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I. [Die Länge der teleologischen Reihen]

 

Und damit ist endlich der Punkt erreicht, an dem das Geld in den Verwebungen der Zwecke seinen Platz findet. Ich muß mit Allbekanntem beginnen. Beruht aller wirtschaftliche Verkehr darauf, daß ich etwas haben will, was sich zur Zeit im Besitze eines anderen befindet, und daß er es mir überläßt, wenn ich ihm dafür etwas überlasse, was ich besitze und er haben will: so liegt auf der Hand, daß das letztgenannte Glied dieses zweiseitigen Prozesses sich nicht immer einstellen wird, wenn das erste auftaucht; unzähligemal werde ich den Gegenstand a begehren, der sich im Besitz von A befindet, während der Gegenstand oder die Leistung b, die ich gern dafür hingäbe, für A völlig reizlos ist; oder aber, die gegenseitig angebotenen Güter werden wohl beiderseitig begehrt, allein über die Quanta, in denen sie sich gegenseitig entsprechen, läßt sich durch unmittelbares Aneinanderhalten eine Einigung nicht erzielen. Deshalb ist es für die höchstmögliche Erreichung unserer Zwecke von größtem Werte, daß ein Mittelglied in die Kette der Zwecke eingefügt werde, in welches ich b jederzeit umsetzen und das sich seinerseits ebenso in a umsetzen kann - ungefähr wie jede beliebige Kraft, des fallenden Wassers, der erhitzten Gase, der windgetriebenen Mühlenflügel, wenn sie in die Dynamomaschine geleitet ist, mittels dieser in jede beliebige Kraftform umgesetzt werden kann. Wie meine Gedanken die Form der allgemein verstandenen Sprache annehmen müssen, um auf diesem Umwege meine praktischen Zwecke zu fördern, so muß mein Tun oder Haben in die Form des Geldwertes eingehen, um meinem weitergehenden Wollen zu dienen. Das Geld ist die reinste Form des Werkzeugs, und zwar von der oben bezeichneten Art: es ist eine Institution, in die der einzelne sein Tun oder Haben einmünden läßt, um durch diesen Durchgangspunkt hindurch Ziele zu erreichen, die seiner auf sie direkt gerichteten Bemühung unzugängig wären. Die Tatsache, daß jedermann unmittelbar mit ihm arbeitet, läßt seinen Werkzeugcharakter noch deutlicher hervortreten, als es in den vorhin erwähnten Typen geschieht - obgleich das Geld ja sein Wesen und seine Wirksamkeit nicht in dem Stück, das ich in der Hand habe, erschöpft, sondern dieselben an der sozialen Organisation und den übersubjektiven Normen hat, die es, über seine materielle Begrenztheit, Geringfügigkeit und Starrheit hinaus, eben zum Werkzeug unbegrenzt mannigfaltiger und weitreichender Zwecke werden lassen. Für die Gebilde des Staates und des Kultus war bezeichnend, daß sie, ausschließlich aus geistigen Kräften gebildet und zu keinem Kompromiß mit der Eigengesetzlichkeit äußerer Materie gezwungen, ihren Zweck in der Ganzheit ihres Wesens restlos ausdrückten. Aber sie stehen dabei ihren spezifischen Zwecken so nahe, daß sie eigentlich schon in sie hinabreichen, und daß das Gefühl sich oft gegen ihre Werkzeugsqualität - nach der sie an sich selbst wertlose, durch den dahinterstehenden Willen jedesmal erst zu belebende Mittel wären - sträubt und sie für sittliche Endwerte erklärt. Das Geld steht einer solchen Verdunkelung seines Mittelscharakters sehr fern. Im Unterschied, gegen jene Institutionen hat es inhaltlich gar keine Beziehungen zu dem einzelnen Zweck, zu dessen Erlangung es uns verhilft. Es steht völlig indifferent über den Objekten, da es von ihnen noch durch das Moment des Tausches