Die Töpfereien von Nord-Staffordshire


Nördlich von dem Eisendistrikt von Staffordshire liegt ein industrieller Bezirk, zu dem wir uns jetzt wenden wollen: die Töpfereien (potteries), deren Hauptsitz die Gemeinde (borough) Stoke ist, welche die Ortschaften Henley, Burslem, Lane End, Lane Delph, Etruria, Coleridge, Langport, Tunstall, Golden Hill mit zusammen 60 000 Einwohnern umfaßt. Der Ch. E. Rept. berichtet hierüber: In einigen Zweigen dieser Fabrikation - von Steingut - haben die Kinder eine leichte Beschäftigung in warmen, luftigen Sälen; in andern dagegen wird von ihnen eine harte, anstrengende Arbeit verlangt, während sie weder hinreichende Nahrung noch gute Kleidung erhalten. Viele Kinder klagen: "Habe nicht genug zu essen, bekomme meist Kartoffeln und Salz, nie Fleisch, nie Brot, geh' nicht in die Schule, hab' keine Kleider nicht." - "Habe heute gar nichts zu Mittag gehabt, zu Hause haben sie nie ein Mittagessen, bekomme meist Kartoffeln und Salz, zuweilen Brot." - "Dies sind alle Kleider, die ich habe, kein Sonntagszeug zu Hause." Unter den Kindern, deren Arbeit besonders nachteilig ist, sind die mould-runners zu bemerken, die die fertig geformte Ware mit der Form in die Trockenstube zu tragen haben und nachher, wenn die erstere gehörig getrocknet ist, die leere Form zurückbringen. Sie müssen so den ganzen Tag unter einem für ihr Alter schweren Gewicht ab und zu gehen, und die hohe Temperatur, in der sie dies zu tun haben, vermehrt ihre Abmattung noch bedeutend. Diese Kinder sind, mit kaum einer einzigen Ausnahme, mager, blaß, schwächlich, klein und schlecht gewachsen; sie leiden fast alle an Magenübeln, Erbrechen, Mangel an Appetit, und viele von ihnen sterben an der Auszehrung. Fast ebenso schwächlich sind die Knaben, die mit dem Namen jiggers bezeichnet werden, nach dem Rad (jigger), das sie zu drehen haben. Am schädlichsten aber ist bei weitem die Arbeit derer, die die fertige Ware in eine Flüssigkeit, welche große Quantitäten Blei und häufig auch viel Arsenik enthält, eintauchen oder die frischeingetauchte Ware in die Hände zu nehmen haben. Die Hände und Kleider dieser Arbeiter - Männer und Kinder - sind immer naß von dieser Flüssigkeit, die Haut wird weich und löst sich bei dem fort währenden Anfassen rauher Gegenstände ab, so daß die Finger oft bluten und fortwährend in einem Zustande sind, der die Absorption dieser gefährlichen Stoffe im höchsten Grade begünstigt. Die Folgen davon sind heftige Schmerzen und ernstliche Krankheiten des Magens und der Eingeweide, hartnäckige Konstipation, Kolik, zuweilen Auszehrung und am allerhäufigsten Epilepsie bei Kindern. Bei Männern tritt gewöhnlich teilweise Lähmung der Handmuskeln, colica pictorum und Lähmung ganzer Glieder ein. Ein Zeuge erzählt, daß zwei Knaben, die mit ihm arbeiteten, bei der Arbeit in Krämpfen gestorben seien; ein anderer, der zwei Jahre als Knabe beim Eintauchen geholfen, erzählt, er habe anfangs heftige Unterleibsbeschwerden gehabt, dann einen Krampf, infolgedessen er zwei Monate bettlägerig war, seitdem Krämpfe immer häufiger, jetzt alle Tage, oft zehn bis zwanzig epileptische Anfälle an einem Tage. Seine rechte Seite sei gelähmt, und wie die Ärzte ihm sagten, werde er nie den Gebrauch seiner Glieder wiedererhalten. In einer Fabrik im Eintauchhause vier Männer, alle epileptisch und an heftiger Kolik leidend, und elf Knaben, von denen auch schon einige epileptisch. Kurz, diese fürchterliche Krankheit tritt infolge dieser Beschäftigung ganz allgemein ein, und auch das zum größeren Geldgewinn der Bourgeoisie! In den Zimmern, in denen das Steingut gescheuert wird, ist die Atmosphäre mit fein pulverisiertem Kieselstaub angefüllt, dessen Einatmung ebenso schädlich wirkt wie die des Stahlstaubes bei den Sheffielder Schleifern. Den Arbeitern geht der Atem aus, sie können nicht ruhig liegen, leiden an wunder Kehle, heftigem Husten und bekommen eine so leise Stimme, daß man sie kaum hören kann. Sie sterben auch alle an der Schwindsucht. In den potteries sollen verhältnismäßig viele Schulen sein, die den Kindern Gelegenheit zum Unterricht bieten, aber da sie so früh in die Fabriken geschickt werden und solange arbeiten müssen (meist zwölf und oft mehr Stunden); so sind sie nicht imstande, die Schulen zu benutzen, und daher konnten drei Viertel der vom Kommissär geprüften Kinder weder lesen noch schreiben, und der ganze Distrikt war in der tiefsten Unwissenheit. Kinder, die jahrelang Sonntagsschulen besucht haben, waren nicht imstande, einen Buchstaben vom andern zu unterscheiden, und im ganzen Distrikt steht außer der intellektuellen auch die sittliche und religiöse Bildung auf einer sehr niedrigen Stufe (Scriven, Rept. and evid.).


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