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Psychologie


Psychologie. Aristoteles ist der Begründer der empirischen Psychologie und zugleich eines gemäßigten Dualismus. Das Leben ist nach Aristoteles (wie nach den meisten älteren Denkern) schon eine Funktion der Seele, die also zugleich (als »anima vegetetiva«, wie im Mittelalter gelehrt wird) die Lebenskraft ist. Diese Seele ist weder ein Körper noch eine immaterielle Substanz als besonderes Einzelwesen (wie bei Descartes u. a.), sondern die »Form« des organischen Leibes, die Verwirklichung (energeia) und Vollendung und zugleich das Ziel desselben, eine »Entelechie« (entelecheia, ein das Ziel in sich Habendes), genauer die erste Entelechie des Organismus (entelecheia hê prôtê sômatos physikou dynamei zôên echontos, de anima II, l), die Kraft der psychischen Betätigung (des Empfindens, Fühlens, Wollens, Denkens) und die psychische Auswirkung des Organismus (der an sich eine Lebenspotenz ist) selbst (dynamisch-aktualer Seelenbegriff). Sie ist die »Funktionsverwirklichung« des Organismus, die lebendige Tätigkeit desselben. Der Körper ist nicht selbst die Seele, sondern ein Stoff. Die Seele ist die »Form« eines Körpers, der das Vermögen zum Leben hat, sie ist die vollendete Wirklichkeit (Entelechie) eines solchen Körpers, den sie zusammenhält und dessen Wesen sie bildet. Trennt man das Seelische vom Organismus, so ist dieser kein Organismus mehr, dessen Ziel, Vollendung jenes ist. Wäre das Auge ein lebendiges Wesen, so würde das Sehen seine Seele sein, da dieses das begriffliche Sein des Auges ist, und das Auge wäre dann nur der Stoff des Sehens, ohne das Sehen aber kein wirkliches Auge. So ist auch ohne die Seele der Organismus nur dem Namen nach ein solcher. Hieraus folgt, daß die Seele vom Körper nicht trennbar ist. Die Seele ist kein Körper, aber etwas am Körper und im Körper, dessen Verwirklichung sie ist. Die Seele ist Ursache und Prinzip des lebenden Körpers, auch Ziel und Zweck desselben, denn alle natürlichen Körper sind Werkzeuge der Seele; die Körper der Pflanzen und Tiere sind nur wegen der Seele da.

