bis nach Spanien drängte, die Briten in Armorika bezwang, das Reich der Burgunder unter sich brachte und den Staat der Thüringer grausam zerstörte. Als der verfallende Königsstamm Merwichs und Klodwigs tapfere Großhofmeister (Majores domus) bekam, schlug Karl Martell die Araber zurück und brachte die Friesen unter sich; und als die Majores domus Könige worden, stand bald der große Karl auf, der das Reich der Longobarden zerstörte, Spanien bis zum Ebro samt Majorka und Minorka, das südliche Deutschland bis in Pannonien hinein, das nördliche bis an die Elbe und Eider bezwang, aus Rom den Kaisertitel an sein Land zog und auch die Grenzvölker seines Reichs, Hunnen und Slawen, in Furcht und Gehorsam erhielt. Ein mächtiges Reich! Mächtiger, als seit der Römer Zeiten eins gewesen war, und in seinem Wachstum wie in seinem Verfall für ganz Europa gleich merkwürdig. Wie kam das Reich der Franken, unter allen seinen Mitgenossen, zu dieser vorzüglichen Wirkung?

 1. Das Land der Franken hatte eine sicherere Lage als irgendein anderer Besitz ihrer wandernden Brüder. Denn nicht nur war, als sie nach Gallien rückten, das römische Reich schon gestürzt, sondern auch die tapfersten ihrer vorangegangenen Mitbrüder waren entweder zerstreut oder versorget. über die entkräfteten Gallier wurde ihnen der Sieg leicht; diese nahmen, von vielem Unglück ermattet, willig das Joch auf sich, und der letzte Rest der Römer war wie ein Schatte zu verscheuchen. Da Klodwig nun mit tyrannischer Hand seinem neuen Besitz ringsum Platz schaffte und kein Leben eines gefährlichen Nachbars ihm heilig war, so hatte er bald Gesicht und Rücken frei, und sein Frankreich wurde wie eine Insel, von Bergen, Strömen, dem Meer und Wüsteneien unterdrückter Völker umgeben. Nachdem Alemannen und Thüringer überwunden waren, saßen hinter ihnen keine Nationen, die Lust zu wandern hatten; den Sachsen und Friesen wußten sie ihre Lust dazu bald auf eine grimmige Art zu benehmen. Von Rom und Konstantinopel lag das Reich der Franken gleichfalls glücklich entfernet. Denn hätten sie in Italien ihre Rolle zu spielen gehabt, wahrlich, die schlechten Sitten ihrer Könige, die Treulosigkeit ihrer Großen, die nachlässige Verfassung des Reichs, ehe die Majores domus aufstanden, alles dies verbürgte ihnen kein besseres Schicksal, als würdigere Nationen, Goten und Longobarden, darin gehabt haben.

 2. Klodwig war der erste rechtgläubige König unter den Barbaren; dies half ihm mehr als alle Tugend. In welchen Kreis der Heiligen trat der erstgeborne Sohn der Kirche hiemit ein! In eine Versammlung, deren Wirkung sich über das ganze westliche Christeneuropa erstreckte. Gallien und das römische Germanien war voll von Bischöfen; längs dem Rhein hinab und an der Donau saßen sie in zierlicher Ordnung: Mainz, Trier, Köln, Besannen, Worms, Speyer, Straßburg, Kostnitz, Metz, Toul, Verdun, Tongern, Lorch, Trident, Brixen, Basel, Chur u. f., alte Sitze des Christentums, dienten dem rechtgläubigen Könige als eine Vormauer gegen Ketzer und Heiden. In Gallien waren auf dem ersten Konzilium, das Klodwig hielt, 32 Bischöfe und unter ihnen fünf Metropolitane, ein geschlossener geistlicher Staatskörper, durch welchen er viel vermochte. Durch sie wurde das arianische Reich der Burgunder den Franken zuteil; an sie hielten sich die Majores domus; der Bischof zu Mainz, Bonifacius, krönte den Usurpator zum Könige der Franken, und schon zu Karl Martells Zeiten wurde über das römische Patriziat, mithin über die Schutzherrschaft der Kirche gehandelt. Auch kann man diesen Vormündern der christlichen Kirche nicht aufrücken, daß sie ihrem Mündel nicht treu und hold gewesen wären. Die verwüsteten Bischofsstädte stellten sie wieder her, hielten ihre Diözesen aufrecht, zogen die Bischöfe mit zu den Reichstägen, und in Deutschland ist auf Kosten der Nation den fränkischen Königen die Kirche viel schuldig. Die Erz- und Bischöfe zu Salzburg, Würzburg, Eichstädt, Augsburg, Freisingen, Regensburg, Passau, Osnabrück, Bremen, Hamburg, Halberstadt, Minden, Verden, Paderborn, Hildesheim, Münster, die Abteien Fulda, Hirschfeld, Kempten, Korvey, Ellwangen, St. Emeran u. f. haben sich durch sie gelagert: ihnen haben diese geistliche Herren ihren Sitz auf den Reichstägen nebst Land und Leuten zu danken. Der König von Frankreich ist der Kirche erstgeborner Sohn; der deutsche Kaiser, sein jüngerer Stiefbruder, hat die Schutzherrschaft der Kirche von ihm nur geerbt.

 


 © textlog.de 2004 • 27.07.2024 03:59:09 •
Seite zuletzt aktualisiert: 26.10.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright