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I. [Der wirtschaftliche Wert als Objektivation subjektiver Werte, vermöge der Distanzierung zwischen dem unmittelbar genießenden Subjekt und dem Gegenstand]

 

Indem die differenzierende Zuspitzung des Bedürfnisses mit der Schwächung seiner elementaren Gewalt Hand in Hand geht, wird im Bewußtsein mehr Platz für das Objekt. Oder eben von der anderen Seite gesehen: weil die Verfeinerung und Spezialisierung des Bedürfnisses das Bewußtsein zu einer größeren Hingabe an das Objekt zwingt, wird dem solipsistischen Bedürfnis ein Quantum von Kraft entzogen. Allenthalben steht die Schwächung der Affekte, d.h. der unbedingten Hingabe des Ich an seinen momentanen Gefühlsinhalt, in Wechselbeziehung mit der Objektivation der Vorstellungen, mit der Heraussetzung derselben in eine uns gegenüberstehende Existenzform. So ist z.B. das Sichaussprechenkönnen eines der mächtigsten Dämpfungsmittel der Affekte. In dem Worte projiziert sich der innere Vorgang gleichsam nach außen, man hat ihn nun als ein wahrnehmbares Gebilde sich gegenüber und damit die Heftigkeit des Affektes abgeleitet. Die Beruhigung der Leidenschaften und die Vorstellung des Objektiven als solchen in seiner Existenz und Bedeutung sind nur zwei Seiten eines und desselben Grundprozesses. Die Wendung des innerlichen Interesses von dem bloßen Bedürfnis und seiner Befriedigung zum Objekt mittelst verengerter Möglichkeiten der letzteren ist ersichtlich ebensogut von der Seite des Objekts aus herzustellen und zu steigern - indem dasselbe die Befriedigung schwer, selten, nur auf Umwegen und durch besonderen Krafteinsatz erreichbar macht. Wenn wir nämlich selbst ein sehr differenziertes, nur auf ganz ausgewählte Objekte gerichtetes Begehren voraussetzen, so wird doch auch dieses seine Befriedigung noch relativ wie selbstverständlich hinnehmen, solange dieselbe sich ohne Schwierigkeit und Widerstand darbietet. Worauf es ankommt, um die Eigenbedeutung der Dinge zu erkennen, das ist doch die Distanz, die sich zwischen ihnen und unserem Aufnehmen bildet. Es ist nur einer der vielen Fälle, in denen man von den Dingen hinwegtreten, einen Raum zwischen uns und sie legen muß, um ein objektives Bild von ihnen zu bekommen. Sicher ist ein solches nicht weniger subjektiv- optisch bestimmt als das undeutliche oder verzerrte bei zu großem oder zu kleinem Abstand; allein aus inneren Zweckmäßigkeitsgründen des Erkennens gewinnt die Subjektivität gerade bei den Extremen der Distanz spezifische Betonung. Ursprünglich besteht das Objekt nur in unserer Beziehung zu ihm, ist ganz in. diese eingeschmolzen und tritt uns erst in dem Maß gegenüber, in dem es sich dieser Beziehung nicht mehr ohne weiteres fügt. Auch zu dem eigentlichen Begehren der Dinge, das ihr Fürsichsein anerkennt, indem es dasselbe gerade zu überwinden sucht, kommt es erst da, wo Wunsch und Erfüllung nicht zusammenfallen. Die Möglichkeit des Genusses muß sich erst, als ein Zukunftsbild, von unserem augenblicklichen Zustand getrennt haben, damit wir die Dinge begehren, die nun in Distanz von uns stehen. Wie im Intellektuellen die ursprüngliche Einheit der Anschauung, die wir noch an Kindern beobachten, erst allmählich in das Bewußtsein des Ich und des ihm gegenüberstehenden Objektes auseinandergeht, so wird der naive Genuß erst dann einem Bewußtsein von der Bedeutung des Dinges, gleichsam einem Respekt vor ihm, Raum geben, wenn das Ding sich ihm entzieht. Auch hier tritt der Zusammenhang zwischen der Schwächung der Begehrungsaffekte und der beginnenden Objektivation der Werte hervor, indem das Herabsetzen der elementaren Heftigkeit des Wollens und Fühlens das Bewußtwerden des Ich begünstigt. Solange sich die Persönlichkeit noch ohne Reserve dem momentanen Affekt hingibt, von ihm ganz und gar erfüllt und hingenommen wird, kann sich das Ich noch nicht herausbilden; das Bewußtsein eines Ich vielmehr, das jenseits seiner einzelnen Erregungen steht, kann sich erst dann als das Beharrende in allem Wechsel dieser letzteren zeigen, wenn nicht jede derselben den ganzen Menschen mehr mitreißt; sie müssen vielmehr irgendeinen Teil seiner unergriffen lassen, der den Indifferenzpunkt ihrer Gegensätze bildet, so daß also erst eine gewisse Herabsetzung und Einschränkung ihrer ein Ich als den immer gleichen Träger ungleicher Inhalte entstehen läßt. Wie aber das Ich und das Objekt in allen möglichen Provinzen unserer Existenz Korrelatbegriffe sind, die in der ursprünglichen Form des Vorstellens noch ungeschieden liegen und sich aus ihr, das eine am anderen, erst herausdifferenzieren - so dürfte auch der selbständige Wert der Objekte sich erst an dem Gegensatz zu einem selbständig gewordenen Ich entfalten. Erst die Repulsionen, die wir von dem Objekt erfahren, die Schwierigkeiten seiner Erlangung, die Warte- und Arbeitszeit, die sich zwischen Wunsch und Erfüllung schieben, treiben das Ich und das Objekt auseinander, die in dem unmittelbaren Beieinander von Bedürfnis und Befriedigung unentwickelt und ohne gesonderte Betonung ruhen. Mag die hier wirkende Bestimmung des Objekts nun in seiner bloßen Seltenheit - relativ zu seiner Begehrtheit - oder in den positiven Aneignungsmühen bestehen, jedenfalls setzt es erst dadurch jene Distanz zwischen ihm und uns, die schließlich gestattet, ihm einen Wert jenseits seines bloßen Genossenwerdens zuzuteilen.

 


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