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III. [Erläuterung dieses Wesens des Geldes an seiner Wertbeständigkeit, seiner Entwicklung, seiner Objektivität]

 

Weiter äußert sich dieser Sinn des Geldes empirisch als Wertkonstanz, die ersichtlich an seiner Fungibilität und Qualitätlosigkeit hängt und in der man eine der hervorstechendsten und zweckmäßigsten Eigenschaften des Geldes zu erblicken pflegt. Die Länge der wirtschaftlichen Aktionsreihen, ohne die es zu der Kontinuität, den organischen Zusammenhängen, der inneren Fruchtbarkeit der Wirtschaft nicht gekommen wäre, hängt von der Stabilität des Geldwertes ab, weil diese allein weitausschauende Berechnungen, vielgliedrige Unternehmungen, langsichtige Kredite möglich macht. Solange man nun die Preisschwankungen eines einzelnen Objekts im Auge hat, ist es nicht bestimmbar, ob der Wert des letzteren sich verändert und der des Geldes stabil bleibt, oder ob es etwa umgekehrt ist; eine Konstanz des Geldwertes ergibt sich erst als objektive Tatsache, sobald den Preiserhöhungen einer Ware oder eines Warengebietes Preissenkungen anderer korrespondieren. Eine allgemeine Erhöhung sämtlicher Warenpreise würde Erniedrigung des Geldwertes bedeuten; sobald jene stattfindet, ist also die Konstanz des Geldwertes durchbrochen. Möglich ist dies überhaupt nur dadurch, daß das Geld über seinen reinen Funktionscharakter als Ausdruck des Wertverhältnisses konkreter Dinge hinaus gewisse Qualitäten enthält, die es spezialisieren, zu einem Marktgegenstand machen, es bestimmten Konjunkturen, Quantitätsverschiebungen, Eigenbewegungen unterwerfen, also es aus seiner absoluten Stellung, die es als Ausdruck der Relationen hat, in die einer Relativität hineindrängen, so daß es, kurz gesagt, nicht mehr Relation ist, sondern Relationen hat. Nur in dem Maße, in dem das Geld, seinem reinen Wesen treu, alledem entzogen ist, besitzt es Wertkonstanz, die also daran gebunden ist, daß Preisschwankungen nicht Änderungen seiner Beziehung zu den Dingen, sondern nur sich ändernde Beziehungen der Dinge untereinander bedeuten; und diese wiederum involvieren, daß der Erhöhung des einen eine Erniedrigung eines anderen korrespondiert. Soweit das Geld also die ihm wesentliche Eigenschaft der Wertstabilität wirklich besitzt, verdankt es sie seiner Aufgabe, die wirtschaftlichen Relationen der Dinge, oder: die Relationen, durch die die Dinge zu wirtschaftlich wertvollen werden, in sich in reiner Abstraktheit - durch sein bloßes Quantum - auszudrücken, ohne selbst in sie einzutreten. Deshalb ist auch die Funktion des Geldes eine um so dringlichere, je umfänglicher und lebhafter die Änderungen der wirtschaftlichen Werte erfolgen. Wo die Werte der Waren sehr entschieden und dauernd fixiert sind, liegt es nahe, sie in natura auszutauschen. Das Geld entspricht dem Zustand des Wechsels ihrer gegenseitigen Wertverhältnisse, weil es für jede Änderung derselben den absolut zutreffenden und schmiegsamen Ausdruck darbietet. Daß der wirtschaftliche Wert eines Dinges in dem nach allen Seiten hin bestimmten Austauschverhältnis zu allen anderen Dingen besteht, wird ersichtlich durch die Variabilität dieser Verhältnisse am fühlbarsten, da jede partielle Verschiebung weitere Ausgleichsbewegungen zu fordern pflegt und so die Relativität innerhalb des Ganzen immer von neuem bewußt macht. Indem das Geld nichts als der Ausdruck dieser Relativität ist, verstehen wir die anderwärts hervorgehobene Tatsache, daß Geldbedarf mit dem Schwanken der Preise, Naturaltausch mit ihrer Fixiertheit in gewissem Zusammenhange stehen.

