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II. [Beziehung des Geldes zu den Trägern dieser Gegenbewegungen]

 

Und deshalb mögen diese Gegenrichtungen, da sie nun einmal eingeschlagen sind, auch einem Ideal absolut reinlicher Scheidung zustreben: in dem aller Sachgehalt des Lebens immer sachlicher und unpersönlicher wird, damit der nicht zu verdinglichende Rest desselben um so persönlicher, ein um so unbestreitbareres Eigen des Ich werde. Ein bezeichnender Einzelfall dieser Bewegung ist die Schreibmaschine; das Schreiben, ein äußerlich-sachliches Tun, das doch in jedem Fall eine charakteristisch-individuelle Form trägt, wirft diese letztere nun zugunsten mechanischer Gleichförmigkeit ab. Damit ist aber nach der anderen Seite hin das Doppelte erreicht: einmal wirkt nun das Geschriebene seinem reinen Inhalte nach, ohne aus seiner Anschaulichkeit Unterstützung oder Störung zu ziehen, und dann entfällt der Verrat des Persönlichsten, den die Handschrift so oft begeht, und zwar vermöge der äußerlichsten und gleichgültigsten Mitteilungen nicht weniger als bei den intimsten. So sozialisierend also auch alle derartigen Mechanisierungen wirken, so steigern sie doch das verbleibende Privateigentum des geistigen Ich zu um so eifersüchtigerer Ausschließlichkeit. Freilich ist diese Vertreibung der subjektiven Seelenhaftigkeit aus allem Äußerlichen dem ästhetischen Lebensideal ebenso feindlich, wie sie dem der reinen Innerlichkeit günstig sein kann - eine Kombination, die ebenso die Verzweiflung rein ästhetisch gestimmter Persönlichkeiten an der Gegenwart erklärt, wie die leise Spannung, die zwischen derartigen Seelen und solchen, die nur auf das innere Heil gerichtet sind, jetzt in gleichsam unterirdischeren Formen - ganz anderen als zur Zeit Savonarolas - aufwächst. Indem das Geld ebenso Symbol wie Ursache der Vergleichgültigung und Veräußerlichung alles dessen ist, was sich überhaupt vergleichgültigen und veräußerlichen läßt, wird es doch auch zum Torhüter des Innerlichsten, das sich nun in eigensten Grenzen ausbauen kann.

Inwieweit dies nun freilich zu jener Verfeinerung, Besonderheit und Verinnerlichung des Subjekts führt, oder ob es umgekehrt die unterworfenen Objekte gerade durch die Leichtigkeit ihrer Erlangung zu Herrschern über den Menschen werden läßt - das hängt nicht mehr vom Gelde, sondern eben vom Menschen ab. Die Geldwirtschaft zeigt sich auch hier in ihrer formalen Beziehung zu sozialistischen Zuständen; denn was von diesen erwartet wird: die Erlösung von dem individuellen Kampf ums Dasein, die Sicherung der niedrigeren und die leichte Zugängigkeit der höheren Wirtschaftswerte - dürfte gleichfalls die differenzierende Wirkung üben, daß ein gewisser Bruchteil der Gesellschaft sich in eine bisher unerhörte und von allen Gedanken an das Irdische entfernteste Höhe der Geistigkeit erhebt, während ein anderer Bruchteil gerade in einen ebenso unerhörten praktischen Materialismus versänke.

Im großen und ganzen wird das Geld wohl am wirksamsten an denjenigen Seiten unseres Lebens, deren Stil durch das Übergewicht der objektiven Kultur über die subjektive bestimmt wird. Daß es aber auch den umgekehrten Fall zu stützen sich nicht weigert, das stellt Art und Umfang seiner historischen Macht in das hellste Licht. Man könnte es höchstens nach mancher Richtung hin der Sprache vergleichen, die sich ebenfalls den divergentesten Richtungen des Denkens und Fühlens unterstützend, verdeutlichend, herausarbeitend leiht. Es gehört zu jenen Gewalten, deren Eigenart gerade in dem Mangel an Eigenart besteht, die aber dennoch das Leben sehr verschieden färben können, weil das bloß Formale, Funktionelle, Quantitative, das ihre Seinsart ist, auf qualitativ bestimmte Lebensinhalte und -richtungen trifft und diese zur weiteren Zeugung qualitativ neuer Bildungen bestimmt. Seine Bedeutung für den Stil des Lebens wird dadurch, daß es beiden möglichen Verhältnissen zwischen dem objektiven und dem subjektiven Geist zur Steigerung und Reife hilft, nicht aufgehoben, sondern gesteigert, nicht widerlegt, sondern erwiesen.

 


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