Schönings letzte Jahre.
Erscheinung und Charakter


Wir begleiten Hans Adam, der vom Herbst 1689 an bis zu seiner Übersiedelung nach Dresden fast ausschließlich in Tamsel lebte, nunmehr durch seine letzten Lebensjahre. Mit wachsenden äußeren Ehren gingen immer wachsende Kränkungen Hand in Hand. Schöning war nicht allein in sächsische Dienste getreten, dreißig brandenburgische Offiziere waren ihm gefolgt und innerhalb der sächsischen Armee wurden jetzt ähnliche Empfindungen rege, wie vier Jahre zuvor im Brandenburgischen, als Feldmarschall Schomberg, gefolgt von seinen Söhnen und anderen französischen Refugiés, über die Köpfe der alten brandenburgischen Generale (z.B. Derfflingers) hinweg, in die brandenburgische Armee eingetreten war. Hier wie dort glaubte man Eindringlinge vor sich zu haben und bittere Empfindungen griffen Platz. Neuerungen, die Schöning einzuführen Miene machte, machten ihn vollends nicht beliebt, und er mochte von Glück sagen, daß ein Feldzug am Rhein, zu dem auch sächsische Truppen beordert wurden, die Gedanken der Unzufriedenen in andere Bahnen lenkte.

Aber von anderer Seite her kam größere und ernstere Gefahr. Die sächsischen Truppen im kaiserlichen Heere waren während der Rheinkampagne 1691 herzlich schlecht gehalten, ja bei Gelegenheit der Winterquartiere in einer Weise behandelt worden, daß es einer Beleidigung oder Mißachtung des Kurfürsten von seiten des Wiener Hofes ziemlich nahe kam. Hiergegen lehnte sich Schöning, der seinem neuen Herrn in Ernst und Treue diente, energisch auf und drang in ihn, bei der kaiserlichen Armee nur das Reichskontingent (3 000 Mann) zu belassen. »Schöning« – so erzählt Paul von Gundling in einem der Berliner Bibliothek angehörigen Manuskript – »handelte sehr sicher und war in seinen Reden wider des Kaisers Majestät sehr frei. Dadurch wurde indessen seine Stellung sehr gefährlich, und zwar um so gefährlicher, als eben jetzt ein französischer Abgesandter, namens Bidal, in Dresden eingetroffen war, der häufig mit dem Kurfürsten und Schöning verhandelte. Der österreichische Gesandte Clary ermangelte nicht, über alles dies sehr übertriebene Berichte nach Wien hin zu erstatten.«

Kurz, man glaubte alsbald in Wien an ein sächsisch-französisches Bündnis oder gab sich wenigstens das Ansehen, an ein solches zu glauben, um gestützt darauf einen Coup ausführen und die unbequeme Gestalt Schönings vom sächsischen Hofe entfernen zu können. Schöning selbst hatte keine Ahnung von dem, was ihm drohte. Er reiste, seit längerer Zeit ernstlich am Podagra leidend, in die Bäder von Teplitz. Hier ward er, auf den eben geschilderten Verdacht hin, von den Österreichern aufgehoben, ganz unter ähnlichen Umständen, wie sechzig Jahre früher Hans Georg von Arnim, ebenfalls ein Brandenburger und sächsischer Feldmarschall, von den Schweden aufgehoben und nach Stockholm hin transportiert worden war.

Über die Art der Aufhebung Schönings liegt uns folgender Bericht vor. In der Nacht zum 23. Juni marschierte ein Offizier mit zweihundert Mann von Prag aus nach Teplitz, umstellte Schönings Wohnung, ließ ohne weiteres eine Salve geben, brach mit Gewalt ins Haus ein und nahm den Feldmarschall gefangen, der, im bloßen Hemd aus dem Bett gesprungen, kaum Zeit gefunden hatte, einen Schlafrock überzuwerfen. So, mit bloßen Füßen, setzte man ihn in eine Kalesche, der Offizier und zwei Mann mit ihm, und fuhr im schnellsten Galopp der Festung Prag zu. Der Adjutant des Feldmarschalls, Major von Droste, jagte sofort dem Wagen nach und griff die schwache Bedeckung an. Als aber einer der Soldaten das Gewehr auf Schöning anlegte und diesen zu erschießen drohte, überließ Droste den Feldmarschall den Händen seiner Überwinder. Von Prag aus brachte man ihn nach dem Spielberg bei Brünn und führte dort sein Verhör. Man wollte einen zweiten Wallenstein aus ihm machen und hielt die Meinung aufrecht, daß er nicht ohne Absichten nach dem Reichskommando gestrebt habe. Aber alle Bemühungen, ihn zu einem Hochverräter, zu einem »Verbrecher gegen die Interessen des Reichs« zu stempeln, waren vergeblich.

