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XVIII. Farbige Bilder durch Brechung verrückt

 

258. Eine farbige große Fläche zeigt innerhalb ihrer selbst, so wenig als eine schwarze, weiße oder graue, irgendeine prismatische Farbe; es müßte denn zufällig oder vorsätzlich auf ihr Hell und Dunkel abwechseln. Es sind also auch nur Beobachtungen durchs Prisma an farbigen Flächen anzustellen, insofern sie durch einen Rand von einer andern verschieden tingierten Fläche abgesondert werden, also auch nur an farbigen Bildern.

259. Es kommen alle Farben, welcher Art sie auch sein mögen, darin mit dem Grauen überein, daß sie dunkler als Weiß und heller als Schwarz erscheinen. Dieses Schattenhafte der Farbe (skieron) ist schon früher angedeutet worden (69) und wird uns immer bedeutender werden. Wenn wir also vorerst farbige Bilder auf schwarze und weiße Flächen bringen und sie durchs Prisma betrachten, so werden wir alles, was wir bei grauen Flächen bemerkt haben, hier abermals finden.

260. Vertücken wir ein farbiges Bild, so entsteht, wie bei farblosen Bildern, nach eben den Gesetzen, ein Nebenbild. Dieses Nebenbild behält, was die Farbe betrifft, seine ursprüngliche Natur bei und wirkt auf der einen Seite als ein Blaues und Blaurotes, auf der entgegengesetzten als ein Gelbes und Gelbrotes. Daher muß der Fall eintreten, daß die Scheinfarbe des Randes und des Saumes mit der realen Farbe eines farbigen Bildes homogen sei; es kann aber auch im andern Falle das mit einem Pigment gefärbte Bild mit dem erscheinenden Rand und Saum sich heterogen finden. In dem ersten Falle identifiziert sich das Scheinbild mit dem wahren und scheint dasselbe zu vergrößern; dahingegen in dem zweiten Falle das wahre Bild durch das Scheinbild verunreinigt, undeutlich gemacht und verkleinert werden kann. Wir wollen die Fälle durchgehen, wo diese Wirkungen sich am sonderbarsten zeigen.

261. Man nehme die zu diesen Versuchen vorbereitete Tafel vor sich und betrachte das rote und blaue Viereck auf schwarzem Grunde nebeneinander, nach der gewöhnlichen Weise durchs Prisma, so werden, da beide Farben heller sind als der Grund, an beiden, sowohl oben als unten, gleiche farbige Ränder und Säume entstehen, nur werden sie dem Auge des Beobachters nicht gleich deutlich erscheinen.

262. Das Rote ist verhältnismäßig gegen das Schwarze viel heller als das Blaue. Die Farben der Ränder werden also an dem Roten stärker als an dem Blauen erscheinen, welches hier wie ein Dunkelgraues wirkt, das wenig von dem Schwarzen unterschieden ist (251).

263. Der obere rote Rand wird sich mit der Zinnoberfarbe des Vierecks identifizieren, und so wird das rote Viereck hinaufwärts ein wenig vergrößert erscheinen; der gelbe herabwärtsstrebende Saum aber gibt der roten Fläche nur einen höhern Glanz und wird erst bei genauerer Aufmerksamkeit bemerkbar.

264. Dagegen ist der rote Rand und der gelbe Saum mit dem blauen Viereck heterogen; es wird also an dem Rande eine schmutzig rote und hereinwärts in das Viereck eine schmutzig grüne Farbe entstehen, und so wird beim flüchtigen Anblick das blaue Viereck von dieser Seite zu verlieren scheinen.

265. An der untern Grenze der beiden Vierecke wird ein blauer Rand und ein violetter Saum entstehen und die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen. Denn der blaue Rand, der mit der Zinnoberfläche heterogen ist, wird das Gelbrote beschmutzen und eine Art von Grün hervorbringen, so daß das Rote von dieser Seite verkürzt und hinaufgerückt erscheint und der violette Saum nach dem Schwarzen zu kaum bemerkt wird.

266. Dagegen wird der blaue Scheinrand sich mit der blauen Fläche identifizieren, ihr nicht allein nichts nehmen, sondern vielmehr noch geben; und dieselbe wird also dadurch und durch den violetten benachbarten Saum, dem Anscheine nach, vergrößert und scheinbar herunter gerückt werden.

