Wieland, Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen


[Christoph Martin Wieland:] Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen. Nebst dem verbesserten Hermann. Sero sapiunt Phryges. Frankfurt und Leipzig 1755. In 8vo. auf 61/2 Bogen. Die Welt scheint zu verlangen, dass die Streitigkeiten im Reiche des Witzes nur immer mit den Waffen der lachenden Satire geführet würden. Wenn sie es aber mehr als einmal geduldet hat, dass man sich auch der schimpflichen Waffen der Schmähsucht und Possenreißerei dabei bedienen dürfen; so wird sie es hoffentlich nicht übel deuten, wenn sie nunmehr einen Patrioten zu schärfern greifen siehet, die der Ernst eben so weit über die Satire erhebt, als die Niederträchtigkeit jene unter die Satire erniedriget hatte. Und aus diesem Grunde versprechen wir der gegenwärtigen Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen am Ende, wenn man alle Umstände wird überlegt haben, eine gütigere Aufnahme, als sie einigen zu sehr nachsehenden Weisen, wegen der durchgehends darin herrschenden Strenge, bei dem ersten Anblicke verdient zu haben scheinen möchte. Es ist wahr; »die Erscheinung, wie unser Verfasser sagt, ist unglaublich, dass eine ganze Nation, in deren Schoß die Wissenschaften und die Freiheit zu denken blühen sollten, die fast von allen Seiten mit gesitteten und geistreichen Nationen umgeben ist, die sich eines Leibniz rühmen kann, - - sich von einem kleinen Haufen Idioten ohne Talente, ohne Einsichten, ohne Geschmack, so sehr hat betriegen lassen können, dass sie den willkürlichen und verdorbenen Geschmack dieser Leute, die in Frankreich oder England nicht einmal unter den Dunsen einigen Rang bekommen hätten, blindlings angenommen und zur Regel gemacht; dass sie diese schwachen und unfähigen Köpfe für große Geister, und ihre blöden, unförmlichen, und vernunftlosen Werke für ausgemachte Meisterstücke gehalten, fleißig gelesen, gelobt und nachgeahmet; dass sie diesen Leuten ein Ansehen, eine Diktatur zugestanden, die ihnen Macht gegeben, eine ganze Reihe von Jahren, dem Sens-commun Hohn zu sprechen, die Jugend zu verführen, und den Geschmack an geistlosen unwitzigen und unnützlichen Schriften, die weder den Verstand aufklären, noch das Herz rühren, noch die Sitten bilden, fast allgemein zu machen.« - - Es ist wahr, diese Erscheinung ist unglaublich; aber wie wenn sie sich auch niemals ereignet hätte? Wie, wenn es nicht wahr wäre, dass Gottsched und seine Anhänger jemals in einem so allgemeinen Ansehen gestanden hätten? Wie wenn man dem größern Teile der Nation, welcher ein zeitiges Stillschweigen beobachtet hat, und sich deswegen öffentlich wider niemanden erklären wollte, weil er sich noch für niemanden erklären konnte, mit solchen allgemeinen Beschuldigungen Unrecht täte? Alles dieses könnte leicht sein; gleichwohl aber bekennen wir ganz gern, dass man auch auf der andern Seite Grund habe, an dem Dasein eines Dinges zu zweifeln, das sich noch durch keine Wirkungen gezeigt hat. Wir wollen also nur wünschen, dass diese Wirkungen nun wenigstens nicht länger ausbleiben mögen; und wenn wir uns in unsern Vermutungen nicht triegen, so werden sie sich vielleicht, über lang oder kurz, an derjenigen zweiten Klasse äußern, von welcher auf der 12ten Seite ziemlich verächtlich gesprochen wird. - - Mehr wollen wir hier von einer Schrift nicht sagen, der es ohnedem an Lesern nicht fehlen wird. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 6 Gr.


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