I.7. Durch die Strecken der Gebirge wurden unsere beiden Hemisphäre ein Schauplatz der sonderbarsten Verschiedenheit und Abwechslung


Ich verfolge auch hier noch den Anblick der allgemeinen Weltkarte. In Asien streckt sich das Gebirge in der größesten Breite des Landes fort, und ohngefähr in der Mitte ist sein Knote; wer sollte denken, daß es auf dem untern Hemisphär gerade anders, in die größeste Länge, sich strecken würde? Und doch ist's also. Schon dies macht eine gänzliche Verschiedenheit beider Weltteile. Die hohen Striche Siberiens, die nicht nur den kalten Nord- und Nordostwinden ausgesetzt, sondern auch durch die mit ewigem Schnee bedeckten UrGebirge vom erwärmenden Südwinde abgeschnitten sind, mußten also (zumal da ihr öfters salziger Boden dazukam) auch noch in manchen südlichen Strichen so erstarrend kalt werden, als wir sie aus Beschreibungen kennen, bis hie und da andere Reihen dieser Berge sie vor den schärfern Winden schützten und mildere Talgegenden bilden konnten. Unmittelbar unter diesem Gebirge aber, in der Mitte Asiens, welche schöne Gegenden breiteten sich nieder! Sie waren durch jene Mauern vor den erstarrenden Winden des Nords gedeckt und bekamen von ihnen nur kühlende Lüfte. Die Natur änderte daher auch südlich den Lauf der Gebirge und ließ sie auf den beiden Halbinseln Indostans, Malakka, Ceylon u. f. längs hinablaufen. Hiemit gab sie beiden Seiten dieser Länder entgegengesetzte Jahrszeiten, regelmäßige Abwechselungen und machte sie auch dadurch zu den glücklichsten Erdstrichen der Welt. In Afrika kennen wir die innern Gebirgsreihen zuwenig; indessen wissen wir, daß auch dieser Weltteil in die Länge und Breite durchschnitten, wahrscheinlich also in seiner Mitte gleichfalls sehr abgekühlt ist. In Amerika dagegen wie anders! Nördlich streichen die kalten Nord- und Nordostwinde lange Strecken hinab, ohne daß ein Gebirge sie bräche. Sie kommen aus dem großen Eisrevier her, das sich bisher aller Durchfahrt widersetzt hat und das der eigentliche, noch unbekannte Eiswinkel der Welt zu nennen wäre. Sodenn streichen sie über große Erdstriche erfrornen Landes hin, und erst unter den Blauen Gebirgen wird das Land milder. Noch immer aber mit so plötzlichen Abwechselungen der Hitze und Kälte als in keinem andern Lande: wahrscheinlich, weil es dieser ganzen Nordhalbinsel an einer zusammenhängenden festen Gebirgsmauer fehlt, Winde und Witterung zu lenken und ihnen ihre bestimmtere Herrschaft zu geben. - Im untern Südamerika gegenteils wehen die Winde vom Eise des Südpols und finden abermals statt eines Sturmdachs, das sie bräche, vielmehr eine Bergkette, die sie von Süd gen Nord hinaufleitet. Die Einwohner der mittlern Gegenden, so glückliche Erdstriche es von Natur sind, müssen also oft zwischen diesen beiden einander entgegengesetzten Kräften in einer nassen heißen Trägheit schmachten, wenn nicht kleinere Winde von den Bergen oder dem Meere her ihr Land erfrischen und kühlen.

