Dublin


Verlassen wir London, um die übrigen großen Städte der drei Reiche der Reihe nach durchzugehen. Nehmen wir zunächst Dublin, eine Stadt, deren Einfahrt von der See aus ebenso reizend wie die von London imposant ist; die Bai von Dublin ist die schönste des ganzen britischen Inselreichs und pflegt von den Irländern wohl gar mit der von Neapel verglichen zu werden. Die Stadt selbst hat ebenfalls große Schönheiten , und die aristokratischen Teile derselben sind besser und geschmackvoller angelegt als die irgendeiner andern britischen Stadt. Aber dafür gehören auch die ärmeren Bezirke von Dublin zu dem Widerlichsten und Häßlichsten, was man in der Welt sehen kann. Allerdings hat daran der irische Volkscharakter, der sich unter Umständen erst im Schmutz behaglich fühlt, seinen Anteil; aber da wir in jeder großen Stadt Englands und Schottlands auch Tausende von Irländern finden und jede arme Bevölkerung allmählich in dieselbe Unreinlichkeit versinken muß, so ist das Elend in Dublin nichts Spezifisches, nichts der irischen Stadt allein Angehöriges mehr, sondern etwas, das allen großen Städten der ganzen Welt gemeinsam ist. Die armen Distrikte von Dublin sind überaus ausgedehnt, und der Schmutz, die Unbewohnbarkeit der Häuser, die Vernachlässigung der Straßen übersteigen alle Begriffe. Von der Art, wie die Armen hier zusammengedrängt sind kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man hört, daß 1817 nach dem Bericht der Inspektoren des Arbeitshauses 3) in Barrack Street in 52 Häusern mit 390 Zimmern 1 318 Personen und in Church Street und der Umgegend in 71 Häusern mit 393 Zimmern 1 997 Menschen wohnten; daß

"in diesem und dem anstoßenden Distrikt eine Menge stinkender (foul) Gäßchen und Höfe sind, daß manche Keller ihr Licht nur durch die Türe empfangen und in mehreren derselben die Einwohner auf der nackten Erde schlafen, obwohl die Mehrzahl derselben doch wenigstens Bettstellen besitzt - daß aber z.B. Nicholson's Court in 28 kleinen, elenden Stuben 151 Menschen in der größten Not enthält, so daß in dem ganzen Hof nur zwei Bettstellen und zwei Bettdecken zu finden waren".

Die Armut ist so groß in Dublin, daß eine einzige wohltätige Anstalt, die der "Mendicity Association" , täglich 2 500 Personen, also ein Prozent der ganzen Bevölkerung, aufnimmt, den Tag über ernährt und abends wieder entläßt.

 

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3) Zitiert in Dr. W. P. Alison, F. R. S. E., fellow and late President of the Royal College of Physicians etc. etc., "Observations on the Management of the Poor in Scotland and its Effects on the Health of Great Towns", Edinburgh 1840. - Der Verfasser ist religiöser Tory und Bruder des Historikers Arch[ibald] Alison.


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