Sachsen war durch dieses eigenmächtige Vorgehen aufs schwerste beleidigt und zog zunächst die 3000 Mann zurück, die es als Reichskontingent gestellt hatte. Alle Schritte aber, die Freilassung Schönings zu erwirken, blieben fruchtlos, bis endlich, nach zwei Jahren schmählicher Gefangenschaft, der Regierungsantritt des Kurfürsten Friedrich August und die energischen Proteste desselben Schöning die Freiheit wiedergaben. Um die Aussöhnung vollständiger zu machen, erschien der bis dahin Gefangengehaltene vor Kaiser und Kaiserin und ward, um seines Podagras willen, in einem Sessel vor die beiden Majestäten getragen, ein Umstand, der nicht ermangelte, in ganz Europa die größte Sensation hervorzurufen.

Es war das viel Auszeichnung, auch namentlich wohl in den Augen Schönings, der besonders empfänglich war für Huldigungen wie diese. Die Süßigkeit solcher Stunden indes konnte seinem Herzen nicht wiedergeben, was jahrelange Verbitterung ihm genommen hatte. Gefeiert, aber im Innersten gebrochen, zog er in Dresden ein und die Gnadenbezeugungen Friedrich Augusts begleiteten nur noch einen Hinscheidenden. Er erkrankte; Podagra und Steinschmerzen zehrten an seinem Leben, Karlsbad versagte den Dienst, und am 28. August 1696 schied er, matt und müde, aus dieser Welt der Zeitlichkeit. Seine Leiche ward einbalsamiert und in der Kreuzkirche zu Dresden ausgestellt, dann aber am 25. November nach der Neumark übergeführt, um in der Kirche zu Tamsel beigesetzt zu werden. Dort ruht er noch jetzt in einem kupfernen Sarge, mit Gold reich verziert und ein Kruzifix auf dem Deckel.

 

Wir versuchen zum Schluß noch eine Schilderung Schönings, sowohl seiner äußern Erscheinung wie seines Charakters. Er war, namentlich dem Brustbilde nach zu schließen, dessen Original sich auf der Festung Königstein und in Kopie in Händen der Schöningschen Familie befindet, ein schöner Mann, in dessen Zügen sich Soldatisches und Hofmännisches, Strenge und Glätte, Selbstbewußtsein und Lächeln über die Eitelkeiten dieser Welt in interessanter Weise mischten. In andern Porträts, so z.B. auf einer Denkmünze, die gleich nach seinem Tode geprägt wurde, tritt das streng Militärische beinah ausschließlich hervor; doch ist es fraglich, ob diesen letzteren Bildnissen irgendeine Porträtbedeutung beigemessen werden darf, oder ob sie nicht vielmehr jenen bloßen Ruhmes- und Ehrenmedaillen zuzurechnen sind, wie sie damals nach dem Ableben eines berühmten Mannes auf gut Glück hin angefertigt wurden, mehr in der Absicht, ihn durch bildliche Darstellung überhaupt zu feiern, als durch korrekte Wiedergabe seiner Züge seinem äußeren Menschen gerecht zu werden.

Uns von Schönings Charakter ein Bild zu entwerfen, ist nicht eben schwer, wenn wir den Berichten über ihn, die in ziemlicher Anzahl auf uns gekommen sind, ohne weiteres Glauben schenken wollen. Es bleibt aber doch fraglich, ob diesen Schilderungen, trotz des Übereinstimmenden, das sie haben, in allen Stücken unbedingt zu trauen ist. Alle Mitteilungen über ihn rühren nämlich von Gegnern her, und man würde die Pflicht haben, schon aus diesem Grunde die höchste Vorsicht walten zu lassen, wenn nicht der Umstand, daß er überhaupt nur Gegner gehabt zu haben scheint, allerdings auf etwas entschieden Unliebenswürdiges in seiner Natur hin verwiese. Barfus, die Schomburgs, Danckelmann, der ältere Grumbkow, Otto von Schwerin, Graf Christoph Dohna, alle waren gegen ihn, und die Memoiren des letzteren, wenn wir Gutes und Böses, das sie erzählen, zusammenfassen, schildern ihn als einen begabten Feldherrn voll Mut, Umblick und Geistesgegenwart, aber zugleich auch als einen anmaßenden und habsüchtigen Mann, von spöttischem und zweideutigem Wesen. Seiner geistigen Überlegenheit sich bewußt, behandelte er was unter ihm stand mit Härte, und was neben ihm stand mit Geringschätzung.