Wie die Organismen treten auch die Seelen auf verschiedenen Entwicklungsstufen auf. In den Pflanzen ist die Seele nur Bildungskraft (threptikon), sie leitet die Ernährung und Zeugung; in den Tieren wirkt sie auch als Empfindendes (aisthêtikon), Begehrendes (orektikon) und Bewegendes (kinêtikon). Sitz der Empfindung ist das Herz. In der menschlichen Seele kommt zur den übrigen Kräften noch der Geist (dianoêtikon), die vom Leibe trennbare Denkkraft (nous) hinzu. Die Empfindung (oder Sinneswahrnehmung, aisthêsis) ist die Verwirklichung von Qualitäten, die vorher nur potentiell (in uns und in den Dingen) vorhanden waren, durch die Sinne, ein Geformtwerden dieser, aber kein Aufnehmen fertiger Formen, sondern ein »Verähnlichen« durch Annahme der »Form« des Dinges ohne dessen Stoff (to dektikon tôn aisthêtôn eidôn aneu tês hylês), wie das Wachs das Zeichen des Siegelringes ohne das Eisen aufnimmt. Durch einen und denselben Akt wird das Ding tönend, das Ohr hörend. Der Sinn leidet, so lange er nicht übereinstimmt mit dem Wahrnehmbaren, welches er zu seiner Funktion bedarf; durch das Erleiden seitens desselben wird er diesem gleich gemacht. Jeder Sinn hat sein spezifisches Wahrnehmbares (Farbe usw.). Das Licht ist die Wirklichkeit (Energie) des »Durchsichtigen«; die Farbe ist eine Bewegung des Durchsichtigen (Goethe, Hegel, Schopenhauer haben diese Lehre weitergebildet). Durch die Sinne gemeinsam werden Bewegung, Buhe, Gestalt, Zahl, Größe wahrgenommen. Mit der Sinneswahrnehmung beginnt alle Erkenntnis, wenn auch das Wesen der Dinge nur dem Denken sich enthüllt. Die Erinnerungs- und Einbildungsvorstellung (phantasia) ist eine psychische, beharrende Nachwirkung der Sinneswahrnehmung. Ohne vorangegangene Wahrnehmungen kommen keine Vorstellungen zustande. Die Erinnerung beruht auf dem Beharren (monê) des Eindrucks in der Seele. Die Assoziationsgesetze (nach Berührung in Raum und Zeit, Ähnlichkeit und Kontrast) kennt Aristoteles schon. Die Besinnung ist vom Willen geleitet und unter- scheidet sich dadurch von der passiven Erinnerung. Das Begehren knüpft sich vermittelst der Gefühle an das Empfinden, Vorstellen und Denken. Der Mensch besitzt außer den sinnlichen Seelenkräften einen Geist (Intellekt), der »göttlich« ist und »von außen« (thyrathen) in ihn gelangt. Ohne Vorstellungsbilder kann das Denken sich nicht betätigen (oudepote noei aneu phantasmatos hê psychê), wenn es auch nicht aus ihnen entspringt, kein Leiden, sondern eine besondere Tätigkeit der Seele ist. Indem der Intellekt die »Formen« der Dinge begrifflich erfaßt, ist er selbst dem Vermögen nach ein Inbegriff solcher Formen (hoti dynamei tôs esti ta noêta ho nous). Die denkende Seele ist der »Ort der Formen«. Das wirkliche Wissen ist mit seinem Gegenstande identisch; die Seele ist gewissermaßen das »All der Dinge«, die Vernunft ist die »Form der Formen«. Aristoteles unterscheidet einen »passiven« und einen »aktiven« Geist (pathêtikos - poioun, später erst nous poiêtikos genannt). Der passive Intellekt ist wie eine »tabula rasa« (grammateion), insofern er nur die Potenzen zu den Begriffen enthält, die in ihm durch den aktiven Geist (der zugleich das Gedachte, noêton ist.) aktualisiert werden. (Kein Sensualismus, wie etwa bei Condillac.) Die Vernunft ist teils so, daß sie alles wird, teils so, daß sie alles bewirkt, gleich dem Lichte, welches die potentiellen zu wirklichen Farben macht. Die Vernunft ist auch das Einheitsprinzip im Denken. Nur der aktive Geist ist unsterblich; wie er schon vor dem Leben existierte, dauert er nach dem Tode fort, da er vom Leibe trennbar (chôristos), einfach, leidlos (apathês), rein (amigês) ist, wobei man nicht an eine individuelle Unsterblichkeit zu denken braucht, denn nach Aristoteles hört mit dem Tode die Erinnerung auf. Das Gefühl (Lust und Unlust) besteht in der Wirksamkeit des wahrnehmenden Mittelpunktes nach dem Guten oder Schlechten hin, es weist auf die Förderung oder Hemmung der naturgemäßen Beschaffenheit des Organs hin. Aus dem Gefühle entspringt das Begehren (orexis, epithymia) als Streben nach Lust, nicht verschieden von dem Wahrnehmungsvermögen. Begehren und Verabscheuen bedeuten ein Bejahen und Verneinen eines Guten oder Schlechten. Das Begehren bewegt teils mittels der, teils gegen die Vernunft. Der Wille ist vom Intellekt geleitet, im Unterschiede vom sinnlichen Begehren. Eine Willensfreiheit besteht im psychologischen und ethischen Sinn. Freiwilligkeit und Wahlfreiheit, spontanes, unbehindertes und überlegtes, vernunftgemäßes Handeln stehen dein erzwungenen und unvernünftigen gegenüber. Von dem bloß Freiwilligen (hekousion) ist die besonnene Wahlfreiheit (die prohairesis) zu unterscheiden, welche zwischen Gutem und Bösem wählt, so daß die Tugend bei uns steht (eph' hêmin dê kai aretê).


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Seite zuletzt aktualisiert: 18.10.2006