267. Die Wirkung der homogenen und heterogenen Ränder, wie ich sie gegenwärtig genau beschrieben habe, ist so mächtig und so sonderbar, daß einem flüchtigen Beschauer beim ersten Anblicke die beiden Vierecke aus ihrer wechselseitig horizontalen Lage geschoben und im entgegengesetzten Sinne verrückt scheinen, das Rote hinaufwärts, das Blaue herabwärts. Doch niemand, der in einer gewissen Folge zu beobachten, Versuche aneinander zu knüpfen, auseinander herzuleiten versteht, wird sich von einer solchen Scheinwirkung täuschen lassen.

268. Eine richtige Einsicht in dieses bedeutende Phänomen wird aber dadurch erleichtert, daß gewisse scharfe, ja ängstliche Bedingungen nötig sind, wenn diese Täuschung stattfinden soll. Man muß nämlich zu dem roten Viereck ein mit Zinnober oder dem besten Mennig, zu dem blauen ein mit Indig recht satt gefärbtes Papier besorgen. Alsdann verbindet sich der blaue und rote prismatische Rand, da wo er homogen ist, unmerklich mit dem Bilde, da wo er heterogen ist, beschmutzt er die Farbe des Vierecks, ohne eine sehr deutliche Mittelfarbe hervorzubringen. Das Rot des Vierecks darf nicht zu sehr ins Gelbe fallen, sonst wird oben der dunkelrote Scheinrand zu sehr bemerklich; es muß aber von der andern Seite genug vom Gelben haben, sonst wird die Veränderung durch den gelben Saum zu deutlich. Das Blaue darf nicht hell sein, sonst wird der rote Rand sichtbar, und der gelbe Saum bringt zu offenbar ein Grün hervor, und man kann den untern violetten Saum nicht mehr für die verrückte Gestalt eines hellblauen Vierecks ansehen oder ausgeben.

269. Von allem diesem wird künftig umständlicher die Rede sein, wenn wir vom Apparate zu dieser Abteilung handeln werden. Jeder Naturforscher bereite sich die Tafeln selbst, um dieses Taschenspielerstückchen hervorbringen zu können und sich dabei zu überzeugen, daß die farbigen Ränder selbst in diesem Falle einer geschärften Aufmerksamkeit nicht entgehen können.

270. Indessen sind andere mannigfaltige Zusammenstellungen, wie sie unsre Tafel zeigt, völlig geeignet, allen Zweifel über diesen Punkt jedem Aufmerksamen zu benehmen.

271. Man betrachte dagegen ein weißes, neben dem blauen stehendes Viereck auf schwarzem Grunde, so werden an dem weißen, welches hier an der Stelle des roten steht, die entgegengesetzten Ränder in ihrer höchsten Energie sich zeigen. Es erstreckt sich an demselben der rote Rand fast noch mehr als oben am roten selbst über die Horizontallinie des blauen hinauf; der untere blaue Rand aber ist an dem weißen in seiner ganzen Schöne sichtbar; dagegen verliert er sich in dem blauen Viereck durch Identifikation. Der violette Saum hinabwärts ist viel deutlicher an dem weißen als an dem blauen.

272. Man vergleiche nun die mit Fleiß übereinander gestellten Paare gedachter Vierecke, das rote mit dem weißen, die beiden blauen Vierecke miteinander, das blaue mit dem roten, das blaue mit dem weißen, und man wird die Verhältnisse dieser Flächen zu ihren farbigen Rändern und Säumen deutlich einsehen.

273. Noch auffallender erscheinen die Ränder und ihre Verhältnisse zu den farbigen Bildern, wenn man die farbigen Vierecke und das schwarze auf weißem Grunde betrachtet. Denn hier fällt jene Täuschung völlig weg, und die Wirkungen der Ränder sind so sichtbar, als wir sie nur in irgendeinem andern Falle bemerkt haben. Man betrachte zuerst das blaue und rote Viereck durchs Prisma. An beiden entsteht der blaue Rand nunmehr oben. Dieser, homogen mit dem blauen Bilde, verbindet sich demselben und scheint es in die Höhe zu heben, nur daß der hellblaue Rand oberwärts zu sehr absticht. Der violette Saum ist auch herabwärts ins Blaue deutlich genug. Eben dieser obere blaue Scheinrand ist nun mit dem roten Viereck heterogen, er ist in der Gegenwirkung begriffen und kaum sichtbar. Der violette Saum indessen bringt, verbunden mit dem Gelbroten des Bildes, eine Pfirsichblütfarbe zuwege.

 


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