Diese Schilderung wird im wesentlichen richtig sein. Sein Streit mit General Barfus, den wir oben ausführlich erzählt haben, zeigt ihn uns ganz von dieser Seite. Auch Barfus wird in den Pöllnitzschen Memoiren »auffahrend, halsstarrig und hochmütig« genannt; aber eine Reihenfolge von Umständen spricht dafür, daß Schöning in allem, was Dünkel und Hochmut anging, wenigstens ein potenzierter Barfus war. Schöning war wie Barfus und Barfus war wie Schöning, aber der letztere hatte von allem ein voller geschüttelt und gerüttelt Maß. Mit Barfus, trotz seines auffahrenden Wesens, war wenigstens zu leben, mit Schöning nicht, und die Gekränkten und Beeinträchtigten wichen ihm entweder aus, d.h. quittierten den Dienst, oder forderten ihn zum Duell.58) Auch dem Kurfürsten gegenüber verdarb er es durch seinen anmaßenden Ton. Er mußte Recht haben, er war ja Schöning. In diesem Sinne sprach und schrieb er, und dies war es, was ihn endlich stürzte, nachdem er sich längst um alle Sympathien gebracht hatte.

So weit nehmen wir nicht Anstand, in die Angriffe seiner Feinde mit einzustimmen. Auch den Vorwurf der Habsucht abzuweisen, möchte schwer sein. Aber wenn wir auch die Schatten in seinem Charakter weder leugnen noch verringern wollen, so können wir ihm doch dadurch gerecht werden, daß wir seine Lichtseiten mehr hervortreten lassen, als seine mehr oder minder befangenen Zeitgenossen es getan haben. Schöning hatte keinen Freund unter seinesgleichen, aber diejenigen, die über ihm standen, und zwar je höher je mehr, zeichneten ihn aus und gaben ihm Beweise eines besonderen Vertrauens. Kurfürst Friedrich III. war zu wenig selbständig und trotz seiner Kriege zu wenig kriegerisch, vor allem auch persönlich zu leicht verletzbar, um über die Vorzüge Schönings die Schwächen desselben vergessen zu können; der Große Kurfürst aber und Friedrich August der Starke bewiesen ihm dauernd ihre Wertschätzung und ihre Huld. Seine Stellung zum Großen Kurfürsten erinnert einigermaßen an das Verhältnis, das Winterfeldt siebzig Jahre später zum großen König einnahm. Auch Winterfeldt erkaufte die Liebe eines durch den Haß vieler. Die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, waren zum Teil dieselben: Hochmut, Herrschsucht, Zweideutigkeit. Nur der Habsucht wagte man ihn nicht zu bezichtigen. Schöning wurde mit sechsunddreißig Jahren General, mit achtundvierzig Jahren Feldmarschall; diese beiden Angaben genügen, um zu zeigen, was er war. Zwei Höfe, der brandenburgische und der sächsische, wetteiferten in Anerkennung seines militärischen Verdienstes. Dieses Verdienst war unbestreitbar da und nur Stolz und Dünkel verdunkelten es oder machten die Welt unwillig, da noch anzuerkennen, wo schon die höchste Selbstanerkennung vorlag.

Er war seiner Umgebung überlegen, namentlich weltmännisch, aber sein spöttischer Mund verriet zu viel davon und brachte ihn um die beste Frucht des Lebens: die Liebe der Menschen. In wenig Herzen hat er sich eine Stätte gebaut, nur die Tamseler Fischer haben ihm eine poetisch-phantastische Erinnerung bewahrt bis diesen Tag. Wie Derfflinger in Gusow und der alte Sparr in Prenden, so lebt Schöning in Tamsel als ein »Zauberer« fort, und sie erzählen daselbst von ihm, er sei an der Spitze eines märkischen Fichtenwaldes vor die Türkenfestung Ofen gerückt, habe durch einen Zauberspruch all seine Fichten in baumhohe Pikeniere verwandelt und dann, wie der Birnamwald vor Schloß Dunsinan, die Türkenfestung gestürmt.

In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts lebte das alles noch in einem Volksliede, das die Tamseler Fischer sangen. Nun ist das Lied verklungen und nur noch die Sage geht von Mund zu Mund.

 

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58) Zum Teil freilich waren die schiefen Stellungen, in die er beständig geriet, unverschuldet. General von Promnitz wollte sich mit ihm schießen, weil Schönin statt seiner das Kommando zur Verfolgung Horns erhalten hatte, und General Beauvais d'Espagne nahm 1687 den Abschied, weil er es nicht ertragen konnte, daß man dem General Schöning, der nach dem ungarischen Feldzug ein Liebling des Großen Kurfürsten geworden war, den Vorzug einräumte.




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 © textlog.de 2004 • 19.03.2024 08:53:19 •
Seite zuletzt aktualisiert: 24.10.2007 
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