Setzen wir nun die steile Höhe des Landes und seines einförmigen Bergrückens hinzu, so wird uns die Verschiedenheit beider Welteile noch auffallender und klärer. Die Cordilleras sind die höchsten Gebirge der Welt; die Alpen der Schweiz sind beinah nur ihre Hälfte. An ihrem Fuß ziehen sich die Sierras in langen Reihen hinab, die gegen die Meeresfläche und die tiefen Talabgründe selbst noch hohe Gebirge sind5); nur über sie zu reisen, gibt Symptome der Übelkeit und plötzlichen Entkräftung an Menschen und Tieren, die bei den höchsten Gebirgen der Alten Welt eine unbekannte Erscheinung sind. Erst an ihrem Fuß fängt das eigentliche Land an; und dieses an den meisten Orten wie eben, wie plötzlich verlassen von den Gebirgen! Am östlichen Fuß der Cordilleras breitet sich die große Ebne des Amazonenstroms, die einzige in ihrer Art, fort; wie die peruanischen Bergstrecken gleichfalls die einzigen ihrer Art bleiben. Auf tausend Fuß hat jener Strom, der zuletzt ein Meer wird, noch nicht 2/5 Zoll Fall, und man kann eine Erdstrecke von Deutschlands größester Länge durchreisen, ohne sich einen Fuß hoch über die Meeresfläche zu erheben.6) Die Berge Maldonado am Platastrom sind gegen die Cordilleras auch von keinem Belang; und so ist das ganze östliche Südamerika als eine große Erdenfläche anzusehen, die jahrtausendelang Überschwemmungen, Morästen und allen Unbequemlichkeiten des niedrigsten Landes der Erde ausgesetzt sein mußte und es zum Teil noch ist. Der Riese und der Zwerg stehn hier also nebeneinander, die wildeste Höhe neben der tiefsten Tiefe, deren ein Erdenland fähig ist. Im südlichen Nordamerika ist's nicht anders. Louisiana ist so seicht wie der Meeresboden, der zu ihm führt, und diese seichte Ebne geht weit ins Land hinauf. Die großen Seen, die ungeheuren Wasserfälle, die schneidende Kälte Kanadas u. f. zeigen, daß auch der nordliche Erdstrich hoch sein müsse und daß sich hier abermals, obwohl in einem kleinern Grad, Extreme gesellen. Was dies alles auf Früchte, Tiere und Menschen für Wirkungen habe, wird die Folge zeigen.

Anders ging die Natur auf unserm obern Hemisphär zu Werk, auf dem sie Menschen und Tieren ihren ersten Wohnsitz bereiten wollte. Lang und breit zog sie die Gebirge auseinander und leitete sie in mehreren Ästen fort, so daß alle drei Weltteile zusammenhangen könnten und ohngeachtet der Verschiedenheit von Erdstrichen und Ländern allenthalben ein sanfterer Übergang wurde. Hier dorfte kein Weltstrich in äonenlanger Überschwemmung liegen, noch sich auf ihm jene Heere von Insekten, Amphibien, zähen Landtieren und anderer Meeresbrut bilden, die Amerika bevölkert haben. Die einzige Wüste Kobi ausgenommen (die Mondgebirge kennen wir noch nicht), und es heben sich keine so breite Strecken wüster Erdhöhen in die Wolken, um in ihren Klüften Ungeheuer hervorzubringen und zu nähren. Die elektrische Sonne konnte hier aus einem trocknern, sanfter gemischten Erdreich feinere Gewürze, mildere Speisen, eine reifere Organisation befördern, auch an Menschen und allen Tieren.

Es wäre schön, wenn wir eine Bergkarte oder vielmehr einen Bergatlas hätten, auf dem diese Grundsäulen der Erde in den mancherlei Rücksichten aufgenommen und bemerkt wären, wie sie die Geschichte des Menschengeschlechts fodert. Von vielen Gegenden ist die Ordnung und Höhe der Berge ziemlich genau bestimmt; die Erhebung des Landes über die Meeresfläche, die Beschaffenheit des Bodens auf seiner Oberfläche, der Fall der Ströme, die Richtungen der Winde, die Abweichungen der Magnetnadel, die Grade der Hitze und Wärme sind an andern bemerkt worden, und einiges davon ist auch schon auf einzelnen Karten bezeichnet. Wenn mehrere dieser Bemerkungen, die jetzt in Abhandlungen und Reisebeschreibungen zerstreut liegen, genau gesammelt und auch auf Karten zusammengetragen würden: welche schöne und unterrichtende physische Geographie der Erde würde damit in einem Überblicke auch der Natur- und Geschichtforscher der Menschheit haben! Der reichste Beitrag zu Varenius', Lulofs und Bergmanns vortrefflichen Werken. Wir sind aber auch hier nur im Anfange: die Ferber, Pallas, Saussure, Soulavie u. a. sammlen in einzelnen Erdstrecken zu der reichen Ernte von Aufschlüssen, die wahrscheinlich einst die peruanischen Gebirge (vielleicht die interessantsten Gegenden der Welt für die größere Naturgeschichte) zur Einheit und Gewißheit bringen werden.


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