geschieden ist: denn was das Geld als Ganzes vermittelt, das ist ja nicht der Besitz des Objekts, sondern der Austausch der Objekte untereinander. Das Geld in seinen vollkommenen Formen ist das absolute Mittel, indem es einerseits völlige teleologische Bestimmtheit besitzt und jede aus anders gearteten Reihen stämmende abweist, andrerseits sich aber auch dem Zweck gegenüber auf das reine Mittel- und Werkzeugsein beschränkt, durch keinen Einzelzweck in seinem Wesen präjudiziert wird und sich der Zweckreihe als völlig indifferenter Durchgangspunkt darbietet. Es ist vielleicht der entschiedenste Beweis und Ausdruck dafür, daß der Mensch das »werkzeugmachende« Tier ist, was freilich damit zusammenhängt, daß er das » zwecksetzende« Tier ist. Die Idee des Mittels bezeichnet überhaupt die Weltstellung des Menschen: er ist nicht wie das Tier an den Mechanismus des Trieblebens und die Unmittelbarkeit von Wollen und Genießen gebunden, er hat aber auch nicht die unmittelbare Macht wie wir sie an einem Gotte denken -, daß sein Wille schon an und für sich Verwirklichung des Gewollten sei. Er steht in der Mitte zwischen beiden, indem er zwar weit über den Augenblick hinaus wollen, aber dieses Wollen nur auf dem Umweg über eine gegliederte teleologische Reihe verwirklichen kann. Wenn für Plato die Liebe ein mittlerer Zustand zwischen Haben und Nicht-Haben ist, so ist sie in der subjektiven Innerlichkeit dasselbe, was das Mittel im Objektiven und Äußerlichen ist. Und wie für den Menschen, den immer strebenden, niemals dauernd befriedigten, immer erst werdenden, die Liebe in jenem Sinne der eigentlich menschliche Zustand ist, so ist nach der anderen Seite hin das Mittel und seine gesteigerte Form, das Werkzeug, das Symbol des Typus Mensch: es zeigt oder enthält die ganze Größe des menschlichen Willens, zugleich aber die Form, die ihn begrenzt. Die praktische Notwendigkeit, den Zweck um eine dazwischen gestellte Mittelreihe weit von uns abzurücken, hat vielleicht die ganze Vorstellung der Zukunft erst hervorgebracht - wie die Fähigkeit des Gedächtnisses die Vergangenheit - und damit dem Lebensgefühl des Menschen seine Form: auf der Wasserscheide zwischen Vergangenheit und Zukunft zu stehen, seine Ausdehnung und seine Beschränkung, gegeben. Im Geld aber hat das Mittel seine reinste Wirklichkeit erhalten, es ist dasjenige konkrete Mittel, das sich mit dem abstrakten Begriffe desselben ohne Abzug deckt: es ist das Mittel schlechthin. Und darin, daß es als solches die praktische Stellung des Menschen - den man, mit etwas paradoxer Kürze, das indirekte Wesen nennen könnte - zu seinen Willensinhalten, seine Macht und Ohnmacht ihnen gegenüber verkörpert, aufgipfelt, sublimiert - darin liegt die ungeheure Bedeutung des Geldes für das Verständnis der Grundmotive des Lebens. Nach dieser, von ihm zu der Ganzheit des Lebens hingehenden Richtung - betrachte ich es aber hier nur so weit, als dieselbe die umgekehrte, die vorläufig unser Zweck ist, gangbar macht: das Wesen des Geldes aus den inneren und äußeren Verhältnissen zu erkennen, die in ihm ihren Ausdruck, ihr Mittel oder ihre Folge gewinnen. Von den Bestimmungen, zu denen sich die bisherige Feststellung seiner entfaltet, schließe ich eine sogleich hier an, weil sie mit besonderer Unmittelbarkeit zeigt, in wie praktische Wirklichkeiten sich jener abstrakte Charakter des Geldes umsetzt.

 


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