 Der so bestimmte reine Sinn des Geldes tritt begreiflicherweise theoretisch wie praktisch erst mit ausgebildeter Geldwirtschaft klarer hervor; der Träger, an dem dieser Sinn sich erst in allmählicher Entwicklung darstellt, hält das Geld ursprünglich noch in der Reihe der Objekte selbst zurück, deren bloßes Verhältnis es eigentlich zu symbolisieren bestimmt ist. Für die mittelalterliche Theorie ist der Wert etwas Objektives: sie verlangt vom Verkäufer, er solle den »gerechten« Preis für seine Ware fordern, und sucht diesen gelegentlich durch Preistaxen zu fixieren; jenseits der Verhältnisse von Käufer und Verkäufer haftete dem Dinge an und für sich sein Wert als eine Eigenschaft seiner isolierten Natur an, mit der es in den Tauschakt eintrat. Diese Vorstellung vom Werte - dem substanziell-absolutistischen Weltbild der Epoche entsprechend - liegt bei naturalwirtschaftlichen Verhältnissen besonders nahe. Ein Stück Land für geleistete Dienste, eine Ziege für ein Paar Schuhe, ein Kleinod für zwanzig Seelenmessen - das waren Dinge, an die sich gewisse Intensitäten des Wertgefühles so unmittelbar knüpften, daß ihre Werte als objektiv einander entsprechend erscheinen konnten. Je unmittelbarer der Tausch stattfindet und in je einfacheren Verhältnissen - so daß nicht erst eine Vielheit vergleichender Beziehungen dem Objekt seine Stellung zuweist - desto eher kann der Wert als eine eigene Bestimmtheit des Objektes erscheinen. Die eindeutige Sicherheit, mit der man so den Austausch vollzog, spiegelte sich in der Vorstellung, daß sie durch eine objektive Qualität der Dinge selbst hervorgebracht würde. Erst die Einstellung des einzelnen Objekts in eine vielgliedrige Produktion und nach allen Seiten hin ausgreifende Tauschbewegungen legt es nahe, seine wirtschaftliche Bedeutung in seiner Beziehung zu anderen Objekten, und so wechselseitig, zu suchen; dies aber fällt mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft zusammen. Daß der Sinn des wirtschaftlichen Objektes als solchen in dieser Relativität besteht und daß es der Sinn des Geldes ist, sich immer reiner zum Ausdruck dieser Relativität zu machen - dies beides wird erst in Wechselwirkung dem Bewußtsein näher gebracht. Das Mittelalter nahm eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Objekte und dem Geldpreis an, d.h. eine, die auf dem an sich seienden Wert jedes von ihnen beruhte und die deshalb zu einer objektiven »Richtigkeit« gebracht werden konnte, und also auch sollte. Der Irrtum dieser substanzialistischen Anschauung ist methodisch derselbe, wie wenn man zwischen einem Individuum und dem Inhalte irgendeines Rechtes einen unmittelbaren Zusammenhang behaupten wollte, derart, daß das Wesen jenes Menschen, wie es an und für sich und ohne weitere Rücksicht auf außer ihm Liegendes ist, auf diese Kompetenz einen »gerechten« Anspruch hätte - wie es etwa in der individualistischen Vorstellung der »Menschenrechte« geschehen ist. In Wirklichkeit ist Recht doch nur ein Verhältnis von Menschen untereinander und vollzieht sich nur an den Interessen, Objekten oder Machtvollkommenheiten, die wir einen Rechtsinhalt, »ein Recht« im engeren Sinne nennen und die an und für sich überhaupt keine angebbare, ihnen selbst anzusehende »gerechte« oder » ungerechte« Beziehung zu einem Individuum haben. Erst wenn jenes Verhältnis besteht und sich zu Normen gefestigt hat, können diese von sich aus, einen einzelnen Menschen und einen einzelnen Inhalt gleichsam zusammen ergreifend, die Verfügungsgewalt jenes über diesen als eine gerechte charakterisieren. So kann es allerdings einen gerechten Geldpreis für eine Ware geben, aber nur als Ausdruck eines bestimmten, nach allen Seiten hin ausgeglichenen Tauschverhältnisses zwischen dieser und allen anderen Waren, nicht aber als Folge des inhaltlichen Wesens der Ware für sich und der Geldsumme für sich, die sich so vielmehr ganz beziehungslos, jenseits von gerecht und ungerecht gegenüberstehen.

 


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