Das Hauskonzert


Ich spielte meinem Vater zum Geburtstag (mein fanatisch geliebter Lehrer Rudolf Zöllner, derzeit zweite Violine im Hofopernorchester, nachmaliger beliebtester Bürgermeister von Baden bei Wien, begleitete am Klavier) »klassische Stücke« vor, von Gluck, Haydn, Bach, Händel, was weiß ich?! Ich hatte einen süßen wunderbaren Ton, einen edel-musikalischen Ausdruck, aber Technik Null, nein, nicht Null, überhaupt nicht. Mein geliebter Lehrer sagte über mich: »Ein Genie ohne Fähigkeiten! Gerade das, was dazugehört im Leben, fehlt ihm, schade, man wird ihn nie anerkennen! Obzwar er besser ist!« Mein idealer Vater, mein rührend idealer Vater, kaufte mir infolge dieses intimen Konzerts eine echte »Peter Guarnerius« für sechshundert Kronen, die gleichsam von sich selbst sang, jauchzte, weinte, wenn man auch nur die C-dur-Skala auf ihr spielte!

Eines Tages kam mein jüngerer Bruder Georg vom Gymnasium nach Hause, während ich gerade »Kreutzer-Übungen« zu bewältigen suchte. Er sagte gelassen: »Für deine Kratzerei hätte auch eine ›Marktgeige‹ für vierzig Kronen genügt!«

Infolge dieses kränkenden, durch nichts motivierten Ausspruches schlug ich ihm die Peter Guarnerius, 600 Kronen, auf seinen öden Gymnasiastenschädel. Leider zersprang nicht dieser, sondern die Geige. Bei Tisch sagte mein Vater: »Na, wenn er lieber auf einer Marktgeige weiterspielt! Ich habe es ihm gut gemeint! Georg, weshalb neckst du aber auch so einen exaltierten Burschen? Lasset ihn seinen Weg gehen, er wird ihn schon finden, hoffentlich! Er ist zwar mein Sohn, aber verantwortlich bin ich noch lange nicht


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